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Wie die künstliche Intelligenz die Rolle der Leader verändert

Wie die künstliche Intelligenz die Rolle der Leader verändert
Personal information concept. Group of engineer.

Eine Führungsfunktion beinhaltet eine Vielzahl an verschiedenen Aufgaben. Dazu zählen beispielsweise Personalrekrutierung und -entwicklung, Ressourcenallokation, Planung und Koordination sowie Kommunikation. Viele dieser Aufgaben können bereits durch eine künstliche Intelligenz (KI) unterstützt oder sogar übernommen werden. Dieser Blogartikel befasst sich mit dem Zusammenspiel zwischen Mensch und KI in der Führung. Als Beispiel wird die Aufgabe der Personalentwicklung und der Fall People Analytix bei Swisscom hinzugezogen. Zentrale Herausforderungen wie die Änderungen im Anforderungsprofil an Führungskräfte oder die Entscheidungsfindung im Zeitalter von KI werden behandelt.

People Analytix bei Swisscom

Das Ziel des Projektes People Analytix bei Swisscom ist es, den Mitarbeitenden, auf Basis ihrer aktuellen Kompetenzen, passende Vorschläge für ihre berufliche Entwicklung zu machen und so bei der Wahl von passenden Weiterentwicklungsmassnahmen zu unterstützen. Dabei kommt eine KI zum Einsatz. Der Tool-Anbieter indexiert laufend alle in der Schweiz ausgeschriebenen Stelleninserate und nutzt KI-Algorithmen, um die Datenbasis laufend zu ergänzen. So ist für jede geläufige Berufsbezeichnung ein ganzes Profil mit üblicherweise verlangten Kompetenzen hinterlegt und die Software lernt laufend dazu, wie sich die Nachfrage nach einzelnen Skills verändert und wie diese zueinander in Beziehung stehen. Die dort entstehenden Kompetenz-Inventare von einzelnen Mitarbeitenden können auf Wunsch der Erfasser für die ganze Organisation freigegeben werden, um so die bestehenden Skills mit den künftig relevanten Kompetenzen zu vergleichen und Trainingsbedarf frühzeitig zu erkennen. HR-Mitarbeitende können die Profile nutzen, um bei offenen Stellen in der Organisation direkt nach Personen mit den passenden Skills zu suchen. Mitarbeitende erhalten wiederum vollautomatisch eine Benachrichtigung, wenn eine neue Stelle oder ein internes Projekt ausgeschrieben wurde, das zu ihrem Kompetenzprofil passt. Für die Swisscom hat das System den Vorteil, dass sie die Skill-Landschaft der Unternehmung kennenlernt. Einerseits können Weiterbildungen für Fähigkeiten angeboten werden, für die eine Knappheit vorherrschend ist. Andererseits können mittels Prognosen für künftig benötigte Jobs entsprechende Rekrutierungsmassnahmen ergriffen werden.

Einen detaillierten Einblick über die Funktionsweise von People Analytix ermöglicht die Demo im nachfolgenden, rund zweiminütigen Video:

Änderungen in den Aufgaben und Skills der Führungskräfte

Eine Herausforderung, welche solche Systeme mit sich bringen, sind Änderungen in den Anforderungen an Führungskräfte. Zu erwarten ist, dass repetitive Tätigkeiten wie Administration und Reporting-Aufgaben in Führungsfunktionen abnehmen (in Abbildung 1 rot dargestellt). Die Aufgaben und Kompetenzen, die wichtiger werden für die Führungskräfte der Zukunft, sind Sozialkompetenzen, Urteilsfähigkeit, Innovationskompetenz und Anpassungsfähigkeit (Chamorro-Premuzic et al.,2018; Kolbjørnsrud et al., 2016). Diese und weitere wichtiger werdende Kompetenzen sind in Abbildung 1 grün dargestellt.

Abb. 1: Änderungen in den Aufgaben & Skills der Führungskräfte im Zeitalter von KI

Auch im Fallbeispiel People Analytix zeigt sich eine Verlagerung der repetitiven Aufgaben vom Menschen hin zur KI. Die lange Recherche nach offenen Stellen oder geeigneten Weiterbildungen wird vereinfacht. Führungspersonen unterstützen ihre Mitarbeitenden jedoch in 1:1 Coachings und im Anpassungsprozess für das neue System.

Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung zwischen KI und Mensch

KI und der Mensch bringen je eigene Stärken und Schwächen mit sich. Daher gilt es, dass je nach Entscheidungssituation Mensch und KI so kombiniert werden, dass sie sich optimal ergänzen. Jarrahi (2018) unterscheidet drei Herausforderungen bei Entscheidungen: Ungewissheit, Komplexität, und Mehrdeutigkeit. Swisscom setzt zur Kandidaten-Selektion keine KI ein. Die Beurteilung der drei Punkte kann jedoch für die Personalentwicklung im Allgemeinen wie folgt beschrieben werden: Ungewissheit tritt dann auf, wenn z.B. ein ganz neuer Job geschaffen wurde. Dabei fehlen der KI die nötigen Daten, um Kandidaten einzuteilen. Der Mensch muss intuitiv selber entscheiden und die KI kann mit ähnlichen Fällen unterstützen. Komplexität ist bei viele Variablen gegeben, wie etwa bei der Bestimmung eines optimalen Kandidaten aus allen Mitarbeitenden. Hier entscheidet vor allem die KI. Der Mensch bestimmt aber im Voraus, was überhaupt analysiert wird. Zuletzt die Mehrdeutigkeit. Damit sind Situationen gemeint, in denen eine Entscheidung je nach involvierter Partei unterschiedlich interpretiert wird. Wenn etwa zwei interne Bewerber ähnlich gut sind. Dann soll eher der Mensch abwägen wer passt. Idealerweise findet also eine Aufteilung der Aufgaben zwischen Mensch und KI anhand der Stärken statt. So wird der Mensch entlastet und die KI bringt Höchstleistung in den spezialisierten Gebieten. Schliesslich trifft der Mensch die schwierigen Entscheidungen auch unter der Berücksichtigung vieler Aspekte, welche nicht aus den Daten abgeleitet werden können, wie z.B. Erfahrung, Empathie und ethische Überlegungen.

