Artificial Intelligence & Machine Learning,
Von Yasmin Billeter
Prognosen von unseren Expertinnen und Experten: Teil 7
Was ist im Bereich KI-gestützte Prozessoptimierung im Jahr 2022 zu erwarten? Unsere Expertin Jana Koehler spricht darüber, warum KI-basierte Algorithmen für die Zukunft der Fertigung, aber auch für die Genetik oder die Bewältigung der Klimaveränderung wichtig sind.
Planungs- und Scheduling-Algorithmen sind KI-basierende Lösungen für die Prozessoptimierung. Aufgaben in der Planung und im Scheduling treten in vielen Gebieten auf. Etwa in der industriellen Produktion, im Gesundheitswesen, in Bildungseinrichtungen oder beim öffentlichen Verkehr. Eine typische Problemstellung ist die Projektplanung und Ressourcenzuteilung für Maschinen und Montagesysteme.
Beim Scheduling (Ablaufplanung) geht es darum, vorgegebene Arbeitsschritte in die richtige Reihenfolge zu bringen, sodass minimale Resourcen verbraucht werden. Im Mittelpunkt der Optimierung steht dabei die Auslastung der Maschinen, die Arbeitszeit von Menschen und die Zeit, die zur Durchführung der Arbeitsschritte gebraucht wird.
Beim Planen (im Sinne der Handlungsplanung) sind Ziele (zum Beispiel in Form von Produktionsaufträgen) vorgegeben. Der Computer bestimmt, welche Arbeitsschritte ausgeführt werden müssen, um das Ziel zu erreichen. Dabei kann meist aus unterschiedlichen Arbeitsschritten gewählt werden.
Bevor das Schedulingproblem durch die Ablaufplanung gelöst werden kann, müssen erst durch die Handlungsplanung die benötigten Arbeitsschritte bestimmt werden. Deshalb ist das Planen auch schwieriger und komplexer als das Scheduling.
Die Fertigung der Zukunft verfügt über autonom arbeitende, sich selbst organisierende Systeme in Produktion und Logistik. Diese Systeme bringen neue Wertschöpfungsmöglichkeiten und senken die Fehlerquoten und die Betriebskosten. Dazu werden Scheduling- und Planungs-Algorithmen genutzt.
Frau Koehler, welche Entwicklung in Ihrem Fachbereich hat Sie im vergangenen Jahr überrascht?
Am meisten überrascht hat mich, dass die Planungs- und Scheduling-Algorithmen aus der KI auch dafür geeignet sind, biologische Vorgänge in Zellen zu beschreiben. In der KI setzen wir diese normalerweise für die Optimierung von Prozessen ein.
An der Universität des Saarlandes habe ich mit Epigenetikern und Bioinformatikern zusammengearbeitet und es war erstaunlich, wie gut wir die Genregulierung in Zellen als Planungs- und Optimierungsproblem modellieren konnten. Jetzt kommt es noch darauf an, die entsprechenden Algorithmen auf die gewaltigen Datenmengen zu skalieren, die in der Genforschung auftreten.
Auch fand ich es sehr schön zu sehen, wie schnell die Informatik es uns ermöglicht, neue Abläufe zu organisieren und zu vernetzen, indem wir zum Beispiel das Impfen und Testen von Millionen von Menschen digital organisieren konnten.
Wie würden Sie Ihr Fachgebiet ganz einfach erklären?
Ich verwende einen Computer, um meine Ziele schneller und einfacher zu erreichen. Er schlägt mir vor, was ich als Nächstes tun soll, wenn ich ihm sage, was mein Ziel ist.
Was aus dem Science-Fiction-Bereich wird es in Ihrem Fachbereich bald geben?
Assistenzysteme, mit denen wir intelligent verschiedene Szenarien durchspielen können. Damit werden wir uns besser über die möglichen positiven und negativen Auswirkungen informieren können, bevor wir eine Lösung umsetzen.
Im Umweltbereich werden intelligente szenariobasierte Simulationen sehr wichtig werden.
Beispiele sehen wir in der Verkehrs- oder Produktionsplanung, bei der intelligente, szenariobasierte Simulationen zu besseren Lösungen führen. Auch im Umweltbereich und bei der Bewältigung der Klimaveränderung wird diese Technologie sehr wichtig werden.
Was gilt es in Ihrem Fachbereich in diesem Jahr anzupacken?
Die Planungs- und Scheduling-Algorithmen sind im Gegensatz etwa zum Maschinellen Lernen noch sehr schwierig zu benutzen. Es braucht viel Expertise. Diese Algorithmen müssen einfacher benutzbar gemacht werden.
Optimierungsalgorithmen sind im Gegensatz zum Maschinellen Lernen noch sehr schwierig zu benutzen.
Ich arbeite aktuell an neuen Algorithmen, mit denen Planungsmodelle aus Prozessdaten gelernt werden können. Damit können zum Beispiel Logistik- und Produktionsprozesse flexibler gesteuert und schneller an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden. Bisher müssen Menschen Modelle erstellen, in denen die möglichen Arbeitsabläufe, Ziele und Arbeitsaufträge sowie die aktuellen Ausgangsbedingungen (verfügbare Maschinen, Fachkräfte usw.) genau beschrieben sind. Das ist sehr zeitaufwendig und erfordert, die vorhandenen Prozesse genau zu beobachten.
