Augmented & Virtual Reality,

Forschung & Dienstleistung

«Enormes Potential für Kreativität und neue Arbeitsplätze»: XR der Zukunft

«Enormes Potential für Kreativität und neue Arbeitsplätze»: XR der Zukunft
Aljosa Smolic

Von Yasmin Billeter

Kunst- und Medienschaffende nutzen vermehrt VR-/AR-Technologien. Neue Arbeitsplätze entstehen: Darüber spricht unser neuer Dozent Aljosa Smolic. Der XR-Pionier forscht an einem grossen EU-Projekt. Zusammen mit dem Immersive Realities Research Lab der Hochschule Luzern wird er dafür eine Software entwickeln – eine Art Photoshop für XR.

Das bedeuten die Begriffe: AR, VR, MR, XR

AR steht für «Augmented Reality», zu Deutsch «Erweiterte Realität»: Dank AR-Technologie können die Nutzenden ihre Realitätswahrnehmung erweitern. Dabei überlagern virtuelle Informationen und Objekte ihre reale Welt. So können Hörgeschädigte zum Beispiel in einem Theater eine AR-Brille aufsetzen, die ihnen die gesprochenen Texte schriftlich einblendet.

VR ist die Abkürzung von «Virtuelle Realität» oder auf Englisch «Virtual Reality». Die Nutzenden tauchen dabei in eine vollständig digital erstellte Umgebung ein. Diese Technologie hat sich in den letzten Jahren schnell entwickelt. Sie wird nicht nur in der Spiele- und Unterhaltungsindustrie eingesetzt, sondern auch in diversen Branchen wie Maschinenindustrie, Gesundheitswesen und Architektur. So können Teilnehmende etwa in einer virtuellen Trainingsumgebung Handgriffe auf sichere und effiziente Art und Weise üben. Oder ein Designteam erlebt ein neues Produkt in der virtuellen Betrachtung «wie in echt».

MR bedeutet «Mixed Reality» und wird sehr unterschiedlich verwendet. Aus wissenschaftlicher Perspektive betrachtet umfasst sie das gesamte Spektrum zwischen der physischen Welt, in der wir leben, bis hin zur vollständig virtuellen Realität. Vielfach wird darunter aber auch eine Realität verstanden, die zwischen Virtual und Augmented Reality liegt. Auch hier wird die Realität mit virtuellen Elementen überlagert, aber diese sollen so wirken, als ob sie wirklich Teil der realen Welt wären. Ein Beispiel für dieses MR-Begriffsverständnis ist beispielsweise die HoloLens von Microsoft.

In der Branche entfernt man sich jedoch immer weiter davon, AR, MR und VR separat und isoliert zu betrachten. Vielmehr sieht man sie als unterschiedliche Punkte eines Spektrums. Dies führte zu neuen Begriffsbildungen wie «XR». Dabei soll x als Variable die Gesamtheit des Spektrums ausdrücken. Weitere Bedeutungen können sein: «eXtended Reality», «Enhanced Reality», «X-Reality», «Expanded Reality» oder «Cross Reality».

Herr Smolic, Sie haben bisher mit Künstlerinnen und Kreativen zusammengearbeitet, um XR-Erlebnisse zu kreieren. Wie muss man sich das konkret vorstellen?

Es ist Pionierarbeit sowohl auf technischer als auch auf künstlerischer Seite und ein iterativer Prozess. Kunstschaffende müssen erst lernen, wie man die neuen Technologien einsetzt. Ihre Vorstellungskraft geht oft über das hinaus, was möglich ist. Meine Arbeit ist deswegen häufig auch etwas desillusionierend. Was mich reizt: Die Technologie verändert die Kunst und die Art, wie wir mit ihr interagieren.

Die Technologie verändert die Kunst und die Art, wie wir mit ihr interagieren.

Sie haben am Trinity College in Dublin neuartige XR-Erlebnisse mit volumetrischen Videos realisiert. Was unterscheidet volumetrische Videos von herkömmlichen Videos?

