15. Dezember 2025

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Die Herausforderungen internationaler Rechtshilfe

Die Herausforderungen internationaler Rechtshilfe

Von Mona Fahmy

Bei komplexen, länderübergreifenden Fällen von Wirtschaftskriminalität ist erfolgreiche Strafverfolgung ohne enge transnationale Zusammenarbeit undenkbar. Was sind die Hindernisse und Erfolgsfaktoren in der internationalen Kooperation bei derartigen Verfahren?

Wirtschaftskriminalität ist ein Phänomen, das sich stetig weiterentwickelt und neue Vorgehensweisen hervorbringt, die deren Bekämpfung anspruchsvoll, zeitaufwändig und kostenintensiv machen. In einer Serie von Interviews teilen Personen, die in der Bekämpfung tätig sind oder waren, ihre Erfahrungen.

Das erste Interview fand mit Michael C. Lauber statt. Er ist Experte für nationale und internationale Wirtschaftskriminalität mit drei Jahrzehnten Erfahrung in oberster Führungsebene in regulativen Organisationen und Strafverfolgungsbehörden. Von 2012 bis 2020 amtete er als Schweizerischer Bundesanwalt.

Michael C. Lauber

Herr Lauber, welcher Fall aus Ihrer Praxis zeigte besonders deutlich, wie wichtig internationale Kooperation geworden ist?

Ich kann dabei insbesondere auf zwei grosse, damals bearbeitete Fallkomplexe hinweisen. Der eine ist Petrobras/Odebrecht. Der andere ist 1MDB.

Welche strukturellen Muster begegneten Ihnen in grenzüberschreitenden Korruptions- und Geldwäschereifällen am häufigsten?

Von der Thematik her gibt es strafrechtlich Fragen rund um die Korruption und die Geldwäscherei als Tatbestände, aber auch des Betrugs, der Urkundenfälschung oder der ungetreuen Geschäftsbesorgung. Das sind zwar immer dieselben Tatbestände, aber die Ermittlungen sind komplizierter, weil sie wie beispielsweise bei Petrobras/Odebrecht, einen halben Kontinent betreffen können.

Dann gibt es bei all diesen riesigen komplexen Verfahren Implikationen von der Politik und von den Medien. Es kann zudem, je nach Konstellation, kritische Infrastruktur von verschiedenen Ländern betreffen. Im Weiteren ist da immer die Frage: Wie ist die Schweiz mitbetroffen? Meistens liegen entweder Vermögenswerte oder wesentliche Informationen in unserem Land. Die Frage der Internationalität und damit der entsprechenden Zusammenarbeit ist ein weiteres gemeinsames Merkmal dieser Fälle.

Wo liegen die grössten Hürden in internationalen Rechtshilfeverfahren – rechtlich, technisch oder kulturell?

Eine Herausforderung sind die unterschiedlichen Kulturen, und damit meine ich auch Rechtskulturen. Damit verbunden unterschiedliche Sprachen. Überdies gibt es eine simple, aber wichtige Frage, wenn man eng in Ermittlungen zusammenarbeitet: Die Zeitverschiebung. Weiter denke ich an die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, die je nachdem sehr unterschiedlich ist und nicht steuerbar. Eine weitere Frage ist die des Aufklärungswillens, wie nachhaltig oder wie oberflächlich ist der? Ganz wichtig sind die Herausforderungen in der internationalen Zusammenarbeit: Wenn Finanzmarktaufsichtsbehörden involviert sind, funktioniert es für die Justiz anders als bei Meldestellen für Geldwäscherei oder bei der eigentlichen Rechtshilfe. Und schliesslich: Alles muss gut koordiniert werden.

Wie geht man mit Staaten um, die nur zögerlich oder politisch heikel kooperieren?

Meine Überzeugung war und ist, dass erstens möglicherweise strafrechtliches Verhalten, das hierzulande oder über unser Land vorgenommen wurde, mit unseren Regeln der Schweizer Justiz geahndet werden muss. Dies bedeutet, dass wir uns zuerst unsere eigene Strategie zurechtlegen müssen. Und diese eigene Strategie beinhaltet neben der Kenntnis der Systeme der Partnerländer vor allem auch eine genaue Kenntnis unseres eigenen Systems, inklusive der Schwächen.

Zweitens gilt es, herauszufinden, wer die wirklich zuverlässigen Ansprechpartner in anderen Ländern sind und welche Ideen diese haben. Das bedeutet in aller Regel auch, dass man diese Menschen persönlich kennenlernen muss, sonst funktioniert das nicht.

