24. November 2025

Cybercrime,

Forensics & Investigation,

Wirtschaftskriminalistik

Zwischen Regulierung und Innovation – Geldwäschereibekämpfung im Wandel

Zwischen Regulierung und Innovation – Geldwäschereibekämpfung im Wandel

Von Susanne Grau und Mona Fahmy

Unter dem Motto «Bekämpfung der Geldwäscherei: Herausforderungen und Best Practice» trafen sich Expertinnen und Experten aus Aufsicht, Wissenschaft, Praxis und Strafverfolgung am 21. November 2025 in Bern, um aktuelle Entwicklungen und zukünftige Trends der Geldwäschereibekämpfung zu diskutieren.

Von neuen internationalen Instrumenten über den zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz bis hin zu rechtlichen Fragen der Unternehmensverantwortung – die 21. Tagung der SEBWK im Bellevue Palace bot ein breites inhaltliches Spektrum.

Zum Auftakt stand die Einführung der sogenannten Silver Notice durch INTERPOL im Fokus. Rita Simões, Senior Specialist Asset Recovery am Basel Institute on Governance, erläuterte, wie dieses neue Instrument das bestehende Arsenal internationaler Ausschreibungen und Warnmeldungen erweitern soll, um die globale Zusammenarbeit beim Asset Tracing zu stärken. Silver Notices sollen grenzüberschreitende Fälle effizienter machen, indem sie Informationen zu vermuteten Erträgen aus Straftaten weltweit zugänglich und nutzbar machen. «Die Silver Notice ermöglicht keine Zwangsmassnahmen, kann es aber Behörden erlauben, effizienter über Landesgrenzen hinaus zu handeln», sagt Rita Simões. Die zentrale Frage dabei lautet, in welchem Ausmass dieses Instrument das Asset Tracing künftig tatsächlich beschleunigen und operative Hürden abbauen kann. Derzeit befindet sich die Einführung von Silver Notice in 52 Jurisdiktionen in der Pilotphase. Erste Rückmeldungen sind vielversprechend.

Risiken mit virtuellen IBANs

Ein weiteres Thema war die praktische Umsetzung von Verdachtsmeldungen sowie die besonderen Risiken, die mit virtuellen IBANs einhergehen. Silvia Malaspina, stellvertretende Bereichsleiterin und Finanzanalystin bei MROS, verglich den Kampf gegen Geldwäscherei mit einem Fussballspiel. MROS habe sich vom Küken zum Super League Spieler gemausert. Künstliche Intelligenz spiele eine wesentliche Rolle bei der schnellen Erkennung von Auffälligkeiten und die Anreicherung von Informationen durch Open Source Intelligence werde immer wichtiger. Malaspina ordnete ein, welche Anforderungen im Alltag an Finanzintermediäre gestellt werden und wo typische Stolpersteine liegen.

Ein Drittel der Verdachtsmeldungen im Jahr 2024 hatten keine zuordenbaren Vortaten. «Das erlaubt keine effiziente Bekämpfung der Geldwäscherei». Hinzu kommt das Aufkommen von virtuellen IBANs, welche oft die eindeutige Zuordnung von Transaktionen erschweren und damit die Komplexität im Monitoring erhöhen. «Plötzlich ist ein neuer Gegner auf dem Platz, den Kriminelle nutzen und 1:0 gegen die Behörden scoren». Eine klare Prozessgestaltung und ein Verständnis für die Besonderheiten der neuen Instrumente sind für eine effektive Praxis unverzichtbar. «Dann gleichen wir zum 1:1 aus!»

Sinnvoller Einsatz von KI im Transaktionsmonitoring

Im Anschluss beleuchtete Lea Ruckstuhl, Rechtsanwältin bei Kellerhals Carrard, die Rolle von Künstlicher Intelligenz im Transaktionsmonitoring. Der Einsatz von KI im Finanzmarkt nimmt deutlich zu, doch im Bereich der Geldwäschereibekämpfung stellt sich die Frage, wie solche Technologien sinnvoll und gleichzeitig regulatorisch konform implementiert werden können. KI-Systeme sind in der Lage, Daten in Komplexität und Menge in einer Form auszuwerten, die mit anderen Technologien nach heutigem Stand nicht möglich wäre, sagt Ruckstuhl. Sie zeigte, dass KI insbesondere dann wertvoll wird, wenn sie Muster und Zusammenhänge identifizieren kann, die klassischen regelbasierten Systemen verborgen bleiben. Gleichzeitig sind Nachvollziehbarkeit, Transparenz und datenschutzrechtliche Anforderungen zentrale Herausforderungen. «Die Herausforderungen müssen adäquat adressiert werden», sagt Lea Ruckstuhl. Eine vollständig autonome Transaktionsüberwachung mit Auto-Closing und durch KI durchgeführten Abklärungen und Plausibilisierungen sei derzeit jedoch noch nicht möglich. Der Einsatz von Mitarbeitern bleibe notwendig, welche die vom System gemeldeten Transaktionswarnungen mit menschlichem Verstand überprüfen können.