Dabei werden Menschen in XR-Umgebungen dargestellt. Dazu haben wir Schauspielende aufgenommen und sie in 3D rekonstruiert. Das Besondere an volumetrischen Videos ist die frei wählbare Perspektive: Im Gegensatz zu normalen Filmaufnahmen kann man die Szenen aus jedem beliebigen Winkel betrachten und sich frei in der Aufnahme bewegen. So entsteht ein völlig neues Erlebnis.

Wir werden bald ein Volumetric Video Studio eröffnen.

Wo werden volumetrische Videos eingesetzt?

Zum Beispiel beim virtuellen Theater. Dabei kann man in das Stück hineingehen und mit echten Menschen interagieren. Wir haben ein solches Stück in Dublin inszeniert. Daraufhin haben wir das Spin-off Volograms gegründet, welches die Technologie nun vermarktet.

Virtual-Reality-Erlebnisse im Theater haben wir aktuell auch an der Hochschule Luzern (HSLU). Und wir werden bald ein Volumetric Video Studio eröffnen, welches von allen Departementen genutzt werden kann. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig.

Was hat Sie dazu bewogen, an die Hochschule Luzern – Informatik zu kommen?

Die Branche boomt und die HSLU hat sich mit dem Immersive Realities Research Lab gut positioniert. Ausserdem habe ich Familie in der Schweiz.

Für ein neues EU-Projekt forschen wir an der Nachrichtenredaktion der Zukunft oder XR-Formaten für Museen.

Was wollen Sie an der HSLU erreichen?

Ich möchte mit meinem Fachwissen das Forschungsteam ergänzen und interdisziplinäre Projekte zwischen Kunst und Technologie vorantreiben. Dazu bin ich im Gespräch mit dem Departement Design & Kunst und dem Studiengang Digital Ideation. Aufbauend auf meiner früheren Forschung beteiligen wir uns ab Herbst an einem grossen EU-Projekt, welches seit Kurzem bestätigt ist. Es müssen aber noch Vertragsformalitäten ausgearbeitet werden.

Worum geht es bei diesem EU-Projekt?

TransMIXR ist ein internationales Forschungsprojekt, das darauf abzielt, XR-Technologien der breiten Bevölkerung näherzubringen. Konkret sollen neue Formen immersiver Inhalte gefördert werden – in den Bereichen Journalismus, Kulturerbe und darstellende Künste. Dabei geht es zum Beispiel um die Nachrichtenredaktion der Zukunft oder XR-Formate für Museen.

Es ist ein grosses Projekt mit 20 Partnerinnen und Partnern aus zwölf Ländern. Welche Rolle wird die HSLU dabei spielen?

In erster Linie werden wir eine Software entwickeln, um immersive Inhalte zu erstellen – eine Art Photoshop für XR. Damit wollen wir es dem europäischen Kultur- und Kreativ-Sektor ermöglichen, XR-Technologien zu nutzen. Kultur und Medien sind wichtig für eine Gesellschaft. Und das Potenzial an Formaten und Arbeitsplätzen in diesem Bereich ist enorm.

Es besteht ein riesiger Bedarf an Fachleuten für AR-, VR- und Metaverse-Technologien.

Tech-Firmen wie Meta und Google investieren viel Geld in die VR- und AR-Technologie. Ist es wichtig, dass wir in Europa und der Schweiz ebenfalls aktiv werden?

Absolut. Auch unser Lab arbeitet in diesem Bereich und hat Expertise. Mit dieser unterstützen wir interessierte Firmen. Ebenso treiben wir die Ausbildung voran. Es besteht ein riesiger Bedarf an Fachleuten für AR-, VR- und Metaverse-Technologien. Wir werden die Ausbildungsangebote an der HSLU erweitern und neue Kurse anbieten. Wir wollen ein schweizweit führendes Center of Excellence in diesem Bereich werden. Da diese Branche dermassen boomt, versprechen wir uns viel davon.

Überrascht Sie dieser Boom?

Nein, ich bin nicht überrascht. Erinnern Sie sich an die VR-Brillen vor 15 Jahren? Es war fast unerträglich, damit etwas anzuschauen. Für junge Forschende wie mich war es eine interessante Zeit: Die Matrix-Filme mit den berühmten Spezialeffekten kamen gerade heraus und waren eine Inspiration.

