Von Andreas Waldis
Nebel, Regen, Schnee. Und mittendrin 25 Nachwuchsforschende aus ganz Europa, die sich eine Woche lang mit gesellschaftlichen Verzerrungen in KI-Systemen auseinandersetzten.
Statt Konferenzroutinen prägten Workshops, persönliche Gespräche und gemeinsame Aktivitäten das Programm.
KnitTogether ist ein Format für Nachwuchsforschende, das den Austausch zu gesellschaftlich relevanten Fragen rund um Künstliche Intelligenz fördert. Die erste Ausgabe fand im Mai 2025 im appenzellischen Ort Wildhaus statt – organisiert von der Hochschule Luzern, der Universität Stuttgart und der Universität Hamburg.
Im Zentrum stand das Thema Bias in Sprachmodellen – also gesellschaftliche Verzerrungen, die sich in KI-Systemen niederschlagen können wie die Ungleichbehandlung von Geschlechtern. 25 Teilnehmende aus ganz Europa diskutierten, wie faire und transparente Modellierung gelingen kann.
Statt Frontalvorträgen gab es Workshops, Peer-Reviews, Mini-Talks – und gemeinsames Kochen, Spielen und Wandern. Der Austausch wurde so nicht nur produktiv, sondern auch persönlich und verbindend.
Ermöglicht wurde die Woche durch die Unterstützung der Hochschule Luzern, der Universität Stuttgart, der Universität Hamburg und der Gesellschaft für Sprachtechnologie und Computerlinguistik.
Gute Forschung beginnt mit Beziehungen: mit offenem Austausch, geteilten Erfahrungen und der Freiheit, auch Unsicherheiten zeigen zu dürfen. KnitTogether hat deutlich gemacht, wie wichtig sichere Räume dafür sind. Besonders für Nachwuchsforschende, die sich oft zwischen Konkurrenzdruck und hohen Erwartungen bewegen. Viele Teilnehmende nutzten diesen geschützten Rahmen, um herauszufinden, worauf sie sich in ihrer Forschung wirklich fokussieren möchten und wo sie persönlich weiterwachsen wollen.
Im Zentrum der Woche stand das Thema Bias in NLP (Natural Language Processing) – also Verzerrungen in Sprachmodellen, die gesellschaftliche Ungleichheiten widerspiegeln oder verstärken können. Ob geschlechtergerechte Sprache, kulturelle Stereotype oder die Dominanz des Englischen: Verzerrungen sind nicht nur technische Fehler, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse, welche auch in den Trainingsdaten dieser Sprachmodellen enthalten sind. Und diese verändern sich laufend. Die Teilnehmenden sind sich einig: Forschung muss das mitdenken. Und sie muss vor allem die Aspekte von Bias transparent machen, um den Benutzenden die Möglichkeit zu geben diese Modelle selbstbewusst und mit der nötigen Verantwortung zu verwenden.
Sprachmodelle basieren auf riesigen Textmengen und übernehmen dabei auch gesellschaftliche Vorurteile die in diesen Trainingsdaten enthalten sind. Diese Verzerrungen (Bias) betreffen etwa Geschlecht, Herkunft, Sprache oder soziale Rollenbilder. Sie sind nicht nur technische Nebenwirkungen, sondern Abbild gesellschaftlicher Machtverhältnisse – und können durch KI-Systeme weiter verstärkt werden.
Transparenz bedeutet in diesem Zusammenhang:
Technisch kann das zum Beispiel heissen:
Ob beim Wandern, Kochen oder in Formaten wie der simulierten Konferenz: Die Woche zeigte, was entstehen kann, wenn Wissenschaft Raum für Leichtigkeit bekommt. In einem interaktiven Spiel erlebten die Teilnehmenden den gesamten Forschungsprozess: von der Ideenfindung über Methodik und Datenerhebung bis hin Abstract und Peer Review. Was wie ein Spiel wirkte, förderte kreative Gedanken und ehrlichen Austausch.
Diese Forschungswoche hat gezeigt, wie wichtig es ist, entspannte und zugängliche Formate zu schaffen, in denen wissenschaftlicher Austausch möglich wird. Gerade während des Doktorats ist der Erfolgsdruck hoch und oft sieht man nur die Ergebnisse der anderen.
