Ein grosses Unternehmen in der vom Markt verlangten Geschwindigkeit zu transformieren ist eine menschliche wie technische Herausforderung. Im heutigen Blogbeitrag geht es um künstliche Intelligenz (KI) in der Rechtsschutzbranche. Wir zeigen am Beispiel der AXA-ARAG wie auch im Rechtsbereich vermehrt auf KI gesetzt wird. Laut Benjamin Bosshard (Legal Engineer Innovation Manager bei AXA-ARAG) gilt eine eigenverantwortliche Test & Learn-Kultur heutzutage als zentraler Erfolgsfaktor in der Transformation.
Die Digitalisierung macht auch vor dem juristischen Bereich nicht Halt. Mit der erfolgreichen Standardisierung von bereits einem Drittel ihrer Rechtsfälle hat die AXA-ARAG die Grundlage gelegt, die Abwicklung von automatisierbaren Schadenfällen auf Maschinen zu übertragen. Die Umverteilung weniger komplexer, rechtlicher Anliegen in die Hände von Robotern zu legen, kommt der Kundschaft und den Juristen der AXA-ARAG zugute. Sie schafft Kapazität für die Behandlung besonders komplexer Einzelfälle, für die Fingerspitzengefühl und eine menschliche Denkweise immer noch unerlässlich sind.
Wie Benjamin Bosshard (Jurist bei der AXA-ARAG) betont, sind Juristen es von Berufs wegen gewohnt, genau und detailorientiert zu arbeiten. Die Digitalisierung im Recht entwickelt sich jedoch in Richtung schnelle, erste Grobabschätzung. Im juristischen Bereich braucht es deshalb Algorithmen, die den Spagat zwischen Detailgenauigkeit und Machbarkeit schaffen. Heutzutage müssen Juristen viele administrative Aufgaben erledigen, was sie wertvolle Zeit kostet. Zeit, die die MitarbeiterInnen in die Lösung juristischer Fälle investieren könnten. Die Automatisierung soll bei der AXA-ARAG daher als Chance wahrgenommen werden, die mehr Ressourcen für wertschöpfendere Tätigkeiten schafft. Die AXA-ARAG hat das Potential der künstlichen Intelligenz erkannt und aus ihrem Rechtsteam einigen Juristen ermöglicht, sich mit IT Know-How zu sogenannten Legal Engineers weiterzuentwickeln. Mittlerweile wurde das 2018 gegründete Innovation-Team mit Software-Entwicklern und Kommunikationsexperten ergänzt.
Alle Mitarbeitenden auf einfache und einprägsame Weise zu erreichen und über die Möglichkeiten der neuen Technologien aufzuklären, ist eine Herausforderung. Noch mehr, dass die Mitarbeitenden selbst Lerninhalte für ihre Kollegen erstellen und weiter teilen. Deshalb setzt das Innovation Team der AXA-ARAG seit kurzem einen Learner-Chatbot ein. Er vermittelt das wertvolle menschliche Wissen in kurzweiligen und interaktiven Chats. Der Chatbot «Snacky» lässt sich dabei bequem per Weblink teilen und auf allen Geräten (im Browser) ohne jegliche Software-Installation starten.
Neugierige können einen der Learning Chats direkt hier testen (Hinweis: Dieser Chat stammt nicht von der AXA-ARAG).
Anmerkung: Die AXA Schweiz nutzt seit 2016 Chats in der Kommunikation mit Kunden. Im Beitrag mit Harald Felgner geht es um die Digital Experience der AXA Schweiz, in welcher Chatbots ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Dank des «Snacky»-Bots von eggheads.ai kann das Team rund um Benjamin Bosshard kleine Lernhäppchen auf einfache Weise im ganzen Unternehmen wie auch an Kunden verbreiten. Diese sind wie ein Chat auf WhatsApp schnell durchgeklickt (2-3 Minuten), mit lustigen GIF’s oder Videos aufgelockert und dank kurzen Textfeldern auf das Wesentliche beschränkt. Ganz im Sinne von EDUtainment. Weitergehende Infos und Lern-Ressourcen können in einem Abschluss-Mail automatisch an die UserInnen gesendet werden.