Es war aufregend, zu den Pionieren zu gehören, die diese Dinge erforschten und entwickelten. Ich machte mir mehr und mehr einen Namen. Das hat meinen wissenschaftlichen Weg in diesem Bereich bestimmt. Heute ist die Hardware soweit und deshalb gibt es diesen Schub. Ich habe das erwartet und möchte diese Welle nun mit meinem Forschungsteam nutzen.

Und wann kommt das Metaverse?

Wir sind bereits in einem Anfangsstadium. Wie das Metaverse einst aussehen könnte, beschreibt Tim Weingärtner in unserer Metaverse-Serie. Klar ist: Es gibt bereits virtuelle Welten, in denen man sich mit einer Identität bewegt, Geld ausgibt und zum Beispiel NFTs kauft. Diese sind dabei, sich weiter zu vernetzen. Kürzlich habe ich mit meiner Klasse im Metaverse das Trinity College in Dublin besucht. Die neuen immersiven Welten bieten aber auch Gefahren.

Welche Gefahren sehen Sie?

Realitätsverlust, Einsamkeit, Mobbing, der Umgang mit persönlichen Daten. Es gibt viele Probleme, die wir bereits kennen, die aber in digitalen Welten wie dem Metaverse noch viel deutlicher hervortreten werden. Der bekannte Science-Fiction-Klassiker «Matrix» kann als eine Dystopie gesehen werden: dass Menschen getrennt voneinander in virtuellen Welten dahinvegetieren und den Kontakt zur Realität und zum Zwischenmenschlichen verlieren.

Wie kann man dem entgegentreten?

Diese Entwicklung muss von verschiedenen Disziplinen begleitet werden: Psychologie, Soziologie und Ethik. In der universitären Forschung ist dies bekannt und eine ethische Sichtweise ist erforderlich. Grosse IT-Unternehmen hingegen foutieren sich teilweise noch darum.

Frage in die Runde: Welches sind Ihre Erwartungen an den Einsatz von XR-Technologie? Welche Erfahrungen haben Sie damit bereits gemacht?

Veröffentlicht am: 6. April 2022

Pionier zwischen Technologie und Kunst: Dr. Aljosa Smolic ist seit 2022 Dozent für AR/VR an der HSLU. Er forscht an immersiven Technologien wie AR, VR, volumetrisches Video, 360/omnidirektionales Video, Lichtfelder und VFX/Animation mit einem besonderen Schwerpunkt auf Deep Learning im Visual Computing. Bevor er zur HSLU kam, war er Forschungsprofessor für kreative Technologien am Trinity College Dublin (2016-2021), bei Disney Research Zürich (2009-2016) und am Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (2001-2009). Er promovierte an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) und war Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Berlin und der ETH Zürich.

Praxisnahe Aus- und Weiterbildung im XR-Bereich: Das Metaverse verlangt nach Fachkräften aus dem XR-Bereich (AR, VR). Der XR-Markt wächst stark und benötigt immer mehr ausgebildete Fachkräfte. Bereits jetzt bietet die Hochschule Luzern – Informatik Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten im XR-Bereich an. Sie baut ihr Angebot dieses Jahr  weiter aus.

  • Neues CAS ab Herbst 2022: Im «CAS Virtual & Augmented Reality Management» lernen die Kursteilnehmenden, wie sie AR- und VR-Projekte im eigenen Unternehmen umsetzen. Es richtet sich an alle Personen, welche die neuen Möglichkeiten in die eigene Firma tragen und implementieren wollen.
  • Bachelor-Studium: Mit der Wahl des Majors Augmented & Virtual Reality wird während des Bachelor-Studiums in Informatik ein fachlicher Schwerpunkt gesetzt. Dazu gehören die folgenden Module: 3D-Modellieren für Echtzeitanwendungen, Advanced Game Development, Augmented Reality, Game Development, Human Factors & Design, Interaction for Virtual Reality, Usability, Virtual Reality Technologies.
  • Fachkurs: Der Fachkurs Virtual und Augmented Reality bietet eine Übersicht zu AR und VR und vermittelt neben theoretischen Grundlagen vor allem praxisnahe Inhalte. Die Teilnehmenden gewinnen einen Einblick in die faszinierenden Welten von AR/VR.

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