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Rückblick auf den IFZ Insurance Summit 2021

Rückblick auf den IFZ Insurance Summit 2021
18.06.2021, von Prof. Dr. Florian Schreiber

Der zweite IFZ Insurance Summit fand am 26. Mai 2021 im reinen Online-Format mit über 130 Teilnehmenden statt. Neben der Vorstellung der IFZ Versicherungsstudie 2021 gab es zahlreiche spannende Referate von Schweizer Versicherern, InsurTechs und Brokern. Einige Kernaussagen des Nachmittags fassen wir nachfolgend in unseren eigenen Worten zusammen.

Vorstellung der IFZ Versicherungsstudie 2021

Dr. Florian Schreiber, IFZ, Hochschule Luzern – Wirtschaft

Eine Kurzversion der IFZ Versicherungsstudie 2021 finden Sie hier.

Nachfolgend einige Impressionen des IFZ Insurance Summit 2021:

Impressionen IFZ Insurance Summit 2021
Impressionen des digitalen IFZ Insurance Summit 2021

Die Versicherungsindustrie im Wandel: Strategische Positionierung in Zeiten zunehmender Erwartungen

Juan Beer, CEO Zurich Schweiz

  • Im Gegensatz zu früheren Zeiten bestimmen mittlerweile die Kunden wie, wann und wo sie mit ihrem Versicherer in Kontakt treten wollen. Hierzu gesellen sich auch zunehmend Erwartungen weiterer Anspruchsgruppen: Der Mitarbeitenden, der Gesellschaft, der Umwelt und des Regulators. Nicht zu vergessen sind aus Sicht einer börsenkotierten Gesellschaft auch die Ansprüche der Aktionäre. Herausfordernd hierbei ist insbesondere, dass der Erfolg der Vergangenheit beim Übergang vom klassischen «Shareholder Value»- hin zu einem «Stakeholder Value»-Ansatz nicht einfach übertragen werden kann.
  • Die digitalen Ansprüche der Kunden sind vornehmlich im Privatkundenbereich zu spüren. Diese erstrecken sich von Self-Service-Dienstleistungen, On-Demand-Absicherungen bis hin zur 24/7-Erreichbarkeit an 365 Tagen im Jahr. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch einen beträchtlichen Anteil an Kunden, die eine «analoge» Betreuung wünschen. Unabhängig davon, ob Kunden digital oder analog unterwegs sind, ist festzustellen, dass die Versicherungsabdeckung typischerweise über mehrere Anbieter verteilt ist. Versicherer werden daher ihre analytischen Fähigkeiten ausbauen müssen, um optimale Produktkombinationen identifizieren und ihre Kunden loyalisieren zu können. So zeigen beispielsweise Studien der Zurich Schweiz, dass MF-Kunden durchschnittlich fünf Jahre bei der Zurich verbleiben. Je nach Produktekombinationen kann diese «Time on Book» in Richtung neun Jahre, 17 Jahre und in gewissen Konstellationen sogar 24 Jahre ausgebaut werden.
  • Ferner spürt die Assekuranz, dass andere Branchen versuchen, sich in der Versicherungswertschöpfungskette zu installieren. Beispielhaft sind unter anderem die Automobilindustrie und die Banken zu nennen. Dank des technologischen Fortschritts funktioniert Bancassurance in einer Vielzahl von Ländermärkten (beispielsweise in Spanien, in der Türkei, in Deutschland, in Lateinamerika etc.). Die Frage lautet daher: Warum soll es in der Schweiz nicht funktionieren? Banken müssen aufgrund des Tiefzinsumfelds, Wettbewerbsdruck und der damit einhergehenden Margenerosion neue Geschäftsfelder identifizieren und Versicherungsunternehmen bieten sich diesbezüglich als passender Partner an (weitere Infos zur Bancassurance-Kooperation zwischen der Zurich Schweiz und der UBS finden Sie hier und hier).