Ein ehrlicher Austausch, auch über das, was schwierig ist, wirkt für viele wie Balsam für die Seele.
Andreas Waldis
Umso wertvoller ist ein Raum, in dem auch Zweifel, Fragen und Unsicherheiten Platz haben. Ein ehrlicher Austausch, auch über das, was schwierig ist, wirkt für viele PhD-Studierende wie Balsam für die Seele.
KnitTogether war nicht nur eine produktive Woche in den Bergen, sondern ein Impuls für eine andere Forschungskultur. Wir hoffen, dass es nicht bei der ersten – sondern der ersten von vielen bleibt.
Doktorandin
Universität Zagreb
Was war dein Highlight der Woche?
Ana Baric: Das ist schwierig zu sagen, weil die ganze Woche so produktiv und gleichzeitig so lustig war. Wenn ich mich entscheiden muss, war mein persönliches Highlight das Konferenz-Simulations-Spiel. Von der Schnitzeljagt nach Forschungsgelder zur Simulation von Forschungsergebnissen bis hin zum genialen Social-Event am Abend – ich habe alles geliebt. Und natürlich das gemeinsame Kochen, dass wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.
Was hast du mitgenommen – beruflich oder persönlich?
Die Diskussionen haben mir neue Perspektiven eröffnet. Es war erfrischend, die bekannten Probleme einmal aus so vielen unterschiedlichen Blickwinkeln zu sehen. Ich bin mit neuer Motivation nach Hause gefahren – und die hält bis heute an.
Was macht dieses Format so wertvoll?
Es ist zugänglich und gleichzeitig produktiv. Ohne Kontext könnte man denken, wir machen Kinderaktivitäten – aber genau dieser spielerische Charakter hat es ermöglicht, in unserem eigenen Tempo über Wissenschaft zu reden, ohne Angst vor Bewertung.
Professorin
Universität Hamburg
Was war dein Highlight der Woche?
Anne Lauscher: Mich hat begeistert, wie viele neue, kluge Menschen ich kennenlernen durfte. Ich habe mich gefreut, alte Weggefährten und – gefährtinnen wiederzusehen. Besonders beeindruckt haben mich die Arbeiten der simulierten Konferenz. Die Forschenden haben qualitativ hochwertige Arbeit geleistet und gezeigt, wie leicht und freudvoll Ideen entstehen können, wenn das Umfeld stimmt.
Was hast du mitgenommen – beruflich oder persönlich?
Ich wurde daran erinnert, wie individuell die Herausforderungen von PhD-Studierenden sind. Es ist enorm wichtig, ein sicheres und motivierendes Forschungsumfeld zu schaffen.
Forschung lebt von Gemeinschaft – von Menschen, die sich für ähnliche Themen interessieren und bereit sind, respektvoll miteinander zu streiten.
Anne Lauscher
Warum sind Formate wie KnitTogether wichtig?
Forschung lebt von Gemeinschaft und von Menschen, die sich für ähnliche Themen interessieren und bereit sind, respektvoll miteinander zu streiten. Klassische Formate wie Konferenzen bringen aber viel Druck mit sich. Gerade für Doktorierende braucht es deshalb geschützte Räume, in denen sie sich vernetzen und entfalten können – ohne akademischen Leistungszwang.
Andreas Waldis ist Senior Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Departement Informatik der Hochschule Luzern. Er forscht zu Fairness und Transparenz in KI-Systemen – mit Fokus auf Sprachmodellen und darauf, wie wir diese besser verstehen können, um einen breiten gesellschaftlichen Nutzen zu ermöglichen. Seine aktuellen Arbeiten befassen sich unter anderem mit dem Einfluss genderfairer oder genderneutraler Sprache, mit dem Auftreten toxischer Inhalte in Sprachmodellen sowie mit der Frage, wie Sprachmodelle zur digitalen Demokratie beitragen können. Er war Mitorganisator der ersten KnitTogether-Woche und hat diesen Bericht aus Perspektive des Organisationsteams mitverfasst.
Veröffentlicht: 13. Juni 2025
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