Am Donnerstag, den 21. Oktober 2021 hat das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern erstmalig eine neue wissenschaftliche Studie über die Schweizer Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen im Rahmen der IFZ Konferenz Vorsorgeeinrichtungen 2021 vorgestellt.Die Studiebietet Antworten auf eine Vielzahl an relevanten Fragen: Welches sind die grössten Herausforderungen im Bereich der beruflichen Vorsorge? Können Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen unter gleichzeitiger Beibehaltung ihrer finanziellen Stabilität nachhaltig wachsen? Welche Faktoren entscheiden aus Sicht der Destinatäre darüber, ob eine Vorsorgeeinrichtung attraktiv ist? Wie sind die Anbieter bezogen auf ausgewählte finanzielle Kennzahlen im Vergleich zum Gesamtmarkt aufgestellt? Im heutigen Blog-Beitrag fassen wir einige Kernaussagen der IFZ Konferenz Vorsorgeeinrichtungen zusammen.
Vorstellung der IFZ Studie Vorsorgeeinrichtungen 2021
Die vollständige Studie kann HIER abgerufen und gelesen werden:
Datenaustausch in der zweiten Säule
Hans-Jörg Scheitlin, Co-Founder & Business Development, M&S Software AG Roman Senti, Leiter IT und Mitglied der Geschäftsleitung, Stiftung Auffangeinrichtung BVG
Die Digitalisierung in der zweiten Säule des Schweizer Altersvorsorgesystems wird erst seit ein paar Jahren tiefergehend thematisiert, allerdings haben Pensionskassen, Arbeitgeber und Versicherte teilweise unterschiedliche Interessen hinsichtlich Effizienz, Qualität und Transparenz. Darüber hinaus gibt es heute in der Schweiz immer noch eine sehr grosse Anzahl an Vorsorgeeinrichtungen, deren Interessen ebenfalls divergieren.
Im Gegensatz zur ersten Säule gibt es unter den Vorsorgeeinrichtungen keine übergreifende Koordination und das oft propagierte 360°-Vorsorgeportal – welches Versicherten eine hohe Transparenz bietet – ist derzeit daher schwierig umzusetzen.
Die Übertragung einer Freizügigkeitsleistung ist gekoppelt mit der Übertragung von Metainformationen (Stammdaten, technische Werte wie obligatorischer Anteil, Vorbezüge etc.) und erfolgt heutzutage in der Regel immer noch via Postweg. Mit BVG Exchange werden die Metainformationen zu Freizügigkeitsleistungen hingegen standardisiert elektronisch übermittelt und ein fehlerfreier, automatisierter und gesicherter Austausch von Austrittsdaten somit garantiert.
Per 1. September 2021 wird BVG Exchange bei 91 Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen produktiv eingesetzt und von weiteren 16 Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen getestet. Für jede Eröffnung mit BVG Exchange rechnet die Stiftung Auffangeinrichtung mit einer Zeit-Einsparung von sechs Minuten.
2. Säule Scherbenhaufen? Was der Politik nicht gelingt und was Sie tun sollten…
Dr. Veronica Weisser, Sector Head Retirement and Pension Solutions, UBS Hannes Weibel, Head Insurance & Collective Institutions, UBS
In Zukunft wird in der Schweiz (fast) nur noch die Bevölkerung 65+ wachsen und somit zu einem deutlich angespannteren Verhältnis zwischen Erwerbs- und Bezugsjahren führen. Während 1948 den insgesamt 44 Erwerbsjahren noch 13 Bezugsjahre gegenüberstanden (Verhältnis: 3.4), so stehen im Jahr 2021 den 44 Erwerbsjahren mittlerweile 23 Bezugsjahre (Verhältnis: 1.9) gegenüber.
Die jährliche Umverteilung in der zweiten Säule zwischen Jung und Alt belief sich im Jahr 2018 auf 6.7 Mrd. CHF. Dies übertrifft sowohl das jährliche Schweizer Militärbudget (5.2 Mrd. CHF) als auch den interkantonalen Finanzausgleich (5.3 Mrd. CHF) deutlich.
Aufgrund fallender Zinsen und Umwandlungssätze werden die Leistungen in der zweiten Säule empfindlich sinken. Für eine Person mit einem versicherten Einkommen von CHF 80’000 und einem PK-Vermögen von CHF 150’000 im Alter von 50 Jahren ergab sich im Jahr 2005 (Rentenbezug mit 65) eine monatliche Rente von circa 3’150 CHF. Die in 2017 50-jährigen Personen, die im Jahr 2032 in Rente gehen werden, erhalten hingegen lediglich CHF 1’770 als monatliche Rentenzahlung (Rückgang um 44%).
