17. Februar 2021

Sustainable Investments

Nicht jede nachhaltige Anlage hat auch ein Wirkungsziel: Drei Missverständnisse über nachhaltige Anlagen

Nicht jede nachhaltige Anlage hat auch ein Wirkungsziel: Drei Missverständnisse über nachhaltige Anlagen

Nachhaltigkeitskriterien gewinnen in der Vermögensverwaltung von Vorsorgeeinrichtungen rasch an Bedeutung. Obwohl das Thema bei institutionellen und privaten Investoren sowie in den Medien sehr präsent ist, werden nachhaltige Anlagen häufig missverstanden.

Autoren: Manfred Stüttgen, Brian Mattmann

Entgegen weit verbreiteten Vermutungen bilden nachhaltige Anlagen in Bezug auf den Gesamtmarkt noch eine Nische, wenn auch eine schnell wachsende. Der Markt für nachhaltige Investments entwickelt sich enorm dynamisch. Investoren verlangen immer öfter die Integration von Kriterien zu Umwelt, Sozialem und guter Unternehmensführung (ESG-Kriterien) im Investmentprozess. So will man Risiken reduzieren, Portfolios in den
Einklang mit den Wertvorstellungen von Investoren bringen oder (selbst-)regulatorische Vorgaben erfüllen.

Die Hochschule Luzern analysiert den Markt für nachhaltige Publikumsfonds jährlich im Rahmen der «IFZ Sustainable Investments Studie» (siehe Kasten, Seite 89). Die Entwicklungen im Markt für nachhaltige Fonds betrachten wir als repräsentativ für die Entwicklungen im Gesamtmarkt aller nachhaltigen Anlagen. Im Gespräch mit Investoren, Finanzdienstleistern und auch Medienvertretern erkennen wir dabei immer wieder Missverständnisse über nachhaltige Anlagen. Drei davon sollen im Folgenden ausgeräumt werden.

Missverständnis 1: Nachhaltiges Anlegen ist bereits weit verbreitet

Verfolgt man die Berichterstattung der Medien und einschlägiger Studien, so erhält man den Eindruck, dass nachhaltige Anlagen bereits ein etablierter Standard seien und konventionelle Investments zunehmend ein Nischensegment. Basierend auf vertieften Analysen der Anzahl, Volumen und Mittelflüsse nachhaltiger Publikumsfonds mit Schweizer Vertriebszulassung können wir diese These nicht stützen. Mitte 2020 sind erst 6 % der Vermögen Schweizer Publikumsfonds nachhaltig investiert. In der Summe ist das deutlich weniger als die hohe mediale Präsenz des Themas erwarten lässt. Nachhaltige Anlagen sind mit anderen Worten noch immer ein Nischensegment, wenngleich ein sehr schnell wachsendes.

Heute wird auf dem Fondsmarkt Schweiz bereits jeder vierte neu investierte Franken nachhaltig angelegt. Damit werden nachhaltige Fonds auf dem Markt immer relevanter, das Segment wächst überproportional stark. Um der wachsenden Investorennachfrage gerecht zu werden, haben Fondsanbieter im Vergleich zu 2019 ihre nachhaltige Produktpalette um einen Drittel auf 777 Fonds erhöht. Institutionellen und privaten Anlegern steht damit vermehrt ein diversifiziertes Angebot an Nachhaltigkeitsfonds zur Verfügung.

Für Pensionskassen bedeutet dieses wachsende Produktangebot, dass sie bei der Auswahl von Finanzprodukten immer besser ihre Nachhaltigkeitsbedürfnisse auch anhand von standardisierten Produkten umsetzen können – ein Vorteil, von dem insbesondere kleinere und mittelgrosse Vorsorgeeinrichtungen profitieren. Speziell im Segment der nachhaltigen Passivfonds hat sich das Angebot in den letzten drei Jahren auf 125 passive Nachhaltigkeitsfonds vervierfacht (siehe Grafik). Nachhaltige Anlagen lassen sich somit auch immer kostengünstiger umsetzen.

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Die Angebotsentwicklung aktiver und passiver Nachhaltigkeitsfonds auf dem Schweizer Markt (in Anzahl Fonds, jeweils per 30. Juni, Quelle: «IFZ Sustainable Investments Studie 2020»).

Missverständnis 2: Die Integration von ESG-Kriterien ist einfach umsetzbar

Die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in einen Investmentprozess ist für Investoren und produktanbieter gleichermassen anspruchsvoll. Institutionelle Anleger müssen sich mit Nachhaltigkeitskriterien auseinandersetzen und ein Verständnis dafür entwickeln, welche
Auswirkungen etwa Firmenausschlüsse auf das Rendite-Risiko-Profil eines Portfolios haben. Zudem stellt sich die Frage nach wertnormativ begründeten Ausschlüssen. Diese Frage ist deshalb kontrovers, weil sie subjektive Werturteile erfordert und anders als bei einem normbasierten Screening keine objektiven Kriterien zugrunde gelegt werden können.