Herausforderungen im Risikomanagement

Remo Cavegn, Chief Risk Officer, Allianz Suisse

  • Die COVID 19-Pandemie hat die Versicherer auf verschiedene Art und Weise beeinflusst. Neben der kurzfristigen Volatilität der Finanzmärkte ist insbesondere die unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Versicherungszweige hervorzuheben. So ist beispielsweise im Bereich Einbrüche und Diebstähle im Jahr 2020 zunächst ein ähnliches Schadenmuster wie in den Vorjahren zu beobachten. Mit Beginn des Lockdowns sind die Diebstähle jedoch massiv zurückgegangen und haben somit zu einer geringeren Schadenlast geführt. Sehr starke Anstiege verzeichneten hingegen die Zweige Pandemieversicherung und Unfall bzw. Kranken. Ebenso tragen ein verändertes Mobilitätsverhalten und die grossflächige Nutzung von Home-Office zu veränderten Risikolandschaften bei.
  • Diese vielschichtigen Herausforderungen erfordern eine Weiterentwicklung der Risikofunktion. Bislang ist diese typischerweise auf die Beobachterrolle und weniger auf die Rolle als aktiver Partner der Fachabteilungen beschränkt. Mit der Einführung des SST und Solvency II wurde der Fokus auf die Berichterstattung der finanziellen Risiken gelegt. Versicherer müssen sich jedoch weiterentwickeln und Risiko nicht ausschliesslich als Gefahr, sondern vor allem auch als Chance betrachten. Der Weg zum strategischen Partner kann in drei Bausteine aufgegliedert werden: 1. Effektivität der Risikofunktion, 2. Risikokultur und 3. Risikoappetit und -strategie.
  • Als Schlussfolgerung ist festzuhalten, dass COVID 19 Trends beschleunigt hat und einer der zentralen Treiber von Risiko-Einflussgrössen ist. Konkret nimmt die Wichtigkeit von nicht-finanziellen Risiken zu. Ebenso sind strategische und Transformationsrisiken die kritischen Grössen für den langfristigen Erfolg.

Der Geist in der Maschine: Wie die digitale Transformation den Vertrieb verändert

Dr. Holger Rommel, Head Research & Digital Transformation, ti&m

  • Omni-Kanal bedeutet heutzutage nicht zwangsläufig, dass Versicherer alle Kanäle gleichmässig bespielen. Vielmehr ist es so, dass der Abschluss und Verkauf mehrheitlich über persönliche Berater erfolgt, wohingegen die technischen Kanäle zumeist der Information der Kunden dienen. Im Rahmen einer internen Studie wurde untersucht, ob Online-Abschlüsse im Bereich von Vorsorgelösungen heute bereits nahtlos möglich sind.
  • Untersuchungsgegenstand der Studie waren acht namhafte Schweizer Versicherer. Der Online-Prozess im Vorsorgebereich ist über alle Anbieter hinweg nahezu identisch aufgebaut, das heisst zu Beginn können verschiedene Informationsmaterialen angesehen und die persönlichen Angaben anschliessend in einen Vorsorgerechner eingegeben werden. Letztere unterscheiden sich hingegen deutlich in ihrem Detaillierungsgrad. Nach Abschluss des Vorsorgechecks erscheint bei allen Versicherern eine Aufforderung, einen persönlichen Beratungstermin zu vereinbaren. Und zwar gemäss Wortlaut: «Wir melden uns bei Ihnen». Aus Kundenperspektive stellt dies jedoch einen eklatanten Bruch in der Customer Journey dar, da just im Moment des grössten Interesses das Letztere zurückgewiesen wird.
  • Die Ergebnisse zeigen ein ähnliches Bild: Lediglich die Hälfte der kontaktierten Versicherer haben eine sofortige Reaktion auf die Anfrage gezeigt. Drei der vier Gesellschaften taten dies via automatisiertem, unpersönlichen Mail und ein Versicherer mittels eines persönlichen Anrufs (und sofortiger Terminvereinbarung mit einem Spezialisten). Erstaunlicherweise gab es von den anderen Versicherern keine Sofortreaktion, das heisst der Kunde wurde im Unklaren über den weiteren Verlauf gelassen. Zwei der acht Versicherer meldeten sich überhaupt nicht. In einer immer stärker technologisierten Welt gilt es jedoch, institutionelles Vertrauen und das volle Leistungsangebot über alle Kanäle nach aussen zu tragen. Ein onlineorientierter Vertriebsprozess könnte dabei helfen, die Abschlusswahrscheinlichkeit der Kunden deutlich zu erhöhen.

