Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ hat Anfang Januar eine quantitative Befragung unter Schweizer Finanzunternehmen zum Thema ChatGPT durchgeführt. Diese wurde anschliessend durch qualitative Interviews mit Mitarbeitenden von Versicherern (n=17) ergänzt. Folgende Fragestellungen standen bei den Befragungen im Vordergrund:
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im heutigen Blog-Artikel.
Hintergrund: Wie funktioniert ChatGPT?
ChatGPT ist eine spezialisierte Form des Sprachmodells GPT (Generative Pre-trained Transformer) von OpenAI, welches speziell dazu entwickelt wurde, natürlich auf Fragen und Anweisungen zu reagieren. GPT basiert auf maschinellem Lernen, was dem menschlichen Nervensystem ähneln soll. Anhand von Texten mit ca. 500 Milliarden Wörtern lernte die Software, wie Sprache funktioniert, was die Unterschiede zwischen geschriebener und gesprochener Sprache sind und in welcher Form auf welche Fragen geantwortet werden soll.
Gibt man dem Chatbot ein Wort, kann er anhand von statistischen Zusammenhängen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen, wie das nächste Wort lauten soll. Dann beginnt der Algorithmus basierend auf der bisherigen Wortreihe von vorne und ergänzt immer weiter. So kommt schliesslich ein vollständiger Satz, beziehungsweise sogar ein ganzer Text, ein Gedicht oder ein Programmiercode zustande.
ChatGPT wurde bis einschliesslich des Jahres 2021 mit Daten gefüllt. Dies bedeutet wiederum, dass das Wissen entsprechend limitiert ist und jüngere Informationen (beginnend ab dem Jahr 2022) nicht berücksichtigt werden.
ChatGPT beschäftigt längst nicht nur die allgemeinen Medien. Auch Versicherer haben aktiv angefangen, das Thema intern zu diskutieren: So gaben knapp drei Viertel (72%) an, dass ChatGPT neue Diskussionen angestossen hat. Diese drehen sich oftmals um ethische Fragestellungen oder um Fragen hinsichtlich des Datenschutzes und des Urheberrechts. Aber auch Fragen betreffend zukünftige Usecases für Chat- und Voicebots sowie Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT werden diskutiert.
Knapp jedes fünfte Unternehmen (19%) hat aufgrund von ChatGPT und den damit verbundenen Möglichkeiten und Risiken eine interne Newsmeldung an alle Mitarbeitenden verschickt.
Insgesamt 19% der befragten Versicherer geben an, dass das zuständige Team mit der Veröffentlichung von ChatGPT mehr Aufmerksamkeit innerhalb des Unternehmens bekommen hat. Andere wiederum berichten, dass interne Nachfragen in Bezug auf Datenschutz und Ethik während der letzten Wochen deutlich zugenommen haben. Knapp die Hälfte der Umfrageteilnehmenden (44%) bestätigt jedoch, dass sie bislang keine Änderungen innerhalb der Chat- und Voicebot-Teams bzw. -Projekte wahrgenommen haben.
Zwar hat ChatGPT bis heute bereits einige Themen in den Unternehmen angestossen und Diskussionen ausgelöst. Die meisten Auswirkungen werden jedoch von der Hälfte der Befragten erst in Q3 2023 erwartet. Lediglich 13% erwarten grössere Auswirkungen bereits früher (in Q2 2023) und weitere 13% erst später (in 2024).
Der Chatbot von ChatGPT begeistert vor allem aufgrund seiner Dialogfähigkeit. Während aktuelle Chatbots zum Teil holprig antworten und User schnell merken, dass es sich um einen Bot handelt, kann ChatGPT menschenähnliche Dialoge führen und sogar mit Kontext umgehen. Diese technologischen Fortschritte könnten vor allem im Kundenservice Einsatz finden. Gerade in der Beantwortung von wiederholenden Kundenanfragen, könnten die Modelle von GPT eingesetzt werden, um die automatisierte Kundenkommunikation natürlicher wirken zu lassen.
Zum Teil werden heute bereits klassische Chatbots zur Bearbeitung von wiederkehrenden Anfragen eingesetzt. Diese könnten durch ChatGPT ergänzt und auf das nächste Level der Kommunikation gehoben werden. Hier ein Beispiel, was die Helvetia Schweiz heute bereits im Bereich Chatbots einsetzt.
Die Fähigkeit, menschenähnliche Dialoge zu führen, macht ChatGPT auch für die Beratung sehr attraktiv. ChatGPT versteht nicht nur die erste Kundenanfrage, sondern auch, wenn Kunden Folgefragen zu der vorherigen Antwort hat. Diese technischen Fortschritte könnten vor allem die Beratung von einfachen Versicherungsprodukten verändern. Verfügt das System über ausreichend Trainingsdaten, beispielsweise in Form von vorherigen echten Beratungsgesprächen, könnte es in Zukunft die Kunden auch ausserhalb der Öffnungszeiten automatisiert beraten.
Die oben erläuterten Einsatzmöglichkeiten scheinen auf den ersten Blick sehr vielversprechend für Versicherer zu sein. Zum aktuellen Zeitpunkt bestehen jedoch ebenfalls Herausforderungen und ungeklärte Fragen, die den schnellen Einsatz von ChatGPT bei Schweizer Versicherern blockieren.
Alle Modelle von ChatGPT liegen bei dem US-Unternehmen OpenAI. Schweizer Unternehmen können diese nicht einsehen und haben dementsprechend auch keine Kontrolle darüber. Die Versicherer laufen also Gefahr, dass auch ihre Daten in die Trainingsmodelle einfliessen und dann auf US-amerikanischen Servern liegen.
Aufgrund dieser Einschränkung ist es, Stand heute, noch nicht möglich, ChatGPT mit eigenen Daten zu ergänzen. Zwar erhoffen sich Unternehmen aus nahezu allen Branchen, dass sie ChatGPT auch mit eigenen und internen Daten anreichern können. Heute ist dies allerdings noch nicht möglich.
Analog zur mangelnden Individualisierung der zugrundeliegenden Daten kann bislang auch kein Einfluss auf die Antworten von ChatGPT genommen werden. Versicherer haben demzufolge keine direkte Kontrolle darüber, wie das System die Kunden berät und welche Aussagen es zu den angebotenen Produkten und Dienstleistungen macht. Macht das System Falsch-Aussagen bzw. -Angaben, kann dies entsprechend negative Folgen für den Versicherer haben.
GPT-3, das Modell auf dem ChatGPT basiert, ist über eine Schnittstelle (API) verfügbar. Für die Nutzung von ChatGPT gibt es lediglich eine Warteliste.
Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ hat eine Diskussion über das weitere Vorgehen der Integration von Aspekten von ChatGPT, beispielsweise im Rahmen einer Vorsorgeberatung oder der Stärkung der Insurance Literacy mit ausgewählten Finanzdienstleistern gestartet. Darüber hinaus stehen wir seit kurzem auch im Austausch mit OpenAI, um Möglichkeiten zu erarbeiten, wie auch Schweizer Unternehmen von ChatGPT profitieren können. Wenn auch Sie hieran Interesse haben, können Sie gerne Sophie Hundertmark kontaktieren (sophie.hundertmark@hslu.ch).
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