14. März 2022
Von Susanne Grau
Wer bei einem Covid-19-Kreditantrag gelogen hat, hat sich des Betrugs und der Urkundenfälschung strafbar gemacht. Zu diesem Schluss gelangte das Obergericht des Kantons Zürich in einem Urteil vom 10. Februar 2022. Was bedeutet das genau?
Als die Schweiz zu Beginn der Pandemie im März 2020 in einen wirtschaftlichen Ausnahmezustand geriet, ging es der Politik darum, eine drohende Konkurswelle zu verhindern. Höchste Priorität hatte die Liquiditätsversorgung der Wirtschaft, nach dem Motto «whatever it takes». Dannzumal mussten strafrechtliche Überlegungen hintenanstehen. Vorrang hatte die unbürokratische und rasche finanzielle Hilfe. Im Laufe der Zeit wurde klar, dass es bei den Krediten auch zu Missbrauch gekommen ist. Derzeit sind 1’354 Fälle aus Strafanzeigen offen, mit einem Kreditvolumen von rund 175,1 Millionen Schweizer Franken (Stand 16. Februar 2022). 315 Straffälle sind abgeschlossen. Das mag im Vergleich zu den ursprünglich gewährten 137’855 Krediten mit einem Kreditvolumen von knapp 17 Milliarden Schweizer Franken als gering erscheinen. Jedes Strafverfahren ist jedoch für sich betrachtet aufwändig und zieht für die Beteiligten unangenehme finanzielle und rechtliche Folgen nach sich.
Im Fall, den das Obergericht des Kantons Zürich zu beurteilen hatte, hat der beschuldigte Kreditnehmer das Kreditformular «absichtlich inhaltlich falsch ausgefüllt und unterzeichnet». Gestützt auf dieses Formular zahlte ihm die Bank einen Kredit von 80’000 Schweizer Franken aus. Der Betrag war um ein Vielfaches höher, als er in Tat und Wahrheit zugut gehabt hätte. Wie war das möglich?
Der einfache Weg zum Geld
Die Kreditnehmer mussten auf dem Formular lediglich den Kreditgeber (Bank), den Umsatzerlös 2019 sowie den beantragten Kredit ausfüllen. Belege mussten keine eingereicht werden. Im interaktiv gestalteten Formular berechnete es alsdann 10% des angegebenen Umsatzes als Kreditbetrag. Falschangaben waren ein leichtes, was nicht heisst, dass die Kreditnehmenden nicht auf deren strafrechtliche Folgen hingewiesen worden wären. Beim Vertragsabschluss bestätigten sie, dass «unrichtige oder unvollständige Angaben» eine Strafbarkeit wegen Betrug und Urkundenfälschung nach sich ziehen können. Das vollständig ausgefüllte und unterzeichnete Formular stellte die Kreditvereinbarung dar. Für die ausbezahlten Finanzhilfen haben schliesslich die Bürgschaftsgenossenschaften gerade zu stehen. Sie sind es auch, die im Falle eines Betrugs geschädigt werden.
Bestrafung wegen Betrug
Wegen Betrug macht sich strafbar, wer jemanden durch arglistige Täuschung in einen Irrtum versetzt. Der Getäuschte tätigt in der Folge eine Vermögensdisposition, die ihn oder einen Dritten schädigt. Täuschungshandlungen müssen raffiniert sein, damit strafrechtlich gesehen von Arglist gesprochen werden kann. Das ist der Fall, wenn jemand in qualifiziertem Masse lügt, indem er beispielsweise davon ausgeht, dass ein anderer seine Handlungen oder Angaben nicht kontrolliert. Die Opfermitverantwortung des Geschädigten verhindert, dass bereits kleine, unwichtige Lügen bestraft werden.
Die Lügen auf den Covid-19-Kreditanträgen wiegen schwer. Es war zu erwarten, dass es bei der hohen Anzahl an Kreditgesuchen keine oder nur eine oberflächliche Überprüfung der Angaben der antragstellenden Personen geben würde. Das Obergericht qualifizierte das Verhalten des Beschuldigten im zu beurteilenden Fall daher als arglistig. Es kam zum Schluss, dass er tatsächlich damit rechnete, von der Bank nicht kontrolliert zu werden. Dies zeigte sich insbesondere darin, dass es um seine Hausbank ging, welche seinen Jahresumsatz kannte und den Missbrauch bei näherem Hinschauen hätte entdecken können. Von einer Opfermitverantwortung der Bank könne nicht gesprochen werden – nicht in dieser «gesamtschweizerischen Notsituation unter Berücksichtigung des entgegengebrachten besonderen Vertrauens gegenüber den Bürgern und Unternehmen».
Bestrafung wegen Urkundenfälschung
Mit dem Betrug allein ist es noch nicht getan. Mit dem falsch ausgefüllten Kreditantrag wurde das Vertrauen, das Urkunden als Beweismittel im Rechtsverkehr zukommt, verletzt. Dieses besondere Vertrauen in Urkunden wird durch das Strafrecht geschützt. Neben diesem sogenannten Urkundencharakter, welcher dem Kreditantrag zweifellos zukommt, muss er ausserdem eine erhöhte Glaubwürdigkeit aufweisen. Eben diese erhöhte Glaubwürdigkeit bejahte das Obergericht beim Covid-19-Kreditantrag. Mit der Annahme des Antrags durch die kreditgebende Bank wurde dieser automatisch zum Kreditvertrag. Die Bank durfte und musste sich daher auf die Richtigkeit der Selbstdeklaration im Formular verlassen können.
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