Artificial Intelligence & Machine Learning
Von Marc Bravin
Ob jodeln, Hautkrankheiten erkennen oder Routen der Müllabfuhr optimieren: Wir vom Algorithmic Business Research Lab bringen Maschinen das Lernen bei. Diesmal haben wir eine Künstliche Intelligenz (KI) entworfen, die komplett neue Bierrezepte generiert.
Bierrezepte sind anders aufgebaut als Kochrezepte. Sie enthalten viele Bestandteile, welche für Laien unverständlich sind. Weil auch wir im Forschungsteam keine Ahnung vom Brauen haben, arbeiten wir mit der Rothenburger Mikrobrauerei MN Brew zusammen.
Brauexperte Adrian Minnig half uns die Komponenten zu identifizieren, die unsere KI generieren muss, sodass daraus ein schmackhaftes Bierrezept abgeleitet werden kann. Die Grundzutaten sind immer dieselben: Wasser, Hopfen und Malz. Notwendig sind auch die Mengenangaben und die Kochzeiten der einzelnen Zutaten. Ausserdem werden verschiedene Biersorten unterschieden: – Lager, India Pale Ale, Weizen, Amber usw.
Trainingsdaten für die künstliche Braumeisterin
Zu Beginn des Projekts sammelten wir insgesamt 157’663 Bierrezepte. Wie bei allen Machine Learning Projekten mussten wir zuerst die Daten bereinigen: Rezepte, die nicht über eine ausreichende Datenqualität verfügten, wurden entfernt; ebenso Rezepte, welche nicht für die Brauerei MN Brew geeignet waren.
Wir wussten: Je mehr unterschiedliche Zutaten ein neuronales Netzwerk kombinieren muss, desto schwieriger wird es, ein braubares Rezept zu generieren. Deshalb sortierten wir auch Rezepte mit seltenen Zutaten aus. Zur weiteren Komplexitätsreduktion haben wir alle Rezepte entfernt, welche länger als 60 Minuten dauern. Nach der Datenbereinigung blieben 67’345 Rezepte übrig, mit der unsere KI namens «Brauer AI» («Brauerei» ausgesprochen) trainiert wurde.
Architektur der Brau-Intelligenz
Der «Brauer AI» stehen 315 Malz- und 1’648 Hopfensorten zur Verfügung. Die Bierrezepte in unserem Datensatz enthalten durchschnittlich vier Malz- und drei Hopfensorten. Das Programm musste also lernen, welche Arten von Malz und Hopfen kombinierbar sind. Nur so konnte sie ein Rezept für ein Bier generieren, das braubar ist und gut schmeckt.
Das neuronale Netzwerk, welches wir für unsere «Brauer AI» trainiert haben, hat seinen Ursprung in der Verarbeitung von Text. Es ist ein sogenanntes Transformer-Netzwerk. Solche Netzwerke können sich punktgenau an bereits generierte Sequenzen, in unserem Fall Rezept-Zutaten, erinnern.
Weiter können sie leicht auf beliebige Informationen konditioniert werden (zum Beispiel auf eine Liste von Zutaten, welche unbedingt im Rezept vorkommen sollen). Für jede Komponente eines Rezepts trainierten wir ein separates Transformer-Modell. Insgesamt besteht unsere «Brauer AI» aus sieben Transformer-Modellen, welche «End-to-End» trainiert wurden. «End-to-End»-Lernen bezieht sich in der Regel darauf, die Lösung eines gegebenen Problems direkt aus dem möglichst rohen Datensatz zu erhalten. Das Netzwerk lernt selbst, was den Aufwand für den Entwicker oder die Entwicklerin reduziert. Damit wiederkehrende Muster erkannt werden können, werden entsprechend viele Daten benötigt.
Nach wenigen Stunden begann die KI Muster, die sich in den Bierrezepten wiederholten, zu erkennen. Indem das Programm alle Rezepte verinnerlichte, konnte es neue und fast tankfertige Rezepte generieren.
So entsteht ein KI-generiertes Bierrezept
Die Generierung eines Rezepts ist hierarchisch aufgebaut (siehe Grafik unten). In jedem Schritt erhält das Netzwerk die bisher generierten Zutaten als Input. Als Grundlage muss der Bierstil bestimmt werden – India Pale Ale, Weizen, Amber usw. Diesen gibt entweder ein Mensch vor, oder die KI wählt ihn zufällig. Aufgrund des Stils schlägt «Brauer AI» dann eine Menge von Malzsorten und deren Anteil am Sud vor.
