8. September 2025

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«Aktion Brinvest»

«Aktion Brinvest»

Von Tanja Fuchs und Marc-Yvan de Kaenel

Im Rahmen einer internationalen Aktion gegen eine «betrügerische Bande» konnten im Juni 2024 in Deutschland, Österreich, Tschechien und der Schweiz zeitgleich diverse Hausdurchsuchungen und Verhaftungen vorgenommen werden. Wie lief die Zusammenarbeit zwischen den deutschen und schweizerischen Behörden und welche Herausforderungen gibt es bei der internationalen Rechtshilfe?

Die Ermittlungsabteilung Wirtschaftskriminalität der Kantonspolizei Zürich ist ein Spezialdienst innerhalb der Kriminalpolizei. Sie befasst sich mit komplexen Vermögensdelikten, wie Betrug, Veruntreuung und Konkurs, aber auch mit Korruption, Geldwäscherei, Bilanzmanipulationen sowie mit digitalen Begehungsformen, wie beispielsweise dem Online-Anlagebetrug. Darüber hinaus bearbeitet die Abteilung Rechtshilfeersuchen aus aller Welt und betreibt eine professionelle Vermögensabschöpfung zur Einziehung deliktisch erlangter Gegenstände und Vermögenswerte.

Die periodische Veröffentlichung von Berichten aus dem Team von Oblt. lic. iur. Tanja Fuchs gibt einen Einblick in die Arbeit der Polizistinnen und Polizisten sowie in die Herausforderungen, denen sie sich in ihrem Berufsalltag gegenübersehen. Der Beitrag erschien erstmals im Juni 2025 im Nachrichtenblatt 5/2025 der Kantonspolizei Zürich. 

Die «Aktion Brinvest«

Die deutschen Behörden untersuchten einen Betrugskomplex, bei dem Investoren vorgespielt wurde, dass sie Pachtverträge für Kryptoautomaten abschliessen würden und mittels erneuter Unterverpachtung mindestens 90% des investierten Kapitals zurückerhalten und zusätzlich eine Rendite von 70% erzielen würden. Mit diesem Versprechen wurden in drei Jahren Investitionen von ca. 120 Mio. Euros durch die involvierten Gesellschaften eingenommen. Gegen aussen gaben sich die Gesellschaften als profitable Investitionsunternehmungen aus. Auch investigative Medienberichte stoppten die betrügerischen Tätigkeiten nicht. Spannenderweise waren keine Geschädigtenanzeigen Ursprung der Strafuntersuchung, sondern Meldungen der Deutschen Finanzbehörde. Der Grund für die ausbleibenden Strafanzeigen dürfte darin gelegen haben, dass mutmasslich das «Schneeballsystem» so gut funktionierte, dass bis zu diesem Zeitpunkt die (neuen) Investoren die Renditen der bestehenden Investoren beglichen. Strafanzeigen erfolgten erst nach dem Action Day und der daraus resultierten medialen Aufmerksamkeit.

Errichtung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe (GEG)

Für Vorabklärungen zu den geplanten Zwangsmassnahmen ersuchten die deutschen Behörden per Rechtshilfe die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich um Unterstützung, worauf die Kantonspolizei Zürich mit den Ermittlungen zu den Beschuldigten und den involvierten Gesellschaften beauftragt wurde.
Allgemein kann mittels Rechtshilfe die Beweissicherung, das Einfrieren von Vermögenswerten und die Vernehmung von Zeugen im jeweiligen Ausland ersucht werden. Ist die Schweiz ersuchend, handelt es sich um aktive, andernfalls um passive Rechtshilfe. Dies klingt zwar einfach, doch müssen anlässlich der Fallbearbeitung zahlreiche rechtliche Fragen im Detail geklärt werden – insbesondere aufgrund unterschiedlicher Rechtsordnungen, Datenschutzvorgaben und Souveränitätsansprüchen. Zusätzlich ist die Rechtshilfe aufgrund formaler und rechtlicher Anforderungen und Prozesse ein eher träges Instrument. Auf internationaler Ebene besteht jedoch die Möglichkeit eine gemeinsame Ermittlergruppe (GEG) zu bilden. Dieses Vorgehen vereinfacht Prozesse und ist für einen international koordinierten Action Day zielführender und wurde anlässlich dieser Aktion eingesetzt.

