Markt- & Konsumentenpsychologie
Lesezeit 5′ Minuten // Ein Beitrag von Prof. Dr. Christian Weibel
Preispsychologie befasst sich mit der Art und Weise, wie Kunden Preise wahrnehmen und verarbeiten. Es handelt sich um einen relativ jungen, verhaltenswissenschaftlichen Forschungsansatz, der aus der zunehmenden Verschmelzung von Psychologie und Wirtschaft entstanden ist («behavioral economics»).
Grundannahme der Preispsychologie ist, dass die Theorie des «Homo Oeconomicus» – dem komplett rationalen, konstanten und vollständig informierten Konsumenten – nicht der Realität entspricht. Vielmehr wird das Konsumentenverhalten von einer Vielzahl psychologischer Faktoren geleitet. Insbesondere der anhaltende Trend hin zum wechselfreudigen, «multioptionalen» Kunden bzw. Gast führt dazu, dass das Konzept des Homo Oeconomicus heute immer weniger zutrifft.
Die Berücksichtigung von psychologischen Effekten im Preismanagement («behavioral pricing») bildet daher ein zunehmender Erfolgsfaktor.
Im Gegensatz zum klassischen Pricing, berücksichtigt «behavioral pricing» auch die Einstellungen, Wahrnehmungskapazitäten oder Emotionen der Konsumenten. Ziel ist es somit, die (subjektive) Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Preisinformationen auf Seite der Kunden zu beeinflussen. Es geht also weniger um die Festlegung der (objektiven) Preishöhe, sondern um die Gestaltung der Preiswahrnehmung.
Eine Möglichkeit Preiswahrnehmung zu beeinflussen, ist den Default (die Standardeinstellung) bewusst zu definieren. Dies hat einen Einfluss darauf, wie Kundinnen und Kunden die angebotenen Optionen wahrnehmen und sich für ein Produkt entscheiden. Beispielweise können die Umsätze durch die Änderung des Default von Standard-Zimmer auf Superior-Zimmer signifikant gesteigert werden konnten.
Defaults funktionieren vor allem aus zwei Gründen: Zum einen ist es mit Aufwand verbunden, den Default zu ändern (Samuelson & Zeckhauser, 1988). Das bedeutet, dass vor der Änderung des Defaults erstmals eine Präferenz gebildet werden muss (z.B. möchte ich Übernachtung mit Frühstück oder mit Halbpension), um den Default bedürfnisgerecht zu ändern. Dazu kommt, dass dann die Präferenz auch mitgeteilt werden muss. Manchmal ist das einfach (z.B. via Mausklick), manchmal etwas umständlicher (z.B. Ausfüllen von Formularen). Der zweite Grund ist, dass viele Menschen den Default als implizite Empfehlung des Anbieters wahrnehmung oder diesen als Indikator für die Mehrheitsauswahl interpretieren (McKenzie, Liersch & Finkelstein, 2006).
Zentral ist, dass vor der Einführung der Defaults analysiert und beurteilt wird, welche Einstellung die Kundinnen und Kunden zum Default bzw. dem entsprechenden Produkt haben. Die Frage ist: Sind sie diesem gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt oder nicht (z.B. CO2-Kompensation)? Falls sie eher negativ eingestellt sind, ist ein entsprechender Default zu vermeiden. Nach der Einführung des Defaults ist es wichtig zu analysieren, welche Kundensegmente aus welchen Gründen den Default gewechselt haben, um diesen zukünftig zu optimieren.
Eine zweite bekannte Strategie, ist den Ankereffekt anzuwenden. Die Idee ist hier, dass sobald jemand mit Unsicherheit konfrontiert ist (z.B. wieviel kostet 1 Woche Kreta all inclusive?) ein erster Anker die Preiswahrnehmung und -beurteilung beeinflussen kann. Dieser Anker wird normalerweise nur unzureichend angepasst und beeinflusst nachfolgende Kaufentscheidungen. So kann ein bewusst hoch gewählter Anker ein Angebot als preislich attraktiv dargestellt werden.
Es zeigt sich, dass die Kaufwahrscheinlichkeit eines Angebots mit Anker höher ausfällt als ohne Anker. Dies ist der Fall, obwohl der objektive Preis in beiden Varianten identisch ist. Anhand des Beispiels in der Grafik würde dies bedeuten, dass die Buchungswahrscheinlichkeit steigt, wenn beim Angebot der Anker von CHF 936 für 1 Woche Kreta angezeigt wird.
Dieser Effekt funktioniert vor allem deshalb, da Kundinnen und Kunden ein selektives Hypothesentesten bzw. eine positive Teststrategie anwenden (Strack & Mussweiler, 1999). Sie suchen nach Informationen, die beispielsweise den relativ hohen Ankerpreis rechtfertigen (z.B. Hotelkategorie, Lage). Wichtig ist hier, dass der Ankerpreis nicht einem sogenannten «Mondpreis» (unverhältnismässig hoher Preis), sondern möglichst realistisch ausfällt (z.B. höchster Preis in während der Saison), denn Kundinnen und Kunden werden aufgrund der Vergleichsmöglichkeiten im Internet immer sensibler für Preisunterschiede. Zudem kann eine zu hohe Rabattierung auch eine falsche und unerwünschte Botschaft hinsichtlich der Qualität der Reise vermitteln.
Behavioral Pricing berücksichtigt somit, dass die Nachfrage nach einem Produkt vom wahrgenommenen Wert und Preis abhängt, und weniger von den effektiven Kosten. Bei Konsumentscheidungen werden auch Umgebungs- bzw. Kontextinformationen berücksichtigt und im Kaufprozess integriert.
Sie interessieren sich für weitere Themen der Markt- und Konsumentenpsychologie? Dann empfehlen wir einen Blick in die gleichnamige Reihe auf diesem Blog. Dort erhalten Sie Einblick in aktuelle Studienergebnisse, psychologische Effekte und Theorin wie z.B. den Halo Effekt oder die Prospect Theory.
Prof. Dr. Christian Weibel
Prof. Dr. Christian Weibel ist seit 2015 Dozent und Projektleiter am Institut für Tourismus und Mobilität (ITM) an der Hochschule Luzern. In der Forschung und Beratung ist er schwerpunktmässig in den Themenfeldern Consumer Behavior, Marktforschung und Behavioral Pricing aktiv. Im Bachelor-Studiengang Business Psychology leitet er die Fachgruppe Psychologie.
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