11. November 2024

Corporate Crime,

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ESG-Compliance für Schweizer Rohstoffhandelsunternehmen

ESG-Compliance für Schweizer Rohstoffhandelsunternehmen

Von Dr. iur. Maya McNally

Die Schweiz zählt zu den bedeutendsten globalen Drehscheiben für den internationalen Rohstoffhandel. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Fälle von Wirtschaftsdelikten, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden innerhalb von Rohstofflieferketten öffentlich bekannt. In der Folge wurden verschiedene nationale und internationale Regularien eingeführt, die für Schweizer Rohstoffhandelsunternehmen von Bedeutung sind.

Schweizer Firmen spielen eine zentrale Rolle im globalen Handel mit Rohstoffen wie Mineralien und Metallen, Energierohstoffen und Agrarprodukten. Diese Unternehmen profitieren von der strategischen Lage der Schweiz, die als wichtiger Handelsplatz für internationale Transaktionen gilt. Sie sind oft in komplexe und internationale Lieferketten integriert und agieren als Vermittler zwischen Produzenten in Afrika, Südamerika und Südostasien sowie Absatzmärkten in Europa, Nordamerika und China.

Compliance-Risiken im Rohstoffhandel

Aufgrund der mehrstufigen, internationalen Lieferketten im Rohstoffhandel sind Akteure mit einer Vielzahl von Compliance-Risiken konfrontiert. Relevant sind unter anderem die folgenden Risiken:

  • Geldwäscherei: Die Financial Action Task Force (FATF) klassifiziert den Rohstoffhandel als einen Sektor mit hohem Risiko für Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Der Rohstoffhandel ist durch komplexe Transaktionen, häufige internationale Bewegungen und die Beteiligung diverser Akteure gekennzeichnet. Diese Faktoren erschweren die Nachverfolgbarkeit von Geldflüssen und erfordern eine erhöhte Sorgfaltsprüfung.[1]

  • Terrorismusfinanzierung: Ein weiteres Risiko stellt die Finanzierung von Terrorismus dar. Eine mangelhafte Identifikation von Kunden kann schwerwiegende Folgen haben, besonders in politisch instabilen Regionen, wo die Gefahr, mit extremistischen Netzwerken in Kontakt zu geraten, zunimmt. Offshore-Konten, die Anonymität gewährleisten, können von Terrorgruppen zur Finanzierung ihrer Aktivitäten missbraucht werden.

  • Korruption: Korruption gefährdet nicht nur die Integrität der Märkte, sondern kann auch erhebliche rechtliche und finanzielle Konsequenzen für Unternehmen nach sich ziehen. In vielen Jurisdiktionen, in denen Rohstoffe abgebaut oder gehandelt werden, sind die regulatorischen Rahmenbedingungen oft unzureichend, um Korruption wirksam zu bekämpfen. Bestechung, namentlich das Angebot von Geld oder anderen Vorteilen zur Beeinflussung von Personen in Machtpositionen, ist in politischen und wirtschaftlichen Kreisen gewisser Länder verbreitet. Unternehmen sehen sich manchmal auch dem Druck ausgesetzt, illegale Zahlungen (sogenannte facilitation payments) zu leisten, um behördliche Genehmigungen zu erhalten oder bürokratische Hürden zu überwinden.

  • Betrug: Betrug ist ein weiteres Risiko, das im Rohstoffhandel vorkommt und schwerwiegende Konsequenzen für betroffene Unternehmen haben kann. Falsche Dokumentationen, wie manipulierte Lieferscheine oder Rechnungen, können zu Lieferausfällen von Rohstoffen führen, die langwierige und kostspielige Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen können.

  • Wirtschaftssanktionen: Wirtschaftssanktionen können den internationalen Handel mit bestimmten Rohstoffen erheblich einschränken. Sanktionen können in Form von Handelsbeschränkungen, Finanzsanktionen oder Embargos gegen bestimmte Länder oder Unternehmen verhängt werden. Zudem können Sanktionen gegen Einzelpersonen oder spezifische Rohstoffe die gesamte Lieferkette beeinflussen.

  • Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden: Unternehmen, die Rohstoffe beschaffen, handeln oder verarbeiten, tragen ein erhöhtes Risiko, mit Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden in ihrer Lieferkette in Verbindung gebracht zu werden. Unternehmen, die in Regionen mit anhaltenden Konflikten tätig sind oder Rohstoffe aus Ländern mit bedeutenden informellen Sektoren wie dem handwerklichen Kleinbergbau beziehen, sind anfällig für Menschenrechtsverletzungen wie Zwangsarbeit und Kinderarbeit. In vielen Fällen haben Schweizer Rohstoffhandelsfirmen keine direkte vertragliche oder kommerzielle Beziehung zu den fehlbaren Unternehmen; die Verbindung ist jedoch indirekt und durch einen oder mehrere Zwischenhändler getrennt. Daher ist eine erweiterte Prüfung der Lieferkette erforderlich.

Rechtsformalisierung

In den letzten Jahren haben NGOs und investigativ arbeitende Journalisten eine Reihe von Wirtschaftsdelikten, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in Entwicklungsländern aufgedeckt, an denen Rohstoffhandelsfirmen beteiligt waren.[2] Diese Berichte haben internationale Aufmerksamkeit auf das breitere Spektrum von Verstössen innerhalb globaler Lieferketten gelenkt. In der Folge wurden verschiedene zwingende internationale und nationale Regularien in Bezug auf Wirtschaftsdelikte, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden erlassen.

Schweizer Gesetzgebung

Anfang 2022 sind in der Schweiz die zwingenden Bestimmungen zur Transparenz über nichtfinanzielle Belange (Art. 964a ff. Obligationenrecht (OR)) sowie die Ausführungsbestimmungen der Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit (VSoTr) in Kraft getreten.

EU-Gesetzgebung

In der Europäischen Union (EU) ist im Jahr 2023 die Richtlinie (EU) 2022/2464 über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen in Kraft getreten. Das Inkrafttreten der Richtlinie (EU) 2024/1760 über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit steht unmittelbar bevor. Einige Schweizer Unternehmen sind von diesen EU-Regularien direkt oder indirekt betroffen.[3]

Ausblick

Der Bundesrat strebt an, bei der nachhaltigen Unternehmensführung zum Schutz von Mensch und Umwelt auch in Zukunft eine international abgestimmte Regelung zu schaffen.[4] Daher ist eine Anpassung der Bestimmungen zur Transparenz über Nachhaltigkeitsaspekte des OR an das verschärfte EU-Recht derzeit im Gange. Im Bereich der Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit will der Bundesrat die Auswirkungen für Schweizer Unternehmen evaluieren.[5] Schweizer Rohstoffhandelsunternehmen sollten die regulatorischen Entwicklungen aufmerksam verfolgen und die Anwendbarkeit der nationalen sowie internationalen Regularien prüfen. Ist die Anwendbarkeit gegeben, sollten interne Compliance-Prozesse frühzeitig angepasst werden, um die Erfüllung der rechtlichen Anforderungen sicherzustellen.


[1] FATF – Egmont Group of Financial Intelligence Units, Trade-Based Money Laundering: Risk Indicators, März 2021, https://www.fatf-gafi.org/content/fatf-gafi/en/publications/Methodsandtrends/Trade-based-money-laundering-indicators.html (am 28. August 2024).

[2] Stand der Umsetzung der Empfehlungen aus dem Bericht «Rohstoffsektor Schweiz: Standortbestimmung und Perspektiven», Bericht des Bundesrats, Bern, Mai 2023, S. 4.

[3] Nachhaltige Unternehmensführung: Bundesrat schlägt strengere Regeln für Berichterstattung vor, Bern, 26. Juni 2024, https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-101585.html (am 28. August 2024).

[4] Stand der Umsetzung der Empfehlungen aus dem Bericht «Rohstoffsektor Schweiz: Standortbestimmung und Perspektiven», Bericht des Bundesrats, Bern, Mai 2023, S. 3, 8.

[5] Nachhaltige Unternehmensführung: Bundesrat schlägt strengere Regeln für Berichterstattung vor, Bern, 26. Juni 2024, https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-101585.html (am 28. August 2024).

Autorin: Maya McNally

Dr. iur. Maya McNally ist Rechtsanwältin und Partnerin bei Iten McNally GmbH in Zürich. Sie berät Finanz- und Rohstoffhandelsunternehmen in Finanzrecht, Vertragsrecht und Gesellschaftsrecht sowie in Compliance und Environmental, Social und Governance (ESG) Themen. Maya McNally verfügt über langjährige Erfahrung als praktizierende Anwältin sowie als Unternehmensjuristin.

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