Panel Discussion: Versicherungsvertrieb – Sind Plattformen und Ökosysteme die Zukunft?

Dr. Marco Adelt, Co-Founder & Managing Director, CLARK
Dr. Evangelos Avramakis, Head Digital Ecosystems R&D, Swiss Re
Philippe Blank, Head Omnichannel & Digital Business, AXA Schweiz
Jean-Michel With, Chief Market Officer, ASSEPRO und Vorstandsmitglied der Swiss Insurance Brokers Association

  • CLARK feiert im Juni 2021 sein sechsjähriges Jubiläum und konnte jüngst den 300. Mitarbeitenden begrüssen. Das deutsche InsurTech fungiert als Online-Makler und konnte zu Jahresbeginn eine weitere Finanzierungsrunde über 69 Millionen Euro erfolgreich durchführen (unter anderem Tencent). Dr. Marco Adelt führte aus, dass der hybride Ansatz von CLARK (das Hinzuziehen von persönlicher Beratung durch Fachexperten bei komplexen Fragestellungen) das Erfolgsrezept darstellt und den Onlinevertrieb entscheidend bereichert. Diese persönliche Beratung wird entweder direkt via On-Demand durch die Kunden initiiert (in Form von Messenger, Audio- oder Videoberatung) oder geschieht durch das digitale Produkt aufgrund seiner Komplexität selbst. In Kombination mit einer ausgeklügelten Personalisierung in der Ansprache der Kunden gelingt es auch mit einem solchen digitalen Ansatz das notwendige Vertrauensverhältnis zu den Kunden aufzubauen.
  • Dr. Evangelos Avramakis ist davon überzeugt, dass sich Versicherer überlegen müssen, wie sie in Plattformansätze anderer Unternehmen integriert werden können. Auf der anderen Seite ist die Branche auch gefordert, Plattformen zu kreieren, um einen gewissen Teil des Geschäfts selbst zu orchestrieren. Im heutigen Marktumfeld sind digitale Vertriebskanäle im Vergleich zum persönlichen Vertrieb ein Nebenschauplatz und es gibt nur wenige Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern. Digitale Ökosysteme funktionieren hingegen anders: In diesen sind die Touchpoints vornehmlich digital und auch die Generierung von Insights (Beobachtung von Kundenverhalten etc.) findet nahezu rein digital statt. Wenn Versicherer relevant bleiben wollen, muss das Kundenverhalten im Fokus stehen, um anschliessend hierauf basierend passende Produkte entwickeln zu können (beispielsweise im Bereich Mobilität).
  • Diese Ansicht vertritt auch Philippe Blank, der davon ausgeht, dass digitale Ökoysteme Versicherern die Chance bieten, die Bedürfnisse der Kunden besser zu verstehen. Da komplexe Versicherungsangelegenheiten zwischen Mensch und Mensch am besten diskutiert und evaluiert werden können, ist der anschliessende Dialog zwischen Kunde und Berater von ausserordentlicher Wichtigkeit. Entscheidend hierfür ist allerdings, dass der Aussendienst nahezu in Echtzeit mit den relevanten Daten versorgt wird, was bei der AXA Schweiz durch moderne CRM-Systeme heute bereits erfolgt. Der Einstieg von IKEA und Migros in das Versicherungsgeschäft trägt zum Wettbewerb bei und gibt der AXA Schweiz die Chance, mit Vertrauen und Sympathie in der persönlichen Kundenbeziehung zu punkten.
  • Die vorrangig im Unternehmensgeschäft tätigen Broker verspüren ebenfalls das grosse Bedürfnis ihrer Kunden nach einem persönlichen Ansprechpartner. Jean-Michel With betonte jedoch auch, dass die Kunden dennoch erwarten, dass Broker ihre Prozesse digitalisiert abwickeln. Hinsichtlich digitaler Ökosysteme ist festzuhalten, dass der Schweizer Brokermarkt relativ stark atomisiert ist. Er erwartet über die nächsten Jahre hinweg jedoch eine zunehmende Konzentration, welche zum einen von notwendigen Nachfolgeregelungen getrieben wird. Zum anderen werden sich insbesondere kleinere Brokervertreter vermutlich auch Plattformen anschliessen, um relevant zu bleiben.