Erkennen von Red Flags mit Risikomodellen

Am Nachmittag fokussierte sich die Konferenz verstärkt auf unternehmerische Risiken. Antonio Bosisio, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Transcrime und Partner bei Crime&tech, zeigte auf, wie Unternehmen Anomalien und Red Flags erkennen können, die auf Geldwäscherei- oder Betrugsrisiken hinweisen. «Zentrale Red Flags sind unter anderem ungewöhnliche Eigentümerstrukturen, Verbindungen zu Hochrisikoländern, Trusts oder Strohpersonen, kurze Unternehmenslebenszyklen und Massenregistrierungen an derselben Adresse», sagt Bosisio. Er erläuterte, wie solche Indikatoren systematisch genutzt werden können, um Risiken frühzeitig zu identifizieren.

Transcrime und Crime&tech entwickeln KI-gestützte Risikomodelle und Analysewerkzeuge, um auf Basis grosser Datenmengen (z. B. Firmenregister, Sanktionen, Medienberichte, Offshore-Leaks) auffällige Muster, Eigentumsanomalien und «Shell Companies» zu identifizieren. Die entwickelten Tools werden von Strafverfolgungs-, Anti-Korruptions- und Wettbewerbsbehörden sowie von Unternehmen für Due-Diligence-, AML- und Risikoprüfungen genutzt und wissenschaftlich validiert.

Wer trägt die Beweislast für die Vortat?

Ein juristischer Schwerpunkt folgte mit dem Vortrag von Jacques Rayroud, stellvertretender Bundesanwalt. Er widmete sich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen im Kontext der Geldwäscherei und der Frage, wer die Beweislast für die Vortat trägt. Rayroud hob die hohe Komplexität von Ermittlungen durch internationale Verflechtungen, parallele Jurisdiktionen und die Notwendigkeit grenzüberschreitender Zusammenarbeit hervor. «Noch schwieriger wird es, wenn gewisse Länder die Ermittlungen gefährden», sagt Rayroud. Anzupacken wäre u.a eine Modifikation des Bundesgesetzes über international Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG), welches die Zusammenarbeit zwischen Schweizer und ausländischen Behörden regelt. «Das Gesetz gilt seit 1981, es hat sich einiges geändert seither». Zu prüfen wäre in bestimmten Fällen auch die Vergleichsjustiz, um die Wirksamkeit der Strafverfolgung zu erhöhen.

Analytics und KI

Abgerundet wurde die Tagung durch einen zweiten Blick auf KI und Analytics im Einsatz gegen Geldwäscherei. Madan Sathe, Partner bei Deloitte im Bereich Analytics & AI, zeigte, wie moderne Datenanalytik Muster sichtbar macht, die mit klassischen Methoden kaum aufgedeckt werden können. Besonders Netzwerk- und Graphanalysen sowie kombinierte KI-Modelle treten zunehmend in den Vordergrund und versprechen neue Möglichkeiten der Früherkennung. «KI ist kein Speedboot. Man muss sie einbinden in die Business Strategie».

Anhand eines Praxisbeispiels zur Überprüfung der «Source of Wealth» zeigte Sathe, dass der Einsatz von KI-Agenten den manuellen Arbeitsaufwand um 30 bis 40% senken und gleichzeitig die Qualität und Konsistenz der Prüfungen verbessern konnte. Im Beispiel wurden die KI trainiert, indem sie parallel zu Mitarbeitern dieselben Tasks verrichtete und so laufend lernen konnte. «Es ist motivierend KI Business Cases durchzuführen, die zu realen Effizienzgewinnen führen», sagt Sathe. Er betont, dass starke Governance-Strukturen, menschliche Aufsicht und internationale Standards (z. B. EU AI Act, ISO, NIST) entscheidend sind, um KI verantwortungsvoll, transparent und regelkonform im Kampf gegen Geldwäsche einzusetzen.

Gelungene Konferenz

Die SEBWK-Jahreskonferenz 2025 verdeutlichte eindrucksvoll, wie dynamisch sich das Umfeld der Geldwäschereibekämpfung entwickelt. Internationale Kooperationen, technologische Fortschritte, neue Produktformen und steigende rechtliche Anforderungen verändern die Rahmenbedingungen nachhaltig. Der Austausch zwischen Fachleuten bleibt dabei von zentraler Bedeutung, um diese Entwicklungen gemeinsam zu verstehen und praxistauglich umzusetzen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass technologisches Know-how, rechtliche Klarheit und koordinierte internationale Ansätze künftig noch stärker zusammenwirken müssen, um Finanzkriminalität wirksam zu bekämpfen.

Die nächste SEBWK-Tagung findet am Freitag, den 20. November 2026 statt, wiederum im Hotel Bellevue Palace Bern.

Autorin: Susanne Grau

Susanne Grau ist Leiterin des Themenbereichs Wirtschaftskriminalistik, Dozentin und Projektleiterin am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern und Inhaberin und Geschäftsführerin der SUSANNEGRAU Consulting GmbH. Sie amtet als Vizepräsidentin von SwissAccounting und ist Verwaltungsrätin der Controller Akademie AG . Zudem ist sie Vorstandsmitglied der Schweizerischen Expertenvereinigung zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität SEBWK.

Autorin: Mona Fahmy

Mona Fahmy ist Ökonomin (MA UZH) und Absolventin des MAS Economic Crime Investigation. Sie ist Vizepräsidentin der Schweizerischen Expertenvereinigung zur «Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität» SEBWK, CEO der AGON Partners Compliance AG und Beirätin des Instituts für Compliance und Whistleblowing.

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.