Drittens muss man Verständnis füreinander entwickeln und die gegenseitigen Erwartungen kennen.

Das alles klappt nach meiner Erfahrung nur, wenn man eine Taskforce auf die Beine stellt, in der unterschiedliche Expertise zusammengeführt wird und man dann gemeinsam die Strategie und deren Umsetzung entscheiden kann.

Gibt es noch weitere Faktoren, welche die Kooperation zwischen Staaten besonders effizient machen?

Ja, gerade wenn es um das Austauschen von Finanzinformationen geht ist es ratsam, die damit zusammenhängenden Fragen mit den Meldestellen für Geldwäscherei zu besprechen. Diese haben andere, teilweise schnellere Wege. Zudem können auf diesem Weg ausgetauschte Informationen beispielsweise Rechtshilfeersuchen vorbereiten helfen.

Zudem sollte man sich vor dem Beschreiten des formellen Rechtshilfeweges zuerst überlegen, was man genau fragen will, was die Zielrichtung aus der Strategie ist und was gestützt auf die Kenntnis der Partner diese liefern können. Diese Vorabklärungen, also das sich Befassen mit den Rechtssystemen und das Fruchtbarmachen von entsprechenden Erfahrungen sind notwendig. Mit anderen Worten: Es geht bei diesen Vorabklärungen nicht um ein informelles Übermitteln von Informationen, das wäre alles unverwertbar, nein, es geht darum, damit beispielsweise systemisch zu verstehen, wo es am ehesten zu zeitaufwändigen Verfahrensabschnitten kommt. Ich würde behaupten, dass derartige Vorabklärungen notwendig sind, um dem Beschleunigungsgebot Nachachtung zu verschaffen.

Gerade bei komplexen, grossen Fällen dauern solche Ermittlungen ja oft, zumindest von aussen betrachtet, sehr lange. Liegt es auch daran, dass die internationale Rechtshilfe nicht immer so schnell vonstattengeht, wie man sich das wünschen würde?

Dem würde ich zustimmen. Ich habe die Meinung vertreten und vertrete sie heute noch, dass die Schweiz das Rechtshilfeverfahren grundsätzlich neu denken sollte, um die Voraussetzungen zu schaffen, den heutigen Herausforderungen begegnen zu können. Wir sind justiziell zu langsam unterwegs.

Wie sollte sich die Schweiz strategisch weiterentwickeln, um international noch wirksamer gegen komplexe Finanzkriminalität vorzugehen?

Netzwerke sind wichtig, die Mitarbeit im internationalen Umfeld. Was die Schweiz mit Eurojust macht, finde ich eine sehr gute Sache. Wichtig sind aber auch bilaterale Netzwerke. Am besten lernt man diese Behörden und ihre Akteure im Ausland über konkrete Verfahren kennen.

Im Inland braucht es aus meiner Sicht eine Revision des Rechtshilfeverfahrens. Zudem sollten die heute bestehenden vielfältigen rechtlichen Wege des internationalen Informationsaustauschs insgesamt kohärenter werden. Der internationale Informationsaustausch bei der Finanzmarktaufsicht funktioniert anders als der bei der Meldestelle Geldwäscherei oder bei der Rechtshilfe oder bei den Steuerbehörden. Das verstehe ich und das ist auch richtig so. Das Bild, das das Land jedoch insgesamt abgibt bei der internationalen Zusammenarbeit sollte kohärent sein. Inkohärenz ist ein Risiko für die Reputation. Dies gilt insbesondere bei grossen Verfahrenskomplexen. Und: Justizzusammenarbeit muss effizient und rechtzeitig funktionieren. Dies ist zentral für die Rechtsstaatlichkeit.


Michael Lauber war von 2012 bis August 2020 Bundesanwalt. Zuvor leitete der Rechtsanwalt u.a. von 1995 bis 2000 die Zentralstelle Organisierte Kriminalität im Bundesamt für Polizei und war später Leiter der FIU Liechtenstein und Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankverbandes.


Autorin: Mona Fahmy

Mona Fahmy ist Ökonomin (MA UZH) und Absolventin des MAS Economic Crime Investigation. Sie ist Vizepräsidentin der Schweizerischen Expertenvereinigung zur «Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität» SEBWK, CEO der AGON Partners Compliance AG und Beirätin des Instituts für Compliance und Whistleblowing.

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