20. März 2023
Von Daniel S. Weber, Loris Baumgartner und Una Paunovic
Bereits kurz nach der russischen Militärinvasion in der Ukraine hat der Bundesrat entschieden, die Sanktionen der EU gegen Russland zu übernehmen und somit deren Wirkung zu verstärken. Lag der Fokus im Jahr 2022 vor allem auf dem Erlass und der Umsetzung der Sanktionen, verschiebt sich dieser nun in Richtung Durchsetzung. Die Sicherstellung der Einhaltung der Sanktionsmassnahmen geniesst in der Politik eine hohe Priorität, weshalb Behörden sich verstärkt auf das «Sanctions Enforcement» fokussieren. Der vorliegende Beitrag vermittelt einen Überblick über die Konsequenzen von Verstössen gegen die Russlandsanktionen und zeigt anhand der Strafbestimmungen im Schweizer Sanktionsrecht deren rechtliche Konsequenzen auf.
Bereits kurz nach der völkerrechtswidrigen russischen Militärinvasion in der Ukraine vor einem Jahr hat der Bundesrat am 28. Februar 2022 entschieden, die Sanktionen der Europäischen Union (EU) gegen Russland zu übernehmen und somit deren Wirkung zu verstärken. Bislang hatte die Schweiz jeweils nur Sanktionen umgesetzt, die auf Resolutionen des UNO-Sicherheitsrats basierten. Bis zum 20. März 2023 hat die Schweiz neun Sanktionspakete der EU übernommen. Sanktionen werden in der Schweiz in der Form einer Verordnung des Bundesrates auf der Grundlage des Embargogesetzes (EmbG) erlassen. Der Bundesrat hat dementsprechend die Sanktionen gegen Russland in der Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine (Ukraine-Verordnung) umgesetzt. Lag der Fokus im Jahr 2022 vor allem auf dem Erlass und der Umsetzung der Sanktionen, verschiebt sich dieser nun in Richtung Durchsetzung. Die Sicherstellung der Einhaltung der Sanktionsmassnahmen geniesst in der Politik – auch aufgrund von Reputationsrisiken – eine hohe Priorität. Aus diesem Grund fokussieren sich Behörden auf der ganzen Welt – ausgestattet mit zusätzlichen Ressourcen – verstärkt auf das «Sanctions Enforcement».
In der Praxis konnte in letzter Zeit eine Zunahme von Anfragen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) beobachtet werden, die allfällige Verstösse gegen die Sanktionsmassnahmen zum Gegenstand haben. Angesichts der Komplexität der Massnahmen und der vielen Änderungen und Aktualisierungen der Ukraine-Verordnung und deren Anhängen überrascht dies nicht. Alleine im Jahr 2022 wurde die Ukraine-Verordnung über zwanzig Mal geändert – ein klassisches «Moving Target». Die Liste der sanktionierten Personen enthält Stand März 2023 über 2’000 Einträge. Gleichzeitig sind umfangreiche Massnahmen, wie beispielsweise Güter- und Finanzmassnahmen, Massnahmen betreffend spezifizierte Gebiete sowie weitere Massnahmen, wie Reisesanktionen oder Start- und Landeverbote für russische Flugzeuge, umzusetzen. Es ist für Betroffene schwierig, den Überblick zu behalten und es besteht deshalb ein erhebliches Risiko, gegen die Sanktionsmassnahmen zu verstossen.
Der vorliegende Beitrag vermittelt einen konzisen Überblick über die Konsequenzen von Verstössen gegen die Russlandsanktionen und zeigt anhand der Strafbestimmungen im Schweizer Sanktionsrecht deren rechtliche Konsequenzen für Unternehmen und deren Organe auf.
Örtlicher und persönlicher Anwendungsbereich der Sanktionen
Weder im Embargogesetz noch in der Ukraine-Verordnung ist der örtliche Geltungsbereich der Sanktionen definiert. Gestützt auf das sogenannte Territorialitätsprinzip ist davon auszugehen, dass die Ukraine-Verordnung grundsätzlich nur auf Sachverhalte anwendbar ist, die sich in der Schweiz ereignen beziehungsweise auf Schweizer Staatsgebiet stattfinden. In den örtlichen Anwendungsbereich fallen damit namentlich sämtliche Personen, die in der Schweiz wohnhaft sind oder in der Schweiz beziehungsweise von der Schweiz aus einer Geschäftstätigkeit nachgehen. Darunter fallen grundsätzlich Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, nicht aber selbständige Tochtergesellschaften mit ausländischem Sitz, die keine Geschäftstätigkeit in der Schweiz ausüben.
