25. Februar 2019
Von Michael Kunz
Kaum ein Gesetz hat mehr Änderungen erfahren als das Geldwäschereigesetz. Das erschwert den Überblick.
Seit Januar sind zwei weitere Änderungen des Geldwäschereigesetzes in Kraft:
Nun weiss ein Kundenberater in einer Bank vermutlich noch nicht, was unter einem Veranstalter von Grossspielen genau zu verstehen ist, ausser er ist viel besser organisiert als ich. Und beim Fintech-Unternehmen als Finanzintermediär braucht es noch Beispiele. Die Bewilligungsverfahren werden lange dauern, denn auch für die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) ist dies Neuland.
Was bedeutet das für die Praxis?
Natürlich sind die meisten Informationen vorhanden, aber man muss sie holen, in verschiedenen Gesetzen, Verordnungen und Empfehlungen zusammensuchen. Es ist ein Regulierungsdschungel. Die Übersichtlichkeit geht dabei leider komplett verloren. Bisher war es schon schwierig, bei den Veränderungen in der Regulierung ständig à jour zu sein. Revisionen standen beinahe im Jahresrhythmus an. Man muss sich das vor Augen halten: Das Geldwäschereigesetz ist das Bundesgesetz, das seit seiner Inkrafttretung im Jahre 1998 für die Banken und im Jahre 2000 auch für Nicht-Banken am meisten geändert wurde. Seither, in den vergangenen 19 Jahren, gab es 12 Gesetzesänderungen. Das zum Teil in verschiedenen Bereichen mit entsprechenden Anpassungen. Das heisst, das ganze Regulativ, wie die Geldwäschereiverordnung der FINMA oder die Sorgfaltspflichtvereinbarung der Banken VSB, mussten ebenfalls angepasst werden.
Der hohe Rhythmus macht es schwierig, die Änderungen umzusetzen und in den Griff zu bekommen. Kaum wird etwas umgesetzt und geschult, steht schon die nächste Änderung an. Die Finanzintermediäre müssen dann die internen Weisungen wieder anpassen und ihre Mitarbeiter neu schulen. Für die Betroffenen, auch für diejenigen, die sich intensiv mit der Materie befassen, wird es zunehmend schwieriger, überhaupt noch einen Überblick zu haben. Woher kommen die Änderungen? Wie sehen sie aus? Ab wann gelten sie? Was bezwecken sie? Jede Unklarheit verschärft die Umsetzungsprobleme.
Terrorfinanzierung und Steuerdelikte im Fokus
Man ist vom ursprünglichen Geldwäschereikonzept, vom ursprünglichen Sinn des Gesetzes abgekommen. Heute geht es nicht mehr ausschliesslich um den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität, sondern das Geldwäschereigesetz ist zum Allzweckmittel zur Verbrechensbekämpfung geworden. Mit den qualifizierten Steuervergehen als Vortaten kam man zum Beispiel zu einer rechten Ausweitung des Anwendungsbereichs, man hat de facto einen völlig neuen Bereich dem Geldwäschereigesetz unterstellt. Über die Jahre rückte etwas anderes in den Fokus, als die Organisierte Kriminalität. In den Nullerjahren die Terrorismusfinanzierung, danach die Korruption und jetzt die Steuerdelikte. In den drei Bereichen hat das Geldwäschereigesetz massiv an Bedeutung gewonnen. Einige Fragen sind dabei noch nicht geklärt.
Die Herkunft von hinterzogenen Geldern ist legal, sie wird erst mit der Hinterziehung illegal. Da stellt sich die Frage, ob das konzeptionell mit der bisherigen Theorie zur Herkunft von Vermögenswerten nach Geldwäschereigesetz aufgeht. Wie viel des Vermögens ist betroffen? Der Teil, den man nicht deklariert hat? Oder selbst der Teil, den man deklariert hat? Rechtstaatlich herrschen da enorme Unsicherheiten. In einem anderen Rechtsbereich käme es niemandem in den Sinn, so viele Fragen offen zu lassen und die Finanzintermediäre, die vom Gesetz betroffen sind, mit den Unsicherheiten alleine zu lassen.
Man kann einem Klienten fast nicht mehr richtig beraten. Im Extremfall kann man dem Klienten sagen, er könne auswählen, ob er lieber mit der FINMA oder mit den Strafverfolgungsbehörden ein Problem habe, weil es nur die zwei Alternativen gibt.
Nehmen wir das Beispiel der Meldepflicht und der Interpretation, wann sie greift. Sowohl die FINMA, als auch die Meldestelle für Geldwäscherei versuchten, die Schwellen für die Meldepflicht herabzusetzen, ohne dass der Gesetzgeber etwas am Gesetz verändert hätte. Nun riskiert man, das Bankgeheimnis zu verletzen, wenn man etwas meldet, ohne dass die Voraussetzungen des Geldwäschereigesetzes erfüllt sind. Wenn man aber erst meldet, wenn sie erfüllt sind, bekommt man unter Umständen Probleme mit der FINMA , die sagt, man hätte früher melden sollen.
