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Chatbots in der Versicherungswirtschaft mit Insights der Helvetia Schweiz

Chatbots in der Versicherungswirtschaft mit Insights der Helvetia Schweiz
Chatbots in der Versicherungswirtschaft
30.07.2021, von Florian Nägele, Sophie Hundertmark & Prof. Dr. Florian Schreiber

Laut Florian Nägele (Helvetia Schweiz) sind Chatbots in der Versicherungswirtschaft bald schon nicht mehr nur ein Feature, sondern bilden auch neuartige Versicherungsprodukte. Chatbots, Voicebots, digitale Assistenten oder Conversational AI sind Schlagworte, Umschreibungen und Ausprägungen von dialogorientierten Self-Services und werden die Kundenbeziehungen in der Assekuranz schon in naher Zukunft grundlegend verändern und zu digitalen Produkten heranwachsen. Von Marktbeobachtern wird diese Entwicklung unter dem Buzz-Word «Conversational Insurance» zusammengefasst.

Erfolgreiche Prototypen weisen den Weg

«Geht das nicht schneller? Wie lange wollt ihr euer Projekt noch fortführen? Ist das nicht ineffizient? So gut ist euer Chatbot «Clara» doch auch wieder nicht, oder?» Dies sind nur Beispiele von kritischen Kommentaren, die Florian Nägele in den letzten Jahren neben vielen positiven Rückmeldungen in Bezug auf den Helvetia-Chatbot «Clara» erhalten hat.

Bei Helvetia gingen dem Chatbot-Projekt «Clara» mehrere Prototypen und Minimum Viable Products (MVPs) voraus. Diese wurden meist innerhalb wenigen Wochen realisiert. Die enorme Entwicklungsgeschwindigkeit und der klare Fokus auf die Kundenbedürfnisse führten schnell zu enormen Erkenntnisgewinnen. Laut Florian Nägele war dies rückblickend auch genau der richtige Ansatz, um mit einem Chatbot-Projekt zu starten. Ob man sich dabei eher auf transaktionale Anwendungsfälle, einen FAQ-Bot, natürliche Spracherkennung oder Klick-Bots konzentriert, ist zu diesem Zeitpunkt vermutlich noch gar nicht so entscheidend.

Chatbots an den Kernprozessen ausrichten

Die Helvetia Schweiz hat von Beginn an versucht, die Chatbots an ihren Kernprozessen auszurichten. So sollte direkt ein spürbarer Mehrwert für die Kunden geschaffen werden. Der erste Chatbot unterstützte die Generalagentur in Liestal (Kanton: Basel-Landschaft) mit einem Vertragserneuerungsangebot für Kunden mit auslaufenden Versicherungsverträgen. Die Erfolgsquote war unglaublich hoch. Die Hälfte aller angeschriebenen Kunden reagierte auf die Nachricht und davon schloss wiederum die Hälfte einen neuen Versicherungsvertrag ab. Damit hatte das Team nicht gerechnet. Umso höher war nun die Motivation, weiter zu machen. Anschliessend bot Helvetia ihren Kunden an, Fahrraddiebstähle via Chatbot zu melden und binnen 90 Sekunden eine Auszahlung der Schadensumme auszulösen. Dieser Anwendungsfall wird bis heute betrieben. Aktuell nutzen ca. 25% aller von einem Fahrraddiebstahl betroffenen Kunden das Angebot des Chatbots «Clara». Dank dieser Zahlen und der begeisterten Kundenrückmeldungen konnte das Team der Helvetia ein Projekt starten, um mittels Chatbot-Technologie die digitale Kundeninteraktion auszuweiten und neuartige Self-Services bereitzustellen.

Warum Conversational Insurance?

Die Assekuranz tut sich traditionell schwer damit, einfach mit ihren Kunden zu kommunizieren. Die Produkte sind wenig greifbar und müssen exakt beschrieben sein, damit weder falsche Erwartungen geweckt, noch langwierige Rechtsstreitigkeiten im Schadenfall entstehen. Kunden möchten es hingegen gerne leicht verständlich. Erst recht, weil der Erwerb von Versicherungsprodukten oftmals notwendig, aber nur selten attraktiv ist. Versicherungen und ihre Kunden haben also Schwierigkeiten eine gemeinsame Sprache als Basis ihrer Beziehung zu finden. Gelöst wird dieses Problem typischerweise durch Versicherungsberater. Diese verstehen die Produkte und die Bedürfnisse ihrer Kunden gleichermassen. Die Digitalisierung macht aber auch vor der Dreiecks-Beziehung Kunde – Kundenberater – Versicherungsunternehmen nicht Halt. Kunden hätten es gerne digital, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Versicherungsunternehmen möchten es gerne möglichst automatisiert und kostengünstig. Kundenberater sehen in diesem Umfeld ihre Perspektive verstärkt in komplexen Vorsorgelösungen, im Firmenkundengeschäft oder in anderen beratungsintensiven Produkten. Es braucht also neue, digitale Beratungs-, Verkaufs- und Service- Lösungen für Produkte wie Fahrzeug-, Haushalts- oder Gebäudeversicherungen. 

Anmerkung: Dies hat übrigens auch die AXA Schweiz festgestellt. Im Beitrag mit Harald Felgner geht es um die Digital Experience der AXA Schweiz, in welcher der Chat-Kanal ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.

Chatbots – Eine Frage der Zeit?

