By Gabriela Bonin
Die Swiss Digital Finance Conference (DFC) weist eine Zufriedenheitsquote von 95 Prozent auf. Herr Grivas, was ist Ihr Erfolgsrezept?
Georges Grivas: Wir setzen auf Unabhängigkeit, Praxisnähe und Schweizbezug: Da wir die Konferenz als Hochschule organisieren, sind wir frei von kommerziellen Interessen und stehen in keiner Abhängigkeit. Die Teilnehmenden gewinnen neue Erkenntnisse über internationale und lokale Trends. Sie sehen, wie innovative Ideen die digitalen Finanzdienstleistungen bereichern. So erhalten sie konkrete Handlungsvorschläge für den Finanzsektor Schweiz. Wir sind im ständigen Kontakt mit der Privatwirtschaft. Darum weisen wir eine starke Praxisnähe auf. Mit der Teilnahme des weltweit führenden Fintech-Experten Spiros Margaris haben wir in diesem Jahr erneut einen Top-Keynote-Speaker im Programm.
Geben Sie bitte ein Beispiel für die Praxisnähe der Konferenz.
Am Podium der letztjährigen DFC diskutierte eine international versierte Gesprächsrunde über eine mögliche Disruption im Digital Finance aus Asien – also über ein Thema, das vielen Finanzfachleuten Sorgen macht. Es geht dabei um eine internationale Entwicklung, für die wir in der Schweiz eine Antwort finden müssen. Die Podiumsteilnehmenden erörterten konkrete strategische und operative Erfahrungen und Massnahmen. Sie waren sich einig, dass wir die Angst vor gewissen Veränderungen in Handlungszuversicht umwandeln müssen.
Was wird an der kommenden Konferenz aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie anders sein als früher?
Neu ist, dass wir die Konferenz zum ersten Mal gleichzeitig via Streaming anbieten.
Wir haben in der Schweiz alle Voraussetzungen, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und die Unternehmen in die neue digitale Welt zu bringen.
Braucht es Informatik-Kenntnisse, um von der Teilnahme an der Konferenz zu profitieren?
Nicht unbedingt. Es braucht vielmehr eine gewisse Offenheit und den Mut zu Veränderungen. Es gibt ältere Finanzfachleute, die fürchten, ihnen fehlten die nötigen IT-Kenntnisse, um uns zu verstehen. Aber wir sprechen an der Konferenz nicht in Programmiersprachen (er lächelt). Vielmehr zeigen wir auf, wie man sich auf kommende Entwicklungen vorbereiten kann.
Ist die Schweiz diesbezüglich gut auf Kurs?
Ich bin überzeugt: Wir haben in der Schweiz alle Voraussetzungen, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und die Unternehmen in die neue digitale Welt zu bringen.
An Konferenzen betreibt man Networking, tauscht sich auch mal ungezwungen mit Profis von der Konkurrenz aus…
Das ist sehr wertvoll. Es kann neue Allianzen ermöglichen. Wir vernetzen Akteurinnen und Akteure aus dem Schweizer Finanzsektor und können mithelfen, Weichen für die Zukunft zu stellen.
Gibt es dazu ein positives Beispiel?
An der DFC 2016 hatten wir zwei Repräsentanten von Konkurrenzprojekten in der Podiumsdiskussion, die später gemeinsame Sache machten: Veronica Lange, damals Head of Innovation, Group CTO von der UBS, sowie Thierry Kneissler, damaliger CEO von TWINT, diskutierten mit weiteren Expertinnen und Experten über neue nationale mobile Bezahllösungen. Beide hatten verschiedene Lösungen in Entwicklung. Während der Podiumsdiskussion kam die Frage auf, ob es angesichts der starken internationalen Konkurrenz nicht klüger wäre, eine gemeinsame Bezahllösung zu entwickeln. Kneissler und Lange hielten das erst für ausgeschlossen. Einen Monat später bündelten sie aber ihre Ressourcen und migrierten schliesslich die Nutzer und Nutzerinnen von TWINT und Paymit in die neue TWINT-App. So entstand 2017 die heutige Bezahl-App TWINT. Damit konnten zwei Schweizer Akteure gestärkt auf die geballte Kraft der ausländischen Zahlungssysteme Apple Pay, Google Pay und Samsung Pay reagieren.
Verhält sich die Schweizer Finanzbranche oft so flexibel?
Es gibt erste positive Entwicklungen, aber generell sind die Schweizer Banken noch zu träge. Weltweit verzeichnen wir ein starkes Wachstum von neuen Fintechs, die in den Markt drängen. Ebenso ziehen Bigtechs wie Google, Facebook und Apple immer mehr Finanz-Dienstleistungen an sich. Bislang hatte eine Universalbank alle Teile der Wertschöpfungskette unter ihrem Dach. In Zukunft übernehmen die Fintechs und eventuell Bigtechs immer mehr Teile davon.
Corona hat die Digitalisierung beschleunigt. Daher erwarten wir bald eine höhere Durchdringung der weltweiten Finanzplätze von den Fintechs und Bigtechs.
Was bedeutet das für den Finanzplatz Schweiz?