In den persönlichen Anwendungsbereich fallen in erster Linie sanktionierte Personen, Unternehmen und Organisationen. Dazu zählen alle natürlichen und juristischen Personen, die in den umfangreichen Sanktionslisten der Ukraine-Verordnung mit Namen aufgeführt sind. Bei bestimmten Massnahmen sind darüber hinaus auch sämtliche russische Staatsangehörige beziehungsweise in Russland wohnhafte Personen, die Russische Föderation oder die russische Zentralbank vom Anwendungsbereich umfasst. Betroffen sind zudem Unternehmen, die sich im Eigentum oder unter der Kontrolle von in den Sanktionslisten aufgeführten Personen befinden. Sofern Drittpersonen geschäftliche Beziehungen zu in den Sanktionslisten aufgeführten Personen unterhalten oder Geschäfte mit kontroll- und meldepflichtigen Gütern oder Dienstleistungen tätigen, finden die Sanktionen auf sie ebenfalls Anwendung. Weitere Massnahmen, wie etwa das Bereitstellungsverbot oder die Meldepflicht, finden sodann grundsätzlich auf jede Person oder Institution Anwendung. Davon ausgenommen sind im Kernbereich tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der persönliche Anwendungsbereich der Sanktionen sehr weit gefasst ist und viele Personen direkt oder indirekt betroffen sind.
Strafbestimmungen
Verstösse gegen die Sanktionsmassnahmen richten sich gestützt auf Art. 32 der Ukraine-Verordnung nach den Strafbestimmungen des Embargogesetz, das heisst nach Art. 9 und 10 EmbG. Die Strafbestimmungen des Embargogesetz pönalisieren vorwiegend sanktionierte Rohstoff-, Finanz- und Dienstleistungstransaktionen.
Zuständig zur Strafverfolgung von Verstössen nach den Art. 9 und 10 EmbG ist grundsätzlich das SECO (vgl. Art. 32 Abs. 3 der Ukraine-Verordnung), das gleichzeitig eine zentrale Rolle beim Erlass, der Formulierung und der Auslegung von Bestimmungen der Ukraine-Verordnung spielt. Beispielsweise schaltet das SECO regelmässig «rechtlich nicht bindende» FAQs als «Auslegungshilfen» auf. Bei einer «besonderen Bedeutung» der Straftat kann das SECO die Bundesanwaltschaft um die Eröffnung eines Strafverfahrens ersuchen, woraufhin die Bundesanwaltschaft die Strafverfolgung übernimmt. Ein besonders bedeutsamer Fall dürfte regelmässig dann vorliegen, wenn sehr viele oder sehr gravierende Verstösse gegen die Sanktionsbestimmungen vorliegen, oder bei bandenmässiger und/oder gewerbsmässiger Tatbegehung.
Das Embargogesetz unterscheidet zwischen Vergehen und Verbrechen gemäss Art. 9 EmbG einerseits und Übertretungen gemäss Art. 10 EmbG andererseits:
Die «schweren Fälle» von Sanktionsverstössen werden, entgegen dem expliziten Titel dieser Strafbestimmung, als Verbrechen qualifiziert und stellen demnach taugliche Vortaten für Geldwäscherei dar. Mit der Qualifikation als Verbrechen wird für die Finanzintermediäre eine Meldepflicht an die Meldestelle für Geldwäscherei ausgelöst. Sowohl das Embargogesetz wie auch die Ukraine-Verordnung enthalten allerdings keine Angaben dazu, was genau unter einem schweren Fall zu verstehen ist. Soweit ersichtlich ist diese Bestimmung in der Praxis bislang auch noch nicht zur Anwendung gekommen.