Da diese Prozesse aber heutzutage digitalisiert sind, kann man sie mit Hilfe des maschinellen Lernens automatisiert überwachen. So lernt der Computer das Planungsmodell selbst. Interessant ist dabei, dass die Modelle transparent und erklärbar sind, also von den menschlichen Expertinnen und Experten verstanden und überprüft werden können, bevor sie zum Einsatz kommen. Hier haben wir einen grossen Vorteil im Vergleich zum Deep Learning. Dort können wir die gelernten Modelle eines tiefen neuronalen Netzes nicht verstehen.
Ein grosser Vorteil im Vergleich zum Deep Learning: Planungsmodelle sind transparent und erklärbar.
Mit den aktuellen Unsicherheiten, die wir in den Lieferketten beobachten, werden solche Algorithmen sehr wichtig werden. In Rotkreuz wollen wir ein neues Labor aufbauen, das diese Technologien verwendet.
Was nehmen Sie sich fachlich vor? Und was ganz persönlich?
Ich wünsche mir, dass das neue CAS Conception of Modern Software Architectures auf grosses Interesse stösst. Über viele Jahre habe ich Methoden aus der Software-Architekturentwicklung zusammengetragen und integriert. Diese ermöglichen es, sich sehr schnell in komplexen Softwareprojekten zu orientieren. Dies ist besonders für Projekte wichtig, die Technologien der Künstlichen Intelligenz einsetzen. Diese Projekte scheitern weniger an der KI-Technologie als an unzureichenden Entscheidungen, was ihre Architektur und ihre Einbettung in die IT-Landschaft eines Unternehmens angeht. Persönlich hoffe ich, viel Zeit zum Wandern und Segeln zu haben.
Was wollten Sie als Kind werden?
Mein Berufswunsch als Kind hat immer wieder gewechselt, je nachdem, was mich interessiert hat. Eine Zeit lang wollte ich zur See fahren, was sicherlich damit zu tun hat, dass ich meine Kindheit auf einem Segelboot verbracht habe. Später habe ich versucht, Roboter zu bauen, was zwar nicht geglückt ist, aber trotzdem spannend war. Letztendlich hat mich dies dann in die Informatik gebracht. Darüber bin ich immer wieder sehr froh, weil ich diesen Beruf als unglaublich spannend und vielseitig erlebe.
Frauen sind super in der Informatik. Zum Beispiel hilft ihnen ihre Begabung für Sprachen, dass sie sehr leicht programmieren lernen und sehr gute Software schreiben.
Was ist ein Klischee/Vorurteil gegenüber Ihrem Fachgebiet?
Optimierungsalgorithmen kennt niemand – deswegen gibt es keine Vorurteile (lacht). Ein Klischee der Informatik ist, dass sie nichts für Frauen sei. Das ist völlig falsch. Frauen sind super in der Informatik. Zum Beispiel hilft ihnen ihre Begabung für Sprachen, dass sie sehr leicht programmieren lernen und sehr gute Software schreiben (wenn sie es denn versuchen). Im Moment geniesse ich es, mit acht Frauen (alles Informatikerinnen und Mathematikerinnen) und einem Mann in einem ganz tollen Team zu arbeiten.
Und wie treten Sie diesem entgegen?
Ich bin Informatikerin und seit vielen Jahren durchaus erfolgreich.
Zur Serie «Prognosen»: Expertinnen und Experten der Hochschule Luzern – Informatik geben einen Ausblick auf Entwicklungen in ihrem Fachgebiet.
An unsere Leserinnen und Leser: Welche Prognosen machen Ihnen Freude oder Sorge? Welche Entwicklungen streben Sie im Bereich intelligente Prozessoptimierung an?
Veröffentlicht am 17. Januar 2022
Unsere Expertin für KI und intelligente Prozessoptimierung:
Jana Koehler leitete von 2019 bis Anfang 2021 am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) den Forschungsbereich «Algorithmic Business and Production» und hatte als Professorin an der Universität des Saarlandes den Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz inne. Von 2010 bis Anfang 2019 war sie Professorin für Informatik an der Hochschule Luzern. Ab März 2022 kehrt sie als Professorin für Informatik und Forscherin an das Departement Informatik der Hochschule Luzern zurück.
Angebote für Partnerfirmen: Das ABIZ-Forschungsteam der Hochschule Luzern – Informatik unterstützt Industrie- und Kooperationspartner. Es begleitet sie bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen und Dienstleistungen auf der Basis komplexer Algorithmen (Algorithmic Business). Nebst Forschung und Entwicklung bietet das Team folgende Dienstleistungen an: Beratung betreffend Digital Business, Vor-Ort-Schulungen, Audits und Coachings in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Maschinelles Lernen, Bildverarbeitung und Datenanalyse.
Blick in die KI-Zukunft: Folgen Sie unserer Twitter-Seite: Dort verfolgen und kommentieren Expertinnen und Experten der Hochschule Luzern die neuesten Entwicklungen im Bereich der KI.
Bilden Sie sich weiter: Im CAS Artificial Intelligence/Künstliche Intelligenz (AI/KI) lernen Sie KI zu verstehen und innovativ anzuwenden.
Im CAS CAS Conception of Modern Software Architectures lernen Sie, wie Sie KI Technologien erfolgreich in modernen Software-Lösungen einsetzen und diese Lösungen in ihrem Unternehmen zum Erfolg bringen.
Holen Sie sich einen Bachelor: Der zukunftsweisende Studiengang Artificial Intelligence & Machine Learning legt seinen Fokus auf die Schlüsseltechnologien der Künstlichen Intelligenz.
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