Für Pensionskassen besteht die Schwierigkeit, dass sie die Bedürfnisse ihrer Destinatäre in Bezug auf Nachhaltigkeit meist nicht kennen. Umfragen bei Versicherten könnten ein Instrument sein, um sich dieser Fragestellung zu nähern. Allerdings ergibt sich daraus nicht zwingend ein einheitliches Bild, da die normative Wertebasis und die Präferenzen der Versicherten differieren, und zwar umso mehr, je grösser und je heterogener die Basis aller Versicherten ist. Zudem sollten derartige Umfragen, falls man sie durchführen will, lediglich informierenden Charakter haben, da die Verantwortung für die Anlagestrategie allein beim Stiftungsrat einer Vorsorgeeinrichtung liegt.

Banken und Fondsanbieter sind mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert. Sie müssen antizipieren, welche Motive ihre Anleger in Bezug auf Nachhaltigkeit verfolgen – geht es beispielsweise um Risikominimierung oder eher um moralische Anliegen? Nur wenn diese Fragen hinreichend geklärt sind, kann es gelingen, passende Nachhaltigkeitskriterien zu definieren.

Dieser Prozess zur Definition nachhaltiger Kriterien ist aufwendig und wird oft unterschätzt. Wissenslücken tun sich auf, die Zusammenarbeit mit ESG-Ratingagenturen wird notwendig, und der Investmentprozess muss angepasst werden. Die Überwindung dieser typischen Umsetzungshürden setzt Expertise und ein dediziertes Projekt mit entsprechenden Ressourcen voraus – für kleinere und mittelgrosse Vorsorgeeinrichtungen noch immer eine Hürde.

Missverständnis 3: Nachhaltige Anlagen verfolgen immer ein Wirkungsziel («Impact»)

Nachhaltige Anlagen werden in der öffentlichen Wahrnehmung oft mit einer positiven Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft assoziiert. Damit ist die Erwartung verbunden, dass ESG-Anlagen einen positiven ökosozialen Nutzen in der Realwirtschaft stiften. Wer diesem Narrativ folgt und von nachhaltigen Anlagen pauschal eine positive Wirkung erwartet, unterliegt einem weiteren Missverständnis.

Auf den Schweizer Fondsmarkt bezogen, verfolgt nur jeder achte Nachhaltigkeitsfonds ein positives Wirkungsziel. Ob eine nachhaltige Anlage realwirtschaftlich positiv wirkt, hängt von der jeweils gewählten Anlagestrategie ab. Nur eine Minderheit der Nachhaltigkeitsfonds verfolgt eine solche Strategie und nimmt für sich in Anspruch, damit einen positiven «Impact» zu erzielen. Die Bezeichnung eines Investmentprozesses als «nachhaltig» setzt lediglich voraus, dass ESG-Kriterien berücksichtigt werden. Eine positive Wirkung für Ökologie und Soziales wird dadurch nicht automatisch generiert.

Obschon das Segment der sogenannten Impact-Fonds somit noch eine Nische innerhalb der Nische nachhaltiger Anlagen darstellt, beschäftigt sich die Branche aktiv mit der Frage, welchen
ökosozialen Nutzen nachhaltige Anlagen zu stiften vermögen. Neben der Anwendung von wirkungsvollen Strategieansätzen rückt zunehmend auch deren Messung ins Zentrum. Nachhaltigkeitsziele sollten von Vermögensverwaltern transparent kommuniziert und deren Errei-
chung verständlich rapportiert werden. Gerade in diesem Bereich besteht Nachholbedarf – und bei institutionellen Investoren zugleich ein Bedürfnis, das befriedigt werden will.

Fazit

Nachhaltige Investments werden auch im Jahr 2021 eines der grossen Themen für Vorsorgeeinrichtungen sein. Ein gutes Verständnis dessen, wie man Nachhaltigkeitskriterien im Investmentprozess umsetzt, dürfte künftig als Indikator für die Professionalität eines Investment-Managers dienen.

«IFZ Sustainable Investments Studie 2020»

Seit 2017 publizieren Manfred Stüttgen und Brian Mattmann jährlich im November die «IFZ Sustainable Investments Studie». Die Studie analysiert den Markt für nachhaltige Fondsanlagen und untersucht ausgewählte Fokusthemen. Die aktuelle «IFZ Sustainable Investments Studie 2020» sowie die Studien der Vorjahre – z. B. mit dem Schwerpunktthema «Vorsorgeeinrichtungen und nachhaltige Anlagen» (2018) – sind unter folgendem Link frei zum Download verfügbar: www.hslu.ch/sustainable

Dieser Beitrag ist hier auch auf Französisch verfügbar.

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