In nicht allzu ferner Zukunft werden wir allerlei Informationen, Produkte und Dienstleistungen ganz einfach über Sprach- und Text-Eingaben beziehen. Die Voraussetzungen hierfür sind smarte Endgeräte, weitverbreitete Interaktionsplattformen, hohe Übertragungsgeschwindigkeiten, unbegrenzte Rechenleistungen, eine hochgradige Vernetzung und intelligente Systeme, die passgenau auf unsere Anliegen reagieren. Weit entfernt scheint diese Welt nicht mehr zu sein. Es ist eine Frage der Zeit, bis sich digitale Assistenten auf dieser Grundlage nicht nur Zugang zu einigen Wenigen, sondern zum Grossteil der Kunden verschaffen werden. Ob die Versicherungswirtschaft auch dieses Mal relativ spät von der Innovationswelle getroffen wird, ist nicht unbedingt anzunehmen. Gerade ihre abstrakten und schwer verständlichen Produkte scheinen optimal geeignet, um mit Hilfe intelligenter Sprachsysteme einfach und bequem an die Bedürfnisse ihrer Kunden gekoppelt zu werden.

Ein gutes Beispiel hierfür sind die Unwetterschäden der vergangenen Wochen, von denen auch viele Helvetia-Kunden betroffen waren. Obwohl die Mitarbeitenden ununterbrochen Schadenmeldungen per Telefon entgegennahmen und bis zur Belastungsgrenze arbeiteten, mussten einige Anrufer dennoch Wartezeiten in Kauf nehmen. Der Chatbot «Clara» konnte hingegen auch in dieser Situation viele Kunden einfach, bequem und rund um die Uhr bei der Schadensmeldung unterstützen.

Chatbot Clara von Helvetia Schweiz
Abbildung 1: Chatbot «Clara»

Von einem Feature zum digitalen Versicherungsprodukt

Vor obigem Hintergrund wird vielleicht besser verständlich, warum sich das Chatbot-Team um Florian Nägele auch nach zweieinhalb Jahren Projektlaufzeit noch nicht auf das Ende zu bewegt. Heute finden Kunden Chatbots in der Regel auf Webseiten. Sie dienen als zusätzliches Feature, um digital-affine Besucher optimal zu bedienen und sind wahrscheinlich schon bald ein essentieller Bestandteil eines guten Web-Auftritts. In näherer Zukunft werden die Bots zunehmend stilprägend und somit die Wahrnehmung von Brands bestimmen, ganz egal ob hinter diesem ein etablierter Player oder ein InsurTech steht. Sobald diese Assistenten in immer mehr Fällen Versicherungskunden bei ihren Anliegen unterstützen, wird die Nachfrage nach ihren Dienstleistungen steigen und in der Folge auch die Erwartungshaltung der Kunden.

Warum sollte man also nicht Informationen zu Produkten beziehen, Preisvorschläge erhalten, Verträge abschliessen, Versicherungsschäden melden oder sogar von einem digitalen Assistenten vollumfänglich beraten werden? Sprechen wir dann noch von einem technischen Feature oder eher von einem digitalen Versicherungsprodukt? Und warum sollen diese Assistenten nur über Firmenwebseiten und nicht auch auf digitalen Plattformen wie Siri, Alexa, WhatsApp, Instagram oder ähnlichen Diensten zugänglich sein? Die nähere Zukunft wird zeigen, wohin die Reise gehen wird. 

Und jetzt? Was tun?

Viele Entwicklungen sind noch nicht klar absehbar und jede Geschäftsstrategie verlangt jeweils ein angepasstes Vorgehen. Nichtsdestotrotz scheint laut Florian Nägele ein «Abwarten» keine gute Alternative zu sein. Viel zu schnell entwickeln sich die Technologien weiter und die Versicherer sollten sich bald entscheiden, welches Know-how intern aufgebaut werden soll und in welchen Bereichen man via geschicktem Sourcing seine Ziele womöglich effizienter erreichen kann. Es scheint hier empfehlenswert zu sein, baldmöglichst eigene Erfahrungen im Bereich «Conversational Insurance» zu sammeln und sich nicht nur auf die Berichte von Experten und Beratern zu verlassen. Bei Helvetia wurde gerade erst entschieden das Chatbot-Projekt weiterzuführen, um «Clara» stetig weiterzuentwickeln.

Florian Nägele und das Team der Helvetia Schweiz glauben fest an «Clara»: «Irgendwann wird sie bei Helvetia die erste Ansprechpartnerin für viele Kunden sein, der man in mehreren Sprachen schreiben und sagen kann, welches Anliegen man gerade hat – und dann wird sie sich einfach und schnell darum kümmern und die Kunden begeistern.»

Neugierige können direkt hier auf der Helvetia-Webseite mit «Clara» chatten und sich beraten lassen – oder im Ernstfall auch ihren Schaden melden.

Seminar Conversational Banking und Insurance

Das IFZ bietet im kommenden Herbst zum zweiten Mal das Seminar Conversational Banking an. Unter der Leitung von Sophie Hundertmark und Prof. Dr. Nils Hafner lernen Sie einen Tag lang, wie Sie Chats und Messenger als neue Kommunikationskanäle erfolgreich in Ihrem Finanzunternehmen einführen können.

Alle Infos dazu und Anmeldemöglichkeiten hier.

Autor: Florian Nägele

Head Omnichannel & Touchpoint Management Kunden- und Marktmanagement, Helvetia Schweiz
florian.naegele@helvetia.ch

Autor: Sophie Hundertmark

sophie.hundertmark@hslu.ch

Autor: Dr. Florian Schreiber

florian.schreiber@hslu.ch

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