Gemäss Iman Attia gibt es keinen biologischen Grund, Menschen in «Rassen» zu unterteilen – und dennoch gibt es diesen gesellschaftlich konstruierten Begriff. Menschen denken in Kategorien und Schubladen. Dies kann problematisch, ausgrenzend und verletzend sein. Genau deshalb ist eine rassismuskritische Auseinandersetzung unabdingbar – auch für die Soziale Arbeit.
Beitrag aus der internationalen Studienwoche von Jona Gisi (Student Sozialarbeit)
Zunächst geht es darum, den Begriff «Kultur» genauer zu betrachten. Für viele Menschen ist der Begriff Teil des Wortschatzes. In den Gesprächen mit den Mitstudierenden stellt sich aber heraus, dass eine Definition herausfordernd ist.
Kultur wird nach Aussagen von Prof. Dr. Iman Attia auf viele verschiedene Arten definiert. Eine Annäherung an den Begriff lässt erahnen, dass es sich um eine besondere, distinkte Lebensweise handelt. Verwandte Begriffe sind: Werte, Sitten, Ideen, Umgang in gesellschaftliche Beziehung, Glaubenssysteme, Bräuche, materielles Leben, Ausgangsbedingungen, historisches Repertoire, etc.
Wieso eine kulturelle Zuschreibung problematisch sein kann:
Schnell ist es passiert – in einer Erzählung werden Menschen mit Attributen und Zuschreibungen kategorisiert. Dabei wird oftmals das «anders sein» hervorgehoben. Doch welche Relevanz haben solche gezielten Unterscheidungen?
Viele Medien ergänzen bei negativen Schlagzeilen die «ausländische Herkunft» der Täter*innen. Dies löst immer wieder hitzige Diskussionen bei den Lesenden aus. Durch diese Hervorhebung werden Menschen ausgegrenzt, negativ gewertet und diskriminiert.
Die Frage nach der Herkunft, auch wenn diese an ein «gutgemeintes» Interesse geknüpft ist, kann bei betroffenen Personen negative Gefühle auslösen, weil sich diese Frage oftmals auf äusserliche Zuschreibungen stützt. Dabei vergessen viele, dass sich die Schweiz bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts zum Einwanderungsland entwickelte und viele Menschen sich (schon lange) nicht mehr in der ersten Generation der Migration befinden. Menschen in der zweiten, dritten vierten oder auch späteren Generation von Migrant*innen sind in der Schweiz aufgewachsen. Obwohl diese Menschen in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind, gibt es immer wieder Situationen, in denen sie zu spüren bekommen, nicht dazuzugehören. Ein Beispiel dazu ist der ausländisch klingenden Nachnahme, welcher beispielsweise nachweislich weniger Chance auf eine Stelle im Arbeitsmarkt mit sich bringen kann.
Dies Bedeutet jedoch nicht, dass wir keine Frage zu kulturellen Themen stellen dürfen. Vielmehr ist eine sorgsame Art und Weise im Umgang damit gefragt. Welche Wichtigkeit hat diese Frage? In welchem Kontext stelle ich sie? Stelle ich diese gleich zu Beginn oder nachdem ich die Person bereits etwas kennen gelernt habe? Welche Gefühle kann ich damit auslösen?
Rolle der sozialen Arbeit
Es ist die Aufgabe der sozialen Arbeit, auf solche Missstände hinzuweisen und die Menschen zu sensibilisieren. Die aktive Intervention der (willentlichen) Diskriminierung gehört selbsterklärend ebenfalls dazu. Es ist wichtig zu verstehen, dass auch gut gemeinte Intentionen negative Gefühle auslösen können. Wie Ludwig Wittgenstein sagt: «Die Sprache schafft Wirklichkeit…».
In der Literatur von Kalpaka – «Pädagogische Professionalität in der Kulturalisierungsfalle – über den Umgang mit Kultur in Verhältnisse von Differenz und Dominanz» wird die Rolle der sozialen Arbeit aus unterschiedlichen Blickwinkel beleuchtet und mit Beispielen der Kulturalisierungsfalle ergänzt.
Jona Gisi studiert im 4. Semester Soziale Arbeit an der Hochschule Luzern mit Vertiefung Sozialarbeit
Bild: Adobe Stock
Veröffentlicht: 13. März 2023
Vom 30. Januar bis 3. Februar 2023 fand an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit die Internationale Studienwoche zum Thema «Diaspora – Perspektiven transkultureller Verflechtungen» statt. Gäste präsentierten dabei Projekte sowie Forschungsansätze zu Diaspora, transkulturellen Lebenspraktiken und sozialen Unterstützungsnetzwerken. Auf dieser Grundlage erarbeiten wir Handlungsansätze für die Soziale Arbeit und diskutieren, wie transnationale Beziehungsnetzwerke in die Praxis der Sozialen Arbeit einbezogen werden können.
Alle Blogbeiträge zu den Vorträgen:
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