Das menschliche Wohlergehen

Gemäss Definition des Führungsbegriffs geht es bei Führungsaufgaben um Einflussnahme. Werden solche Einflüsse oder Teilaspekte davon auf den Computer übertragen, bringt das auch Gefahren mit sich.  Die Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) Global Initiative on Ethics of Autonomous and Intelligent Systems (2019) schlägt daher fünf ethische Prinzipien vor, welche für alle autonomen und intelligenten Systeme gelten sollten:

  1. Sicherstellen, dass das System die Menschenrechte wahrt
  2. Priorisieren des Wohlergehens der Menschen im Design
  3. Sicherstellen, dass Entwickler, Hersteller, Betreiber für die Systeme verantwortlich sind
  4. Sicherstellen der Transparenz
  5. Bewusstsein schaffen und minimieren von Missbrauchs-Risiken

Bezogen auf das Fallbeispiel People Analytix bedeutet beispielsweise Punkt 2, dass die Mitarbeiter die zentralen Profiteure des Systems sein sollen. Durch die Verdichtung der Informationen über Kompetenzen und Stellenangebote haben Mitarbeiter bessere Chancen, sich in die gewünschte Richtung zu entwickeln. Wichtig ist dabei, dass die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter gewahrt werden. Dies bringt uns zu Punkt 3, wonach Swisscom und People Analytix die Verantwortung für datenschutzrechtliche Aspekte und allfällige Fehlfunktionen übernehmen müssen. Des Weiteren muss gemäss Punkt 4 die Funktionsweise und Verarbeitung der Daten gegenüber den Mitarbeitern transparent geregelt sein.

Wie geht es weiter?

In diesem Artikel wurde eine Anwendung von KI in der Personalentwicklung aufgezeigt. Jedoch werden auch andere Führungsaufgaben oder sogar ganze Geschäftsmodelle automatisiert, wie etwa bei Uber. Beispielsweise werden Kundenanfragen automatisch verarbeitet und Ressourcen (Fahrer) zugeteilt. D.h., Führungsaufgaben wie Einsatzplanung, Aufgabenzuteilung, Performance-Feedback und Kompensation sind automatisiert (Wesche & Sonderegger, 2019). Aufgrund dieser Beispiele und dem schneller werdenden technologischen Fortschritt ist anzunehmen, dass mehr und mehr Aufgaben von der KI übernommen werden.

Um sich auf diese Veränderungen vorzubereiten, können laut Kolbjørnsrud et al. (2016) Führungskräfte folgende drei Schritte unternehmen:

  1. Frühzeitig experimentieren und Erkenntnisse in die nächsten Iterationen einfliessen lassen
  2. Neue Key Performance Indicators (KPI) einführen. KI bringt neue Erfolgsfaktoren (Zusammenarbeit, Teilen von Informationen, Lernen, etc.) welche durch neue KPIs erfasst werden müssen.
  3. Trainings- und Rekrutierungsstrategien entwickeln, welche die wichtiger werdenden Anforderungen (Kreativität, Zusammenarbeit, Empathie, Urteilsfähigkeit) abdecken.

Wichtig ist zudem die KI als Verbündete zu erkennen und zu nutzen und offen gegenüber dem Wandel zu bleiben, welche sie mit sich bringt. Denn was zu Zeiten Heraklits schon galt, gilt heute nach wie vor: «Die einzige Konstante ist die Veränderung».

Autoren: Lars Gisler, Ramon Schildknecht & Gabor Wehrmüller, Teilnehmende der Digital Leadership Blockwoche Februar 20 / Hochschule Luzern – Wirtschaft

Literaturverzeichnis

Chamorro-Premuzic, T., Wade, M., & Jordan, J. (2018). As AI Makes More Decisions, the Nature of Leadership Will Change. Abgerufen am 20.04.2020 von https://hbr.org/2018/01/as-ai-makes-more-decisions-the-nature-of-leadership-will-change

IEEE SA (2017). Ethically Aligned Design: A Vision for Prioritizing Human Well-being with Autonomous and Intelligent Systems, Version II. Abgerufen am 20.04.2020 von https://standards.ieee.org/industry-connections/ec/ead-v1.html

Jarrahi, M. H. (2018). Artificial Intelligence and the Future of Work: Human-AI Symbiosis in Organizational Decision Making. Business Horizons, 61 (4), pp. 577-586.

Kolbjørnsrud, V., Amico, R., & Thomas, R. J. (2016). How Artificial Intelligence Will Redefine Management. Abgerufen am 20.04.2020 von https://hbr.org/2016/11/how-artificial-intelligence-will-redefine-management

Wesche, J. S. & Sonderegger, A. (2019). When computers take the lead: The automation of leadership.” Computers in Human Behavior, 101, pp. 197-209.

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