25. November 2020
Die Digitalisierung im Anlagegeschäft wird immer bedeutsamer. Während es zahlreiche (auch) Schweizer Studien mit Fokus auf verschiedene Marktanbieter gibt, ist das Wissen in Bezug auf das Verhalten und die Wünsche der Schweizer Anlegerinnen und Anleger im Bereich der Digitalisierung noch eher knapp. Die vorliegende Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern im Auftrag von Raiffeisen und Vontobel hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Nachfragesicht stärker zu beleuchten. Im Rahmen dieser Studie wurden über 1‘200 Schweizerinnen und Schweizer zwischen 18 und 79 Jahren in allen Landesteilen befragt. Der heutige Blog-Artikel fasst einige wichtige Erkenntnisse zusammen.
Durch die Entwicklung neuer Technologien und das veränderte Kundenverhalten wandeln sich auch Prozesse, Produkte und Beratungsansätze auf dem Gebiet der Anlageberatung. So hat sich die Anzahl an Angeboten im Bereich des digitalen Anlegens in den vergangenen Jahren – trotz einigen Marktaustritten – hierzulande weiter erhöht. Einerseits sind verschiedene FinTech-Start-ups mit neuen Geschäftsmodellen in diesen Markt vorgedrungen. Andererseits reagieren zunehmend auch etablierte Banken auf die entsprechenden Entwicklungen und lancieren unterschiedliche digitale Anlagelösungen. Diese derzeit im Markt verfügbaren 18 Angebote unterscheiden sich teilweise ziemlich stark. Auch der Übergang zwischen «echten» Robo Advisory Lösungen und der digital unterstützten, klassischen Vermögensverwaltung ist zunehmend fliessend.
Wie gross ist der Anteil an Schweizerinnen und Schweizer, welche derzeit im Besitz von Wertschriften ist?
Die Teilnehmenden wurden in einem ersten Schritt gefragt, ob sie jemals im Besitz von Wertschriften waren oder aktuell noch in Wertschriften investiert sind. Dabei gaben 41% der Teilnehmenden an, noch nie in Wertschriften investiert zu haben, wobei der Anteil von «Nicht-Investoren» bei den Frauen (52%) deutlich höher ist als bei den Männern (31%). Die restlichen 59% der Befragten, die wir als «Investoren» bezeichnen, haben entweder früher investiert (17%) oder besitzen aktuell Wertschriften (42%). Der Entscheid, nicht zu investieren, wird von den Befragten mehrheitlich mit fehlendem Kapital (47%) und/oder mangelndem Interesse (44%) begründet. Konsistent mit diesen Aussagen nimmt der Anteil der Investoren in unserer Stichprobe mit höherer Bildung, steigendem Einkommen und Finanzvermögen sowie mit dem Alter deutlich zu. Frauen in unserer Stichprobe haben ein durchschnittlich tieferes Einkommen und Finanzvermögen und zeigen zugleich ein insgesamt eher geringes Interesse an den Finanzmärkten. Auffällig ist auch, dass ein überwiegender Teil der jüngeren Generation an Frauen bis anhin noch keine Erfahrungen mit Investitionen an Finanzmärkten gemacht hat. Des Weiteren ist interessant, dass Personen in der Deutschschweiz deutlich häufiger in Wertschriften investieren als Personen aus der Westschweiz oder dem Tessin.
Welche Kundentypen nutzen digitale Anlagelösungen?
Unsere Umfrage zeigt, dass 8% aller Investoren – Investoren sind definiert gemäss obigem Abschnitt als diejenigen 59% der Befragten, welche entweder früher investiert haben oder aktuell Wertschriften besitzen – bereits digitale Anlageprodukte in verschiedenen Ausprägungen nutzen. Weitere 16% lassen sich als «potenzielle Nutzer» klassifizieren, welche sich grundsätzlich vorstellen können, solche Angebote zu nutzen. 55% aller Investoren kennen aktuell noch keine konkreten «digitalen Anlageprodukte». 22% aller Investoren geben an kein Interesse an solchen Produkten zu haben.