Massnahmen
Die Behörden haben bei Verstössen gegen die Strafbestimmungen einerseits die Möglichkeit, die Beschlagnahme, also die Sicherstellung von Vermögenswerten, zu verfügen, etwa bei illegal importierten Gütern. Andererseits können die Behörden aber auch den Deliktserlös aus dem Sanktionsverstoss einziehen, indem zum Beispiel der erhaltenen Kaufpreis für ein sanktioniertes Gut zurückbehalten wird. Die Einziehung wird zusätzlich zur Strafe angeordnet, da es sich gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bei einer Vermögenseinziehung nicht um eine Strafe handelt.
Schematisch lassen sich die Strafen und Massnahmen wie folgt zusammenfassen:
Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Geschäftsführung
Gestützt auf Art. 12 und Art. 14 Abs. 1 EmbG findet das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht auf Sanktionsverstösse Anwendung. Dies betrifft auch «Verstösse in Geschäftsbetrieben».
Werden Sanktionsverstösse in Unternehmen begangen, haftet gestützt auf Art. 12 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 VStrR einerseits diejenige natürliche Person, welche die Tat in Ausübung geschäftlicher oder dienstlicher Verrichtungen verübt hat. Andererseits besteht gestützt auf Art. 6 Abs. 2 VStrR für Geschäftsherren oder Arbeitgeber, beziehungsweise deren Organe (Verwaltungsrat; Geschäftsleitung) eine strafrechtliche Verantwortlichkeit, wenn sie es in «Verletzung einer Rechtspflicht» unterlassen haben, eine Widerhandlung im Betrieb abzuwenden. Diese liegt etwa dann vor, wenn sie es entgegen Art. 716a Abs. 1 Ziff. 5 OR und damit pflichtwidrig unterlassen haben, die Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen auszuüben. Dazu gehört im Bereich Sanktionen etwa der Erlass einer auf die spezifischen Geschäftsaktivitäten ausgerichteten Weisung durch den Verwaltungsrat und die regelmässige Kontrolle deren Einhaltung oder die sorgfältige Prüfung von (sanktionierten) Gegenparteien im Rahmen einer Due Diligence.
Schliesslich kann auch die Strafbarkeit des Unternehmens selbst eine Rolle spielen: Eine strafrechtliche Haftung des Unternehmens für Verstösse durch Mitarbeitende kann sich aus Art. 102 Abs. 1 StGB oder Art. 7 Abs. 1 VStrR ergeben. Art. 7 Abs. 1 VStrR sieht in diesem Zusammenhang folgendes vor: Wenn eine Busse von höchstens CHF 5’000 in Betracht kommt und die Ermittlung der strafbaren natürlichen Personen gemäss Art. 6 VStrR unverhältnismässig wäre, kann von einer Verfolgung der natürlichen Person Umgang genommen und an ihrer Stelle das Unternehmen zur Bezahlung einer Busse verurteilt werden. In der Praxis wendet das SECO Art. 7 Abs. 1 VStrR regelmässig an, wenn der strafbare Sanktionsverstross im Rahmen der Unternehmenstätigkeit begangen wurde und nicht allzu gravierend ist.
Handlungsempfehlungen
Um sich in der anspruchsvollen Umgebung des Sanktionsrechts zurechtzufinden, empfiehlt sich die Umsetzung verschiedener Massnahmen.
Vermeidung von Sanktionsverstössen
Abklärungen des SECO zu möglichen Sanktionsverstössen
Unter den vom SECO in letzter Zeit verstärkt durchgeführten Abklärungen zu möglichen Sanktionsverstössen können sich auch sogenannte «Fishing Expeditions» befinden. Bei diesen werfen die Behörden wie beim Fischen lediglich das «Netz aus», um allfällige Sanktionsverstösse an Land zu ziehen. Konkrete Anhaltspunkte für Verstösse bestehen vorgängig nicht. Ist ein Unternehmen Adressat einer solchen Anfrage, sollten folgende Massnahmen getroffen werden:
Eröffnung eines Verwaltungsstrafverfahrens aufgrund von Sanktionsverstössen
Wird vom SECO oder der Bundeanwaltschaft ein Verwaltungsstrafverfahren eröffnet, so sollte umgehend eine spezialisierte Anwaltskanzlei mit der Interessenwahrung beauftragt werden. Anhand einer massgeschneiderten Verteidigungsstrategie werden die mit einem solchen Strafverfahren einhergehenden Rechts- und Reputationsrisiken möglichst umfassend adressiert.
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