11. Dezember 2023

Cybercrime,

Geldwäsche,

Wirtschaftskriminalistik

Bargeld – Fluch oder Segen?

Bargeld – Fluch oder Segen?

Von Dr. Claudia V. Brunner

Die Digitalisierung hat auch bei den Zahlungsmitteln ihre Spuren hinterlassen. In den vergangenen Jahren wurden Transaktionen zunehmend bargeldlos beglichen. Wie ist diese Entwicklung unter dem Aspekt der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zu beurteilen?

Nach der im Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel (WZG) statuierten Annahmepflicht sind in der Schweiz sämtliche Personen verpflichtet, bis zu 100 schweizerische Umlaufmünzen sowie unbeschränkt viele schweizerische Banknoten an Zahlung zu nehmen. Eine Strafbestimmung, um allfällige Verstösse gegen die erwähnte Annahmepflicht zu sanktionieren, besteht hingegen nicht.

Trend zur Verwendung von bargeldlosen Zahlungsmitteln

Die Verwendung eines jeden Zahlungsmittels bringt Vor- und Nachteile mit sich. Münzen sowie Banknoten sind die einzigen Formen des Zahlungsverkehrs, die sich ohne Beteiligungen durch Dritte aufbewahren lassen und nicht auf weitere Hilfsmittel, wie Strom oder digitale Programme, angewiesen sind. Ebenfalls handelt es sich um ein sicheres Zahlungsmittel, mit welchem Zahlungen umgehend erledigt werden können und das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre gewährleistet. Aufgrund seiner Anonymität eignet es sich aber auch, um zu (wirtschafts-)kriminellen Zwecken missbraucht zu werden. Beinhalten illegale Handlungen Geldtransaktionen, werden diese bei Möglichkeit mit Vorliebe mittels Bargelds abgewickelt. Dadurch können die Transaktionen kaum nachgewiesen und somit die Beteiligten weitgehend vor rechtlichen Konsequenzen bewahrt werden. Als Folge davon ist das Bargeld sowohl national als auch international zunehmend in Verruf geraten. Eine Studie der europäischen Zentralbank aus dem Jahr 2020 zeigte auf, dass ein genereller Trend weg vom Bargeld hin zur Verwendung von bargeldlosen Zahlungsmitteln besteht. Die Ergebnisse der Zahlungsmittelumfrage bei Privatpersonen durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) aus dem Jahr 2022 haben diese Tendenz bestätigt. Als Gründe für diese Entwicklungen gaben die Befragten die zunehmende Akzeptanz von bargeldlosen Zahlungsmitteln, den gesellschaftlichen Trend zur nachlassenden Bargeldnutzung sowie die Einfachheit von bargeldlosen Zahlungsverfahren an. Ein kleiner Teil ging überdies davon aus, dass Barzahlungen künftig nicht (mehr) erwünscht sein werden. Zweifelsohne tragen Einschränkungen bei der Verwendung von Münzen und Banknoten dazu bei, kriminelle Handlungen, wie beispielsweise Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung, einzudämmen. Doch ist es bei einer gesamthaften Betrachtung sinnvoll und richtig, in naher oder ferner Zukunft vermehrt, respektive vollständig auf Bargeld zu verzichten?

Abhängigkeit von technischen Infrastrukturen

Die rasant fortschreitenden Entwicklungen der vergangenen Jahre in der virtuellen Welt haben dazu geführt, dass sich die Cyberkriminalität zu einem attraktiven Geschäftsfeld entwickelte. Ebenfalls werden Cyberangriffe seit einigen Jahren auch zur Spionage sowie zur Sabotage eingesetzt. Welch verheerende Auswirkungen ein solcher Angriff haben kann, zeigte sich im Juni 2017, als eine Schadsoftware zahlreiche europäische Unternehmen sowie diverse weitere Organisationen, wie beispielsweise die ukrainische Zentralbank oder das Krenkraftwerk Tschernobyl, befiel und für weltweite Aufregung sorgte. Kommt es in einer solchen Situation zu einem Ausfall des elektronischen Zahlungsverkehrs, können Transaktionen einzig noch mit Bargeld vorgenommen werden. In welcher Abhängigkeit wir im Zeitalter der Digitalisierung von funktionierenden, technischen Infrastrukturen leben und welche Folgen deren Ausfall nach sich ziehen, wird vielen oft erst dann bewusst, wenn die Infrastrukturen tatsächlich nicht mehr funktionieren. Dies kann zu kritischen Situationen führen. So erklärte beispielsweise die damalige ukrainische Gesundheitsministerin, Ulana Suprun, dass sich ihr Büro im Jahr 2017 von einem Tag auf den anderen um 30 Jahre zurückversetzt gefühlt habe. Sofern die Arbeiten aufgrund des Ausfalls der technischen Infrastrukturen noch möglich waren, hätten diese mit Stift und Papier ausgeführt werden müssen. Meldete zum Beispiel ein Krankenhaus in einem der 24 Regionen der Ukraine einen Mangel an wichtigen Medikamenten, konnte das Ministerium nicht, wie bis anhin, eine E-Mail an sämtliche Regionen schicken, um die Bestände zu klären und Nachschub zu organisieren, sondern musste mit jeder Region einzeln telefonisch Kontakt aufnehmen. Medizinische Dokumente konnten den ukrainischen Staatsangehörigen nicht mehr ausgestellt werden, da das dafür benötigte System nicht mehr funktionierte.  

Notwendigkeit der Gesamtbetrachtung

In Anbetracht der Entwicklungen der vergangenen Jahre in Bezug auf Cyberangriffe ist davon auszugehen, dass solche Situationen künftig eher zu- als abnehmen. Auch die Digitalisierung dürfte in den kommenden Jahren weiter voranschreiten, was zu einer noch weitergehenden Abhängigkeit von technischen Infrastrukturen führen dürfte. Im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität darf der Fokus demnach nicht nur auf die Eindämmung der kriminellen Handlungen gelegt werden, sondern es sind dabei auch die Auswirkungen in Bezug auf die Fortführung der (Welt-)Wirtschaft im Krisenfall zu berücksichtigen. In diesem Sinne dürfte das Bargeld mehr Segen als Fluch sein. 

Autorin: Dr. Claudia V. Brunner

Rechtsanwältin Dr. Claudia V. Brunner ist verantwortlich für den Themenbereich Wirtschaftskriminalistik, Dozentin und Projektleiterin am Institut für Finanzdienstleistungen Zug der Hochschule Luzern sowie Partnerin bei Jositsch Brunner Rechtsanwälte. Sie verfügt über weitreichende Erfahrungen im Bereich Wirtschaftskriminalität, Compliance und Wirtschaftsstrafrecht. Zudem hat sie bei der BrunnerInvest AG ein Mandat als Vizepräsidentin des Verwaltungsrats inne, ist Vorstandsmitglied der SRO PolyReg und dort für das Schiedswesen verantwortlich.

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