Der typische Nutzer digitaler Anlagelösungen ist gemäss dieser Studie ein gut gebildeter, besserverdienender und vermögender Mann. Das Durchschnittsalter eines Nutzers von digitalen Anlageprodukten liegt bei knapp 50 Jahren. Der typische potenzielle Nutzer unserer Stichprobe hat ein ähnliches Profil, ist aber eher etwas weniger vermögend.
Welcher Anlegertyp investiert in digitale Vermögensverwaltungsprodukte?
Interessant ist auch die Frage nach dem Anlegertyp. In Anlehnung an den LGT Private Banking Report (Cocca, 2014) wird dabei typischerweise zwischen drei Anlegertypen unterschieden: Soloisten (Anlageentscheid wird eigenständig getroffen), Validatoren (Anlageentscheid wird zusammen mit dem Berater getroffen) und Delegatoren (Anlageentscheid wird komplett delegiert). Unsere Studie zeigt, dass die Mehrheit der Schweizer Investoren Validatoren sind (56%), während 34% die Anlageentscheidungen eigenständig treffen (Soloisten) und 10% die Anlageentscheidungen komplett dem Anlageberater überlassen (Delegatoren). Der Anteil der Soloisten ist dabei unter den Männern deutlich höher als unter den Frauen (42% gegenüber 21%).
Die meisten digitalen Anlagelösungen sind als Vermögensverwaltungsmandate konzipiert. Entsprechend würde man erwarten, dass vor allem der Investorentyp der Delegatoren diese Angebote attraktiv finden. Unsere Resultate zeigen hingegen auf, dass es unter der Gruppe der Soloisten rund doppelt so viele (potenzielle) Nutzer gibt als unter den Validatoren oder Delegatoren. Ein erster Grund für diese Erkenntnis könnte darin liegen, dass sich Soloisten mehr für Finanzmärkte interessieren als die anderen Anlegerprofile und möglicherweise auch etwas preissensitiver sind. Zudem zeigen die Analysen, dass Personen mit einer höheren Risikoneigung – und Soloisten gehören zu dieser Gruppe – eher dazu bereit sind, in digitale Anlageprodukte zu investieren als ausgewogene oder risikoaverse Anlegerinnen und Anleger. Gleichzeitig wäre es aber auch interessant, solche Produkte dem Anlegertyp der Delegatoren zu erläutern und anzubieten. Derzeit hat nämlich mehr als die Hälfte dieser Personen (61%) noch nie von solchen digitalen Anlagelösungen gehört.
Die Entwicklungen im Bereich der digitalen Anlagelösungen waren in den vergangenen Jahren in Bezug auf die Volumenzahlen nicht für alle Teilnehmenden befriedigend. Woran liegt das?
Generell kann festgestellt werden, dass eher wenige Schweizerinnen und Schweizer wirklich finanzaffin sind. So hat mehr als die Hälfte der Befragten in unserer Umfrage angeben, sich gar nicht oder nur wenig für Finanzmärkte zu interessieren. Nur eine von vier Personen hat ein starkes bis sehr starkes Interesse für die Finanzmärkte. Darunter befinden sich überproportional viele Männer, Pensionierte, in der Deutschschweiz wohnhafte Personen sowie Personen, die über einen Hochschulabschluss verfügen und vermögend sind.
Des Weiteren zeigt sich, dass digitale Anlagelösungen – auch im Vergleich zum Ausland – bei vielen Schweizerinnen und Schweizern immer noch wenig bekannt sind. Nur 13% aller Befragten (und 18% der Investoren) geben an, leichte bis gute Kenntnisse zu diesen Produkten zu haben. Noch am ehesten vertraut mit diesen neuen digitalen Angeboten sind Männer, Personen mit einer gewissen Vermögensgrösse und der Investorentyp der Soloisten. Dabei haben ältere Personen – im Gegensatz zur immer wieder gehörten These – sogar bessere Kenntnisse über diese Produkte als jüngere Generationen. Entscheidend für die Produktekenntnis ist aber weniger der Faktor des Alters als derjenige des Vermögens.
