Forschung & Dienstleistung

Forschung im Dialog: KI in der Medizin

Forschung im Dialog: KI in der Medizin
In Entwicklungsländern ist die Gesundheitsversorgung dürftig. Künstliche Intelligenz kann zur Lösung dieses Problems beitragen, erklärt Forscher Marc Pouly. Gibt es dazu Fragen? Kritische Einwände? Nach dem Kurzvortrag öffnen wir den Raum für Diskussionen.

Forschung für alle: KI-Forscher Marc Pouly spricht in der Online-Veranstaltung Forschung im Dialog darüber, wie Künstliche Intelligenz (KI) Hauterkrankungen in Entwicklungsländern eindämmen kann. Er und sein Team entwickeln KI-Modelle, die basierend auf einem Smartphone-Foto und Patientenangaben eine Erstdiagnose stellen.

Marc Pouly, wieso sollte man an Ihrem Kurzvortrag teilnehmen? 

Ich zeige auf, was die moderne Künstliche Intelligenz in der medizinischen Bildanalyse leistet. Sei es, um beispielsweise in Entwicklungsländern Hautkrankheiten per App zu klassifizieren und eine telemedizinische Erstversorgung anzubieten, oder zur Unterstützung des klinischen Alltags in der Schweiz. Teilnehmende können diese Möglichkeiten auf ihr eigenes Fachgebiet oder ihre unternehmerische Tätigkeit übertragen.  

Kurzvortrag verpasst? Kein Problem: Hier gibt es den Vodcast des Events:

Diskutieren Sie mit bei Forschung im Dialog:

Wissen verständlich auf den Punkt gebracht – darum geht’s: Bei «Forschung im Dialog» wird einmal pro Monat während jeweils dreissig Minuten ein Thema aus Sicht der Forschung näher betrachtet, am Projektbeispiel konkretisiert und im Plenum verdichtet. Ein ideales Format für Menschen, die kurz vor Feierabend im Gedankenaustausch mit Forschenden ihren Horizont erweitern wollen. Sie haben die erste Ausgabe von «Forschung im Dialog» zum Thema «Wie AR und VR das Lernen revolutionieren» verpasst? Kein Problem: Hier gibt es den Vodcast des Events.  

Wieso kann gerade Afrika davon profitieren, Hautkrankheiten per App zu diagnostizieren? 

Gemäss WHO leiden bis zu 87 Prozent aller Kinder im südlich der Sahara gelegenen Afrika an (mindestens) einer Hautkrankheit. Dabei praktiziert in einigen afrikanischen Staaten auf eine Million Einwohnerinnen und Einwohner nur gerade eine Dermatologin oder ein Dermatologe. Das sind 50-mal weniger als in der Schweiz! Auch gut therapierbare Hautkrankheiten werden oft falsch diagnostiziert oder falsch behandelt. Dabei hat die Dermatologie einen entscheidenden Vorteil. 

Inwiefern? 

Die Diagnose kann mit einem Mobiltelefon gemacht und an einen telemedizinischen Service übermittelt werden. In einfacheren Fällen schlagen sie Behandlungsoptionen vor und unterstützen so die Triage. Dazu braucht es keine speziellen Apparaturen wie Röntgengeräte oder Computertomographen und keine operativen Eingriffe. Telemedizin allein reicht aber nicht aus. Denn weder können wir jemals genügend Fachkräfte ausbilden, noch kann so ein System nachhaltig finanziert werden. Und genau hier hilft uns die KI durch ihre fast unbegrenzte Skalierbarkeit.  

Mit KI gegen Hautkrankheiten: Mithilfe von KI und Bildanalyse vermisst und bewertet die Software die Erkankung.

Sie und Ihr Team erstellen KI-Modelle, die Hautkrankheiten automatisch erkennen und beurteilen.  

Genau. Wir unterstützen dabei das Team von Prof. Dr. Alexander Navarini am Universitätsspital Basel, solche Machine-Learning-Modelle zu erstellen und zu industrialisieren. Diese Modelle erkennen, beurteilen und vermessen Hautkrankheiten auf Fotografien. Nächstes Jahr setzen wir unsere Modelle in einem Pilotversuch in Madagaskar und Tansania ein. 

Was fasziniert Sie an diesem Thema? 

Es ist ein grosses Privileg, seit acht Jahren mit dem Universitätsspital Basel zusammenzuarbeiten. Es stellt die telemedizinische Infrastruktur bereit. Und es baut ein Netzwerk aus lokalen Partnern in Afrika auf. So kann es das System betreiben und die notwendigen Daten gewinnen.   

