Von Yasmin Billeter
«Code kann kreativ sein!», sagt Dragica Kahlina. Die Game-Expertin leitet den neuen interdisziplinären Master Music and Digital Creation der Departemente Informatik und Musik der Hochschule Luzern. Hier spricht sie über ihr Doppelleben als Klangkünstlerin und Game-Expertin und wie das mit Live Coding und Künstlicher Intelligenz (KI) zusammenhängt.
Die Verbindung von Programmieren und Musik entdeckte Game-Dozentin Dragica Kahlina per Zufall: «2011 wollte ich Lisp, eine der ältesten Programmiersprachen der Welt, lernen. Allerdings gab es nur einen Lisp-Kurs für Musikkomposition. Also besuchte ich diesen.» So lernte Kahlina, wie sich Sound programmieren lässt und wie sie ihr angesammeltes Coding-Wissen auf kreative Weise neu nutzen kann.
Heute bewegt sie sich an der Schnittstelle zwischen Musik, Games und KI. An der Hochschule Luzern kann sie ihr Hobby zum Beruf machen: Sie ist Co-Leiterin des neuen Majors auf Master-Stufe Music and Digital Creation und unterrichtet Games im Studiengang Digital Ideation.
Privat komponiert Kahlina mit Vorliebe algorithmische Stücke mit der Audio-Synthesizer-App BitWiz. Diese kann sie wie ein Musikinstrument nutzen. Mit einer Codezeile erstellt sie dort komplexe Audiostücke. «Die App ist unvorhersehbar und doch kontrollierbar. Dabei entstehen neben rhythmischem Sound auch Klänge aus der 8-Bits-Welt, wie wir sie von Games wie Super Mario kennen.»
Sind Sie neugierig, wie sich Kahlinas Code anhört?
Manchmal baut sie auch mit KI Klanglandschaften für Games. Oder sie erstellt Glitch Art. Dazu zerstört sie Fotos und Videos, um sie mit Röhrenfernseher-Optik und Pixeln in eigene Kunstwerke zu verwandeln. «Ich liebe es, analog und digital zu vermischen», sagt Kahlina.
IT und Musik: Live und aus Leidenschaft
Am besten gefällt ihr aber das Live Coding: in Echtzeit programmieren und so unter anderem Musik oder Visuals erzeugen. Auf der Bühne werden die Befehle der Künstlerinnen und Künstler oft auf einer Projektion für alle sichtbar gemacht. «Das Schöne an dieser Art, Musik zu machen, ist die Performance-Komponente», sagt Kahlina. «Wie reagiert das Publikum? Wie interagiere ich damit? Welche Klänge entstehen? Diese Fragen treiben mich an.»
Dragica Kahlina programmiert als Performance-Kunst
Kahlina erinnert sich an den Lisp-Kurs: «Ich verstand zwar etwas von Musiknoten und Komposition – hätte mich aber nie als musikalisch bezeichnet. Plötzlich hatte ich mit Laptop und Code unendliche Möglichkeiten.» Was folgte, war eine Umorientierung zur Computermusik. Sie gab diverse Konzerte, ging eine Liaison mit dem elektronischen Instrument Eigenharp ein und kreierte Musik für Computer-Spiele.
Wie Kahlinas Welt in den Computer kam
Dragica Kahlina ist beseelt von Computern und den Möglichkeiten, die sie bieten. Mit 14 kaufte sie sich ihren ersten eigenen Rechner. «Ein unendlicher Sandkasten! Meine Mutter war nicht begeistert, hat sich aber mittlerweile mit <der Kiste> ausgesöhnt», sagt sie und lacht.
Mein Leben lang war ich von Frauen umgeben, die der Wissenschaft zugewandt waren.
Sie möchte ein Vorbild sein für junge Frauen, welche ihren Weg in die Informatik oder Game-Branche finden. Sie selbst hatte schliesslich auch Vorbilder: «Mein Leben lang war ich von Frauen umgeben, die der Wissenschaft zugewandt waren. Meine Mutter war stark in Mathe und Physik, eine Tante war Chemikerin, eine andere Tante Pharmazeutin. Für mich war die Wissenschaft immer weiblich.»
Entsprechend vertraut ist ihr die Frage, wie es sich als einzige Frau in einer Männerdomäne anfühlt. Sie habe immer einen Exotenstatus gehabt, aber nie Negatives erlebt, erzählt sie und erklärt, für sie seien Frauen in wissenschaftlichen Berufen ganz normal: Ihre Eltern stammen aus Kroatien, aus einer Kultur, in der Frauen, in der viele Frauen wissenschaftlich tätig sind. Weil sie selbst Fragen an die Wissenschaft hatte, studierte sie Astrophysik. Für ihre Abschlussarbeit simulierte sie, wie sterbende Sterne explodieren, und entwickelte fortan mit Leidenschaft Computerspiele.
Nach Stationen in Deutschland und Österreich, wo sie für AAA-Games Spiele wie Spellforce I&II programmierte, gründete sie 2008 ihre eigene Firma für Game-Entwicklung sowie eine Game-Community. «Aber der Schweizer Markt ist hart für unabhängige Spiele-Entwicklerinnen und -Entwickler», so die 50-Jährige.
Aufbrechen in die digitale Zukunft der Musik
Was es hingegen brauche, seien Menschen, welche sich an der Schnittstelle von Musik und Technologie bewegten. Die Job-Möglichkeiten seien vielfältig: «Programmieren von Musik für das Metaverse, für Computerspiele oder Online-Anwendungen. Eigene Apps oder Webseiten im Bereich Musik entwickeln. Aber auch Firmen wie Spotify, Tiktok, Facebook, Google oder Suisa suchen Personen an der Schnittstelle von Musik und Technologie», sagt Kahlina. Sie freut sich auf den Start des Majors im Herbst 2023 und betont: «Dieser ist offen für Absolventinnen und Absolventen aller Musikbereiche und sur Dossier auch anderer Disziplinen.»
Ein Leben ohne Technologie kann sich Dragica Kahlina nicht vorstellen. Doch obwohl sie viel Zeit virtuell verbringt, Musik komponiert und auf Twitter aktiv ist, steht sie doch mit beiden Beinen im realen Leben.
Zur Serie «Mitarbeitende mit Doppelleben»: Hier zeigen wir Mitarbeitende mit aussergewöhnlichen Hobbys oder Berufen.
Schlägt Brücken zwischen KI, Games und Musik:
Dragica Kahlina ist Klangkünstlerin, Game-Expertin und leitet den Major auf Master-Stufe Music and Digital Creation. Sie unterrichtet Games im Studiengang Digital Ideation.
Für Musiker und Informatikerinnen
Ab Herbst 2023 bieten die Departemente Musik und Informatik der Hochschule Luzern den neuen interdisziplinären Master-Major Music and Digital Creation an.
Im Bachelor bietet die Hochschule Luzern die Studiengänge Digital Ideation, Informatik, Information & Cyber Security, International IT Management und Wirtschaftsinformatik an. Im Master-Studium vertiefen Studierende die Bereiche Informatik, Wirtschaftsinformatik oder Digital Ideation.
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