Als Nächstes folgen Vorschläge für passende Hopfensorten und deren Kochzeiten. Um die Hopfenaromen besser zur Geltung zu bringen, kann nach dem eigentlichen Brauprozess nochmals Hopfen hinzugegeben werden. Dies wird als «Dry Hopping» bezeichnet. Daher wird vom Netzwerk nach den Empfehlungen für Malz und Hopfen zusätzlich eine Liste von Dry Hops vorgeschlagen.
Dann werden, falls nötig, weitere geschmackgebende oder den Brauprozess beeinflussende Zutaten vorgeschlagen. Nun haben wir ein komplettes Rezept. Zu guter Letzt gibt unsere «Brauer AI» dem Bier noch einen Namen.
Unsere Mikrobrauerei MN Brew erhielt von der «Brauer AI» ein spannendes Rezept: ein India Pale Ale mit Zitrusnote. Wie das Bier schmeckt und wie man es bekommt, lesen Sie auf «News & Stories».
Jetzt sind Sie gefragt: Was könnte man sonst noch von einer KI erfinden lassen? Schreiben Sie uns Ihren Kommentar.
Das erste KI-basierte Bier der Schweiz ist das Gemeinschaftswerk des Algorithmic Business Research Lab sowie der Zentralschweizer Unternehmen Jaywalker Digital und MN Brew. Wer über Aktuelles informiert bleiben und bald ein «intelligentes Bier» probieren möchte, trägt sich am besten hier für den Newsletter ein oder folgt @brauer.ai auf Instagram.
Künstliche Intelligenz an der Hochschule Luzern
KI ist ein Schwerpunkt an der Hochschule Luzern: Seit Frühling 2020 läuft der Bachelor-Studiengang Artificial Intelligence & Machine Learning. Zudem unterstützt das Algorithmic Business Research Lab Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung KI-basierter Anwendungen.
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Kommentare
5 Kommentare
Stephan
Bequemere Schuhe könnte die KI erfinden.
Bierley
Als Hobbybrauer war ich interessiert und habe ein paar "Rezepte" von der KI generieren lassen. Wirklich überzeugt haben diese mich aber auf dem Papier nicht, was ich auf die Datensätze mit denen die KI trainiert wurde zurückführen würde. Es sind auch keine vollständigen Rezepte sondern nur Malz- und Hopfenangaben. Wichtige Informationen wie die Hefeart, Stammwürze, Bitterkeit, Brau- und Gärführung, etc. fehlen. Also als Spielerei vielleicht ganz interessant, aber für die Praxis gibt es bereits bessere Rezeptgeneratoren.
Marc Bravin
Sie haben natürlich Recht, einige wichtige Informationen fehlen beim jetzigen Prototyp noch. Wie wir im Artikel https://news.hslu.ch/ki-bier/ jedoch betonen ist die Idee des Generators nicht den Menschen aus dem Brauprozess auszuschliessen, sondern ihn beim Kreativitätsprozess bei der Rezepterstellung zu unterstützen.
Marc Bravin
Die Rezepte stammen von einer Internetplattform wo sowohl Hobbybrauer als auch Brauexperten ihre Rezepte hochladen können (ähnlich wie bei den unzähligen Plattformen von Kochrezepten). Wieviel Rezepte mindestens benötigt werden ist schwer einzuschätzen. Die Anzahl der benötigten Daten hängt von der Komplexität des Problems und der gewählten Architektur ab. Bei unserer Problemstellung müssen es allerdings schon mehrere Tausend sein, um mit der gewählten Architektur ein vernünftiges Resultat zu erzielen.
Thomas Kägi
Spannender Ansatz. Interessant wäre aber auch woher stammten die unzähligen Rezepte und wie kam die KI an diese? Wie viele Rezepte werden mindestens benötigt? Stelle mir zBsp die Optimierung auf einen bestimmten Bierstil vor. Als Input sollten nur Rezepte verwendet werden die ein ausgezeichnetes Resultat liefern.
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.