Das Tool von eggheads.ai ist sehr einfach zu bedienen – alle Kollegen haben in weniger als einer Viertelstunde die Funktionen verstanden und erste Snacks erstellt. Etwas mehr Zeit braucht das Fingerspitzengefühl, Lerninhalte in kurze, einprägsame, aber dennoch witzige Chatbot-Konversationen zu giessen. Dies ist jedoch ein wertvolles Learning, um zukünftig auch Kundeninteraktionen mit Chatbots abwickeln zu können.
«Snacky»-Bot ermöglicht es den Mitarbeitenden der AXA-ARAG, datengestützt zu lernen. Er zeigt dem Team beispielsweise an, welche Fragen bereits gut sitzen und in welchen Themen die User noch Schulungsbedarf haben. Je nachdem werden anschliessend zusätzliche Schulungen in zielgerichteten Präsenz-Sessions angeboten. Zudem sieht das Analytics-Team sehr genau, welche Dialoge und Chatbots gut ankommen und bei welchen die User-Experience bzw. die Dialoggestaltung noch optimiert werden sollte. In Kürze soll Snacky sogar auch in Microsoft Teams eingebunden werden, so dass dieser sich regelmässig proaktiv an die Mitarbeitenden wenden kann und sie mit lustigen Konversationen für das Lernen begeistert.
Langfristig wird die AXA-ARAG dieses einfache Tool mit Chatbots, welche zusätzlich künstliche Intelligenz aufweisen, ergänzen. Bei der Evaluierung unterschiedlicher Technologien hat sich laut Benjamin Bosshard gezeigt, dass eine Mischung aus künstlicher Intelligenz und regelbasierten Algorithmen die beste Lösung hervorbringt. Die KI ist vor allem geeignet, die passenden Momente oder Informationen für eine Lerneinheit zu finden. Zudem kann sie die Lerninhalte sogar personalisieren und einen «Lernification»-Touch verleihen. Auch im Reporting liefert die KI wertvolle Dienste, so kann sie beispielsweise gezielte Empfehlungen für zukünftigen Schulungsbedarf abgeben. Hierzu müssen aber zuerst Trainingsdaten geschaffen werden und die AXA-ARAG muss selbst noch weitere Erfahrungen im Aufbereiten des Wissens für Chats erlangen. Benjamin Bosshard hat sich darauf eingestellt, dass diese Phase des Lernens etwas Zeit in Anspruch nehmen kann, aber das ist es ihm und seinem Team wert.
Diverse künstliche Intelligenzen wie Legal-Chatbots, Dokumentenerzeuger- und Analyzer, die Juristen bei Rechtsfällen mit ersten Einschätzungen unterstützen können, wurden bereits entwickelt. Die KI übernimmt bei der AXA-ARAG aber bisher bewusst nur eine Art Monitoring-Funktion und unterstützt die Rechtsdienstmitarbeitenden dabei, nichts zu übersehen. Sie erledigt noch keine Aufgaben ohne die Einbindung von Menschen. Schon heute ordnet bei der AXA-ARAG eine künstliche Intelligenz die Rechtsgebiete den schriftlich übermittelten Kundenanliegen zu. Die Falltriage zum passenden Rechtsteam läuft dadurch weitgehend automatisiert. Dadurch dass Fehler in der künstlichen Intelligenz gemeldet werden, können die Prozesse laufend optimiert werden. Zukünftig soll die KI eingesetzt werden, um zu erkennen, ob ein rechtliches Risiko besteht oder ob Fristen berücksichtigt werden müssen. Und nicht nur das: Benjamin Bosshard erhofft sich, dass die digitalen Helfer sogar bald fähig sind, konkrete Handlungsvorschläge aufzuzeigen oder selbständig mit Kunden und Gegenparteien zu kommunizieren.
Seminar Conversational Financial Services
Das IFZ bietet im Herbst zum zweiten Mal das Seminar Conversational Financial Services an. Unter der Leitung von Sophie Hundertmark und Prof. Dr. Nils Hafner lernen Sie einen Tag lang, wie Sie Chats und Messenger als neue Kommunikationskanäle erfolgreich in Ihrem Finanzunternehmen einführen können.
Alle Infos dazu und Anmeldemöglichkeiten hier.
Ausschliesslich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf die geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen im vorliegenden Artikel sind somit geschlechtsneutral zu verstehen und stellen keine Wertung durch das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ oder die Autoren dar.
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