Der Druck auf unsere Banken verstärkt sich, die Fintechs sind hierzulande noch zu wenig relevant. In der Schweiz verzeichneten wir bei den Fintechs in den letzten Jahren zwar ein grosses Wachstum. Bis Ende 2019 wurden hierzulande 382 neue Fintechs gegründet und mit einem Investitionskapital von 210 Millionen Franken aus Venture Capital und 10 Millionen Franken aus ICOs ausgestattet. National gesehen ist das viel – international ist es verschwindend wenig. Weltweit ist die Entwicklung viel stärker, wir reden von 34.5 Milliarden US Dollar. Da das Coronavirus die Digitalisierung beschleunigt hat, können wir bald eine höhere Durchdringung der weltweiten Finanzplätze von den Fintechs und Bigtechs erwarten. Wenn wir die Fintechs als die Zukunft im Finanzsektor sehen, könnte dies den Finanzplatz Schweiz in Frage stellen.
Wie kann sich der Schweizer Finanzsektor dagegen wappnen?
Wir befinden uns in einer disruptiven digitalen Transformation. Fintechs sind per se digital. Daher werden sie zunehmend eine sehr wichtige Rolle spielen. Die Zukunft liegt in Ecosystemen. Im Zentrum davon steht der Anbieter einer digitalen Plattform, auf der Drittanbieter ihre Produkte platzieren. Es schliessen sich also mehrere Akteure zusammen mit dem Ziel, eine gemeinsame Wertschöpfung zu betreiben. So ein Ecosystem könnte eine Bank orchestrieren oder aber sie bietet darin nur Teil-Dienstleistungen zusammen mit mehreren Fintechs an. Die Diskussion um die Entwicklung solcher Ecosysteme muss nun dringend geführt werden. Es ist wichtig, dass Fintechs und Banken gut darauf vorbereitet sind.
Es ist wichtig und dringend, dass Fintechs und Banken gut auf den Trend zu neuen digitalen Ecosystemen vorbereitet sind.
Werden die Teilnehmenden der kommenden DFC mehr über diese digitalen Ecosysteme lernen?
Ja, das ist ein drängendes aktuelles Thema. Darum bin ich sehr gespannt auf die kommende Konferenz, in der wir in der Podiumsdiskussion über «Banken vs. Ecosysteme – Chance oder Gefahr für Schweizer Banken?» sprechen werden.
Diskussionen allein dürften für die wichtigen Weichenstellungen nicht reichen. Heutige Entscheidungsträgerinnen und -träger brauchen tiefer gehende Informatikkenntnisse.
Durchaus: Mitglieder von Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen benötigen heute ein Basisverständnis in Informatik. Die UBS hat kürzlich mit Ralph Hamers einen neuen CEO aufgrund seiner ausgewiesenen Expertise in der digitalen Transformation gewählt. Das werden wir nun vermehrt sehen. IT-Aus- und Weiterbildung ist auf allen Ebenen nötig – von der Primarschule bis auf CEO-Ebene. Früher waren die Business- und die IT-Abteilung in einem Unternehmen zwei getrennte Bereiche. In der neuen digitalen Welt verschmelzen sie. Google, Apple, Amazon und Co. setzen auf Agilität auf Unternehmensebene und nicht nur in der IT. Diese Bigtechs zeigen, wie die Veränderung stattfinden muss. Sie sind in Bezug auf Agilität die Vorbilder.
Welche Rolle spielt dabei die Hochschule Luzern – Informatik?
Wir bilden aus und weiter. Wir helfen Brücken bauen: Über die Hälfte der Teilnehmenden in unseren Weiterbildungen sind keine Informatik-Fachpersonen. An der DFC ist ein gutes Drittel im Banking beschäftigt, gute 10 Prozent je im Consulting und in akademischen Institutionen.
Was ist Ihr persönliches Ziel als Leiter der Swiss Digital Finance Conference?
Wir befinden uns in einer spannenden Übergangszeit und relativ am Anfang der Digitalisierung. Als Hochschule wollen wir den Teilnehmenden wichtige Trends und Entwicklungen zeigen, damit sie sich auf die digitale Zukunft vorbereiten können. Der Schweizer Finanzsektor soll einen Vorteil aus unseren Aktivitäten ziehen. Den Profis in dieser Branche soll der Rücken gestärkt werden. Wenn sich die Teilnehmenden der Konferenz mit einem Lächeln verabschieden und ich spüre, dass sie gestärkt wurden, dann ist mein Ziel erreicht.
Konferenzleiter mit Informatik- und Finanz-Know-how: Prof. Dr. Georges Grivas ist Dozent und Studiengangleiter an der Hochschule Luzern – Informatik. In diesem Jahr verantwortet er zum achten Mal die Organisation der Swiss Digital Finance Conference (DFC) im «Crypto Valley» in Rotkreuz ZG.
Entwicklungen im Digital Business: Georges Grivas hat sich kürzlich in den folgenden Fachzeitschriften dazu geäussert: in der «Netzwoche» zum Thema «Kryptowährung Libra» (dies auch in Verbindung zum CAS Blockchain, das Grivas unter anderem leitet); im SwissICT-Mitgliedermagazin zum Thema «Aufgaben und Anforderungen der CDOs und der modernen IT Manager» sowie im «Philanthropist» zum Thema «Disruptive Innovation».
Jetzt anmelden: Die Swiss Digital Finance Conference findet am Donnerstag, 1. Oktober in Rotkreuz ZG statt (physisch vor Ort, sofern es die Corona-Situation erlaubt, sowie digital via Streaming). Sie vernetzt Akteurinnen und Akteure aus dem Schweizer Finanzsektor, informiert sie über relevante Technologie-Trends und darüber, wie diese die Branche verändern. Hier können Sie sich anmelden.
Bilden Sie sich aus und weiter: Die folgenden Aus- und Weiterbildungen bringen Sie in der Digitalisierung entscheidend weiter:
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