Vereinbarung über die operative Zusammenarbeit

Nach einem Treffen bei Eurojust in Den Haag, bei welchem die beteiligten Länder die jeweilige Rechtslage für die Zwangsmassnahmen erläuterten und der weitere Fortgang der geplanten Aktionen absteckten, wurde zwischen den deutschen und schweizerischen Behörden eine Vereinbarung über die operative Zusammenarbeit geschlossen. In dieser wurde klar definiert, wer personell dieser Ermittlergruppe angehörig war sowie auf welche Bereiche die Zusammenarbeit anwendbar war. Weiter wurde festgehalten, dass Informationen direkt miteinander ausgetauscht und Beweise zu Ermittlungszwecken übermittelt werden konnten sowie die deutschen Polizisten bei den Hausdurchsuchungen und allfälligen Einvernahmen auf schweizerischem Hoheitsgebiet teilnehmen konnten. Die Vorteile liegen auf der Hand. Durch klar definierte Kompetenzen und Ansprechpersonen ist, in der Vorbereitung und anlässlich der Durchführung des Action Days, der Kommunikationsfluss sichergestellt. Die Restriktionen sind klar geregelt und für die beteiligten Behörden ist klar, was vom jeweiligen Partner erwartet werden kann.

Erfolgreiche gemeinsame Ermittlungen

Am Aktionstag fanden sechs Hausdurchsuchungen in Luzern, Zug und Zürich statt. Insgesamt waren über 50 Polizeikräfte verschiedener Abteilungen und verschiedener Polizeikorps im Einsatz. Die Aktion wurde durch eine Einsatzleitung in Deutschland, in Den Haag und der Schweiz, bei denen sowohl Staatsanwälte/innen wie auch Polizisten/innen Einsitz nahmen, koordiniert. Dies ermöglichte einen unmittelbaren Informationsfluss. So konnte eine Zielperson, welche in der Schweiz vermutet wurde, mittels intensiver Ermittlungen in Deutschland verhaftet werden.
In der Schweiz konnten drei Personen verhaftet und später ausgeliefert und mehrere Gigabyte an Daten sowie Dokumente im Umfang mehrerer Umzugskartons sichergestellt werden. Die deutschen Behörden müssen nun, mit einem weiteren formellen Ersuchen, um die Herausgabe dieser Sicherstellungen erbitten.

Internationale Rechtshilfe: essenziell und koordinationsintensiv

Die Globalisierung der Wirtschaft und der Technologie bringt nicht nur Vorteile, sondern stellt auch Strafverfolgungsbehörden weltweit vor neue Herausforderungen. Die internationale Rechtshilfe ist mittlerweile ein essenzielles Instrument für die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität geworden. Doch sie erfordert ein hohes Mass an Koordination, rechtlicher Klarheit und pragmatischem Handeln. Mittels der GEG konnte der Austausch zwischen den involvierten Behörden deutlich verbessert und damit die Zweckerreichung der Zwangsmassnahmen deutlich erhöht werden. Durch die professionelle Zusammenarbeit aller involvierten Personen und dem intensiven Austausch unter den Behörden, konnte das ursprüngliche Rechtshilfeersuchen zur vollsten Zufriedenheit der deutschen Behörden erledigt werden. Ob die Rechtshilfe in dieser Form, wo Kriminelle zunehmend international operieren und komplexe Unternehmensstrukturen und Finanzsysteme über mehrere Länder hinweg nutzen, als zielführend erweist oder ob Justierungen notwendig sind, wird sich zeigen.

Autorin: Tanja Fuchs

Oblt. lic. iur. Tanja Fuchs leitet die Ermittlungsabteilung für Wirtschaftskriminalität der Kantonspolizei Zürich.

Autor: Marc-Yvan de Kaenel

Marc-Yvan de Kaenel ist Ermittler der Kantonspolizei Zürich, Abteilung Wirtschaftsdelikte. Neben der polizeilichen Laufbahn schloss er ein Masterstudium in Recht ab und erlangte vertieftes Wissen im Bereich Blockchain/Kryptowährungen.

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