Die Künstliche Intelligenz ist die einzige absehbare Möglichkeit, Millionen von Menschen eine hochqualitative Erstversorgung zukommen zu lassen.  

Darüber hinaus ist es für mich eine wunderbare interdisziplinäre Zusammenarbeit: Ärztinnen und Ärzte, die uns dabei unterstützen, Daten zu gewinnen und Modelle zu beurteilen, schulen sich plötzlich in der Programmierung und Datenanalyse. Umgekehrt gehen unsere Machine-Learning-Spezialistinnen und -Spezialisten mit Chefärztinnen und Chefärzten auf Visite, um den klinischen Alltag und dessen Anforderungen zu verinnerlichen.   

Die Dermatologie der Zukunft wird durch die Kombination von klinischer Expertise und KI entstehen. Im Video erklärt ein Forschungsteam der Hochschule Luzern und des Universitätsspitals Basel, wie die Analyse von Hautbildern mit maschinellem Lernen genauere Behandlungen ermöglicht und die Gesundheitsdienste auch in entlegenen Gebieten verbessert.

Wie sehen Sie die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Drittweltländern?  

Ein Gesundheitssystem wie in der Schweiz werden wir in Entwicklungsländern nicht etablieren können. Die geografischen und kulturellen Gegebenheiten sind zu verschieden. Zudem werden wir nie genügend Fachkräfte ausbilden können. Die Künstliche Intelligenz ist die einzige absehbare Möglichkeit, Millionen von Menschen eine hochqualitative Erstversorgung zukommen zu lassen.  

Was sind aktuelle Herausforderungen in diesem Umfeld? 

Die grössten Herausforderungen sind nicht unbedingt technischer Natur. Um ein bildanalytisches Modell erstellen zu können, sind wir auf hochqualitative Trainingsdaten angewiesen. An hiesigen Spitälern existieren Standardprozesse, um medizinische Daten zu sammeln.

In Entwicklungsländern Daten zu sammeln, ist eine grosse technische, logistische und oftmals auch kulturelle Herausforderung.  

Jedoch sind in der Schweiz gesammelte Daten nur sehr begrenzt für Entwicklungsländer repräsentativ. Stichworte sind: andere Hautpigmentierung, Häufigkeit von Krankheiten usw. Die notwendige Datensammlung vor Ort stellt eine grosse technische, logistische und oftmals auch kulturelle Herausforderung dar.   

Frage in die Runde: Wo sehen Sie sinnvolle Einsatzgebiete für KI in der Medizin und wo sollte man ihnen Einhalt gebieten? Bitte schreiben Sie Ihren Kommentar hier zuunterst in die Kommentarspalte.

Von Yasmin Billeter
Veröffentlicht am 9. November 2022

Prof. Dr. Marc Pouly
Prof. Dr. Marc Pouly

Prof Dr. Marc Pouly ist Co-Head des Algorithmic Business Research Labs.

Um die Zukunft der Dermatologie zu gestalten, arbeitet sein Team seit acht Jahren zusammen mit dem Universitätsspital Basel an der Entwicklung von KI-Werkzeugen.

Blicken Sie hinter die Kulissen der Informatik-Forschung

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Zweite Veranstaltung: Dienstag, 15. November 2022, 17:30–18:00 Uhr
Wie KI die dermatologische Erstversorgung in Afrika unterstützt

Sie haben die erste Ausgabe von «Forschung im Dialog» zum Thema «Wie AR und VR das Lernen revolutionieren» verpasst? Kein Problem: Hier gibt es den Vodcast des Events. 

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Künstliche Intelligenz nutzen, um medizinische Diagnosen sicherer und skalierbar zu machen. Das ist nur ein Beispiel der zukünftigen Medizin, für die wir uns einsetzen. Dazu bedarf es der Zusammenarbeit zwischen Biologen, Medizintechnikerinnen und Informatikern. Im Forschungs- und Entwicklungs-Joint-Venture der Hochschule Luzern wird diese gelebt.

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Kommentare

3 Kommentare

Simon Uhler

Gibt es davon dann auch eine aufnahme?

Antworten

Yasmin Billeter

Guten Tag, danke für Ihr Interesse! Ja, das Video wird jeweils innerhalb einer Arbeitswoche nach der Veranstaltung auf YouTube bereitgestellt. Das Video wird dann auch auf hslu.ch/fid bzw. auf der von dort aus aufrufbaren Rückblickseite publiziert. Herzliche Grüsse

Antworten

Nina Blaettler

Very interesting reading, specially for us laypeople.

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Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.

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