Der grosse Hype um die NFTs (Non-fungible Tokens) ist abgeflacht. Blockchain-Experte Tim Weingärtner erklärt im Interview, warum die virtuellen Eigentumszertifikate ihren Platz in der digitalen Gesellschaft trotzdem finden werden. Und welche Herausforderungen bis dahin gelöst werden müssen.
Tim Weingärtner, in jüngster Zeit liest man in den Medien vom Ende des NFT-Hypes. Was ist an solchen Berichten dran?
Der Hype um Non-fungible Tokens (NFTs) ist sicher etwas abgeflacht. Aber das heisst nicht, dass NFTs keine Rolle mehr spielen. Das Thema wurde mittlerweile in fast allen Medien ausgereizt. Da ist nicht mehr viel Luft für Neues. Auch ist eine gewisse Ernüchterung bei digitaler Kunst eingetreten. Viele konnten die erhofften Gewinne nicht realisieren. Ausserdem gewinnen neue Themen wie Decentralized Finance (DeFi) an Zuspruch. Das sieht man auch schön, wenn man die Google-Trends-Analyse zu NFTs anschaut.
NFTs sind virtuelle Eigentumszertifikate. Heute existieren davon Papierversionen – von der Lizenzierung von Musik bis zum Modellnamen eines Autos. Wie diese weisen auch NFTs einem Vermögenswert eine ID zu, die bestätigt: Das gehört mir, es ist das Original. Aber sie sind nicht der Vermögenswert selbst. NFTs beruhen auf einer Blockchain. Reale Vermögenswerte wie Immobilien, Kunstwerke, aber auch Artikel wie Schuhe und Kleidung können mithilfe von NFTs im Metaverse angeboten und vermarktet werden.
Das ist eine Blockchain-basierte Technologie, die das Ende des klassischen Bankenwesens einläuten soll. Sie verspricht die Demokratisierung des Finanzwesens: Auf speziellen DeFi-Handelsplattformen tätigen Private und Firmen direkt untereinander Geldgeschäfte. Intermediäre (Vermittlerinnen oder Vermittler) sind nicht mehr nötig. Wer beispielsweise einen Kredit aufnehmen will, kann dies auf einer DeFi-Plattform direkt bei einem anderen User, einer Userin oder einem Unternehmen erledigen und muss nicht über eine Bank gehen. Es gibt keine zentrale Instanz, die alles kontrolliert, nur einen Algorithmus.
Wird der NFT-Trend bald wiederbelebt werden?
Im Metaverse tauchen NFTs wieder verstärkt auf. Dort nicht mehr nur für das Handeln von digitaler Kunst sondern neu für jegliche Art von digitalen Gegenständen. Zum Beispiel Kleidung, Land und so weiter. Gerade bei Kleidung und Accessoires sieht man, wie reale und digitale Objekte verbunden werden. So kaufe ich mir meine Sneakers in der realen Welt und erhalte die digitale Version – den Digital Twin – als NFT dazu.
Was fasziniert Sie am Thema NFTs?
NFTs ermöglichen es, dass ich in der digitalen Welt jegliche Art von Assets einzigartig machen kann. In einer Welt, in der alles einfach kopiert und manipuliert werden kann, ist das ein Gamechanger. Nur durch die Einzigartigkeit kann ich Werte schaffen. Und dadurch, dass ich etwas besitze, kann ich auch damit handeln.
In zehn Jahren ist es für uns alle normal, dass wir digitale Vermögenswerte besitzen und als NFTs diesen Besitz sicher geregelt haben.
Was sind aktuelle Herausforderungen im Umfeld der NFTs?
NFTs sind eigentlich nur Eigentums-Zertifikate. Diese werden auf der Blockchain gespeichert und einem Benutzerkonto, also der öffentlichen Adresse oder dem Public Key, zugeordnet. Dies hilft zwar, den Besitz oder die Weitergabe dieses Zertifikats zu regeln. Es schützt aber nicht vor der missbräuchlichen Verwendung des damit verbundenen Wertgegenstandes (Assets).
Wie steht es um die ökologischen Herausforderungen?
Bei allen energiebezogenen Aussagen zu NFTs und Blockchain kommt es immer auf das verwendete Blockchain-Protokoll und den Konsens-Algorithmus an. Viele NFTs sind auf der Ethereum-Blockchain umgesetzt. Ethereum hat gerade den Wechsel zum Proof-of-Stake-Konsensprotokoll hinter sich. Das hat eine drastische Reduktion des Energieverbrauchs mit sich gebracht. Aktuell braucht eine Transaktion weniger Strom als eine Minute den Föhn laufen zu lassen. (Quelle: Stromverbrauch 1’200 Watt Föhn für zehn Minuten: 0,2 kWh und aktueller Verbrauch einer Ethereum-Transaktion: ca. 0,01 kWh.)
Sie veranstalten am 8. November einen Event zum Thema «NFTs – Nur heisse Luft?» Wieso sollte man teilnehmen?
Mit der Veranstaltung möchten wir das Verständnis für NFTs steigern. Viele Leute reden über das Thema, ohne wirklich zu verstehen, was dahintersteckt. Das ist gefährlich – vor allem wenn man investiert. Wir wollen ein Grundverständnis vermitteln, aber auch aufzeigen, was möglich ist. Weiterhin haben wir mit Nico Hess einen Fachmann der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA zu Gast, der die regulatorischen Aspekte aufzeigt. Und diese sind nicht zu unterschätzen. Wir bewegen uns in diesem Bereich nämlich schnell in der Welt der Finanzmarktprodukte.
Wie sehen Sie die Zukunft von NFTs?
Ich bin überzeugt, dass NFTs ihren Platz in der digitalen Gesellschaft finden werden. In zehn Jahren ist es für uns alle normal, dass wir neben unseren physischen Besitztümern auch digitale Vermögenswerte besitzen. Durch NFTs werden wir diesen Besitz sicher regeln. Die Verbindung zwischen realen und digitalen Objekten wird dann selbstverständlich sein.
Von Yasmin Billeter
Veröffentlicht am 31. Oktober 2022
Engagiert für ein besseres Verständnis rund um Blockchain und NFTs:
Der Informatiker Tim Weingärtner erforscht am Information Systems Research Lab der Hochschule Luzern Blockchain-Anwendungen.
Eine weitere HSLU-Verastaltung zum Thema: Online-Veranstaltung: Community im Gespräch: Metaverse, NFT & Web3 – Hype oder Game Changer? 7. Dezember 2022, 17:30 bis 18:30 Uhr
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