Digitale Transformation im Gesundheitswesen – Farce oder Rettung?

Dr. Andreas Schönenberger, CEO, Sanitas-Gruppe

  • Ein wichtiges Thema im Gesundheitswesen ist der Datenschutz. Länder wie Taiwan und Südkorea haben ihren Datenschutz während der COVID 19-Pandemie reduziert, um die Verbreitung des Virus schon im frühen Stadium zu reduzieren. Eine von Sanitas durchgeführte Befragung der Schweizer Bevölkerung zeigt, dass 45% bereit wären, den Datenschutz in Zeiten einer Pandemie vorübergehend zu lockern. Im Vergleich zwischen den Geschlechtern sind die Frauen zurückhaltender (40% vs. 51% der Männer), was auch für die junge Generation (36%) im Vergleich zur älteren Generation über 55 Jahren (55% Zustimmung zur vorübergehenden Lockerung des Datenschutz) zutrifft.
  • Sanitas hat sich zum Ziel gesetzt, die Kundenschnittstelle zu digitalisieren und dadurch die Convenience zu erhöhen. Mittels digitaler Services will der Krankenversicherer auch zu einem gesünderen Leben der Versicherten beitragen. So bietet deren Portal-App «Meine Versicherung» eine Vielzahl digitaler Instrumente, um die Customer Journey zu erleichtern. Hierzu zählen beispielsweise eine Chat-Funktion sowie die digitale Versicherungskarte, welche den Kunden erlaubt sich via Mobile beim Leistungserbringer zu identifizieren. Pro Jahr finden circa 900’000 Kundenkontakte statt. Für die integrierte Rechnungs- und Zahlungsabwicklung hat Sanitas Gold & Silber des «Best of Swiss Award 2020» in der Kategorie «einfach bezahlen» gewonnen.
  • Generell hat sich das Volumen der Leistungsabwicklung über die letzten Jahre stetig erhöht. Mittlerweile sind 70% aller ankommenden Belege elektronisch. Um dies bewältigen zu können ist eine digitalisierte Automatisierung unerlässlich. Hierzu mussten zunächst die zugrundeliegenden Regelwerke verfeinert und vernetzt werden. Mittels des Swiss Repatha Blockchain-Projekts konnte anschliessend der Erstattungsprozess schneller, sicherer und weniger aufwändig abgewickelt werden. Und zu guter Letzt wurde das Thema Pflegecontrolling durch einen digitalen Prozess mit Expertenkonsultation ersetzt, was in einer knapp 13%-igen Aufwandsreduktion resultierte.

Studienbestellung

Die knapp 300-seitige «IFZ Versicherungsstudie 2021» kostet 290 Franken und kann unter ifz@hslu.ch bestellt werden.

Eine Vorschau der Studie finden Sie bitte hier.

Danke an unsere Partner für die Unterstützung!

IFZ Insurance Summit 2022 – Save the Date!

Der IFZ Insurance Summit 2022 findet am Mittwoch, den 11. Mai 2022 am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ in Rotkreuz statt!

Eine Anmeldung ist ab sofort hier möglich.

Wir freuen uns Sie dann wieder persönlich bei uns begrüssen und aktuelle Themen der Assekuranz mit Ihnen diskutieren zu dürfen!

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