Sechs Gesetzesänderungen und kein Ende in Sicht
Mit den beiden Änderungen, die dieses Jahr in Kraft traten und denen, die nächstens anstehen sehe ich vier verschiedene Rechtsbereiche, die zu Änderungen im Geldwäschereigesetz und/oder in weiteren betroffenen Gesetzen führen.
Am 1. Januar 2020 wird das Finanzinstitutsgesetz FINIG in Kraft treten. Dieses wird auch das gesamte GwG-Aufsichtsregime für Vermögensverwalter, Trustees und Edelmetallhändler sowie für die bisher der FINMA direkt unterstellten Nicht-Banken-Finanzintermediäre auf den Kopf stellen. Dann müssen die Empfehlungen der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF/GAFI) umgesetzt werden. Die FATF hat Mängel bei der Geldwäschereibekämpfung der Schweiz festgestellt und nun gilt es, das Regulierungswerk anzupassen. Weiter stehen die Umsetzung der Empfehlungen des Gobal Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes (GF) an. Und die Umsetzung des Übereinkommens des Europarats im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung. Dies alles innerhalb weniger Jahre. Den Überblick zu haben, geschweige denn alle Änderungen verstehen und wissen, was es konkret für die Praxis bedeutet, ist selbst für Spezialisten mit grossem Aufwand verbunden. Allein die Botschaft zu den Umsetzungen der Empfehlungen des Global Forum ist über sechzig Seiten lang. Die Botschaft zur Umsetzung der Empfehlungen des Europarats 96 Seiten. Ein Ende ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Bei der letzten Revision per 1. Januar 2016 dachte ich, das sei nun die grösste Änderung gewesen. Doch das war nichts im Vergleich zu jetzt.
Warum es ständig Änderungen und schärfere Bestimmungen gibt, ist meiner Meinung nach darauf zurückzuführen, dass die Geldwäschereibekämpfung nicht funktioniert. Die Ziele werden nicht erreicht. Dem Verbrechen die Mittel entziehen ist sicher eine hehre Absicht, aber auf dem Weg leider nicht erreichbar. Statt die Vortaten zu bekämpfen, rennt man dem Geld nach und zwar in Bereichen wie der Steuerhinterziehung, die ursprünglich nicht als Vortat für Geldwäscherei vorgesehen war. Damit verzettelt man sich. Es fehlt an Ressourcen zur Verbrechensbekämpfung.
Mehr Mittel in die Prävention
Ein Patenrezept für die Verhinderung von Verbrechen, welches die Geldwäschereibekämpfung in der ursprünglichen Konzeption im Grunde beabsichtigt hatte, gibt es nicht. Auch muss bei der Geldwäschereibekämpfung zwischen der Prävention und der eigentlichen Bekämpfung unterschieden werden. Der Erfolg der Geldwäschereiprävention ist leider nicht messbar, wird aber auch von mir nicht grundsätzlich bestritten. Ich persönlich würde deshalb lieber mehr Mittel in diesen Bereich und in die Prävention der Verbrechen als Vortaten für Geldwäscherei investieren.
Die Bekämpfung der bereits erfolgten Geldwäscherei über das bekannte Meldesystem bei Geldwäschereiverdacht scheint mir aber weitgehend wirkungslos bzw. in sehr hohem Masse ineffizient zu sein, jedenfalls angesichts der sowohl bei den Finanzintermediären als auch beim Staat verursachten Kosten. Dies liegt daran, dass sich alle Beteiligten am Meldesystem in der Praxis fast ausschliesslich mit der Abarbeitung von nicht relevanten Sachverhalten, den sogenannten «false positives» abmühen müssen. Weit über 99 Prozent der bei Finanzintermediären festgestellten Verdachtsmomente, welche zu zusätzlichen Abklärungen bei den Finanzintermediären und allenfalls zu einer Verdachtsmeldung an die Meldestelle für Geldwäscherei führen, sind solche «false positives». Selbst bei den von Finanzintermediären an die Meldestelle für Geldwäscherei erstatteten Meldungen liegt der Anteil von Verurteilungen wegen Geldwäscherei in der Schweiz in 10-Jahresvergleichen immer unter 2,5 Prozent. Gemessen am Aufwand und Anspruch ist das Ergebnis in meinen Augen vernichtend. Weil das System FATF-konform ist, stört sich jedoch scheinbar niemand daran. Das ist auch der Grund, weshalb niemand ein Interesse an alternativen Bekämpfungsstrategien hat.
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