Auch das Vertrauen spielt im Bereich der digitalen Anlagelösungen eine grosse Rolle. So kann sich die Mehrheit der potenziellen Nutzer vorstellen, künftig eher bei einem etablierten Anbieter als bei einem FinTech-Start-up digital zu investieren. Gemäss unseren Ergebnissen ist es vor allem für die Anlegergruppe der Delegatoren wichtig, dass das Angebot von der Hausbank stammt. Dies ist sogar wichtiger als die Preisgestaltung oder die Einfachheit des Produkts. Auch hinsichtlich Bekanntheit schneiden unter den existierenden Angebote jene der etablierten Finanzdienstleister besser ab.
Ausblick Digitales Anlegen 2025
Die bisherigen Volumenentwicklungen sind etwas hinter den Erwartungen vieler Marktteilnehmenden zurückgeblieben. Durch die zunehmende Angebotsvielfalt und vor allem durch den Einstieg oder zu erwartenden Einstieg von grossen Marktteilnehmern mit einer grossen Kundenbasis, gehen wir aber davon aus, dass sich dieser Markt in den nächsten Jahren schneller entwickeln wird als in der Vergangenheit. Wir erwarten dies einerseits, weil durch den Einstieg von grossen Banken (z.B. der Raiffeisenbank oder der Credit Suisse) in den Markt die Bekanntheit dieser Produkte steigen wird. Auf der anderen Seite hat die Umfrage gezeigt, dass das Interesse an solchen Produkten durchaus vorhanden ist und sich viele Anleger ein Angebot der Hausbank wünschen. Insgesamt gehen wir davon aus, dass sich solche Produkte in den nächsten Jahren zunehmend als Standardangebote bei vielen Banken etablieren werden und sich das Volumen entsprechend erhöhen wird. Gleichzeitig werden solche Lösungen in den nächsten fünf Jahren – bei einer Betrachtung des gesamten Anlagevolumens – hierzulande in einer Nische verbleiben.
Säule 3a – Situation
In Bezug auf die Säule 3a sehen wir, dass diese heute noch nicht optimal genutzt wird. Vor allem Frauen, auch besserverdienende, nutzen diese steuerbegünstige Möglichkeit derzeit noch vergleichsweise wenig. Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass rund die Hälfte der 3a-Bankkunden (fast) ausschliesslich «Cash» sparen. Frauen scheinen mit einem im Durchschnitt leicht höheren Cash-Anteil etwas risikoscheuer zu sein als Männer. Sinnvoll scheint es, wenn vor allem auch jüngere Personen mit einem längeren Anlagehorizont einen gewissen Wertschriften-Anteil halten würden. Unsere Studienresultate zeigen diesbezüglich aber keine klaren Erkenntnisse auf. Unsere Resultate weisen hingegen darauf hin, dass noch immer (zu) viele Personen (25%) zu wenig über ihre Vorsorgeoptionen wissen und teilweise nicht einmal wissen, wie hoch der ungefähre Wertschriftenanteil ihres Vorsorgekontos ist. Entsprechend scheint wichtig, dass Anbieter von solchen Lösungen nicht nur auf ihre Produktelösung fokussieren, sondern auch in die «Ausbildung» oder Beratung ihrer (potenziellen) Kunden investieren. Grundsätzlich gehen wir aber davon aus, dass es sich bei der privaten Vorsorge um einen Wachstumsmarkt handelt, dessen Entwicklung mit Hilfe von digitalen Lösungen weiter an Fahrt gewinnen dürfte. Gerade digitale Lösungen ermöglichen hoch standardisierte und gleichzeitig auch individualisierbare Lösungen zu kostengünstigeren Preisen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich bereits heute knapp einer von vier Schweizerinnen und Schweizern vorstellen kann, einen Teil des Vorsorgegeldes in den nächsten 12 Monaten digital anzulegen. Entsprechende digitale Angebote finden vor allem Anklang bei Männern, jüngeren Personen, überdurchschnittlich gutverdienenden und vermögenden Menschen sowie Personen, die in der Deutschschweiz leben.
Die Landing Page der Bank Vontobel mit verschiedenen Analysen finden Sie hier.
Die