Doch wie kann man immer weiter sinkende Umwandlungssätze nun vermeiden? Eine Option wäre beispielsweise das Rentenalter für Männer und Frauen schon heute auf jeweils 66 Jahre festzulegen. Weiterhin könnten sozialverträgliche Modelle und Optionen genutzt werden: So könnte man Personen beispielsweise selbst wählen lassen, ob sie länger arbeiten wollen, oder einen tieferen Umwandlungssatz akzeptieren. Alternativ könnte das Referenzalter für Produktionsfachkräfte beispielsweise nur um einen Monat steigen, wohingegen für Bürofachkräfte eine Anhebung von drei Monaten gilt (faire Berücksichtigung der Lebenserwartung).
The mighty eighties oder Oldieparty – Wo steht die berufliche Vorsorge?
Dr. Svenja Schmidt, Leiterin Vorsorge und Mitglied der Geschäftsleitung, Basellandschaftliche Pensionskasse
Im Jahr 1991 waren etwa 25% der Erwerbstätigen in der Schweiz in Teilzeit beschäftigt. Im Jahr 2020 ist dieser Anteil auf 37% angewachsen. Ein deutlich ausgeprägterer Anstieg ist für die Anzahl derjenigen Personen festzustellen, die mehrfach erwerbstätig sind: Belief sich diese Anzahl im Jahr 1991 noch auf 149’000, gingen im Jahr 2020 insgesamt 366’000 Personen einer Mehrfacherwerbstätigkeit nach.
Auch die häufigsten Haushaltstypen haben sich während der vergangenen Jahrzehnte deutlich verändert. Heute dominieren in der Schweiz die Einpersonenhaushalte, gefolgt von Einelternhaushalten mit Kind(ern) unter 25 Jahren. Ein weiterer Trend sind «späte Väter»: Im Jahr 1985 wurden 396 Geburten mit Vätern >50 Jahre verzeichnet (Anteil: 0.5%), wohingegen im Jahr 2019 ein Anstieg auf 1’869 Geburten erfolgt ist (Anteil: 2.2%).
Ein Lösungsansatz zur Besserstellung der Teilerwerbstätigen könnte sein, die BVG-Eintrittschwelle und den Koordinationsabzug zu senken bzw. ganz auf diese zu verzichten. Ein Lösungsansatz für den Trend der «späten Väter» könnte hingegen darin bestehen, die Kinderrente im Überobligatorium abzuschaffen bzw. eine gesetzliche Anpassung im Obligatorium vorzunehmen.
Zur Vermeidung von finanziellen Beeinträchtigungen der Hinterbliebenen in «wilden Ehen», sollte darüber nachgedacht werden, eine Abkehr vom «Versorgerschaden» (Art. 20a BVG) zu vollziehen und statt einer fallbezogenen Prüfung auf eine ereignisbezogene Erfassung umzuschwenken.
Gemäss einer Statistik der Schweizer Finanzmarktaufsicht FINMA hat das teilautonome Vorsorgemodell während der letzten Jahre deutlich an Beliebtheit gewonnen und im Jahr 2019 erstmals das Vollversicherungsmodell hinter sich gelassen.
Aus Sicht eines Versicherers ist insbesondere die Entwicklung der Schadenbilder von hoher Relevanz. Über die letzten Jahre ist ein zunehmender Anstieg der psychischen Erkrankungen festzustellen. Im Gegensatz zu den körperlichen Gebrechen und Krebskrankheiten, die typischerweise im fortgeschrittenen Alter auftreten, sind alle Altersklassen von psychischen Erkrankungen betroffen. Letztere sind in der Schweiz auch die häufigste Ursache für Invalidität.
Im gegenwärtigen Konsolidierungsmarkt verschwinden zunehmend kleinere Vorsorgeeinrichtungen von der Bildfläche. Wie können sich diese dennoch im Markt behaupten? Der Retail Banking-Markt der Schweiz zeigt, dass auch kleine Player – entsprechende Spezialisierung und schlanke Strukturen vorausgesetzt – erfolgreich sein können.
Disclaimer: Die zusammengefassten Aussagen entstammen meinen eigenen Notizen während der Konferenz und müssen daher nicht zwingend die Ansichten der einzelnen Referierenden widerspiegeln!
Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren Partnern für die Unterstützung!
CAS Future of Insurance 2022
Am Donnerstag, den 03. März 2022 startet die zweite Durchführung des CAS Future of Insurance – Data-Driven Insurance, digitale Ökosysteme und die Steuerung strategischer Allianzen sind nur drei Schwerpunkte, die wir Ihnen gemeinsam mit renommierten Referierenden aus der Praxis im Rahmen der Weiterbildung näher bringen wollen.
Informieren Sie sich unverbindlich am Donnerstag, den 09. Dezember 2021 ab 18.30 Uhr über die konkreten Inhalte des Programms und lernen Sie meinen Kollegen Nils Hafner und mich persönlich kennen!
Eine Anmeldung für die Online-Info-Veranstaltung ist HIER möglich.
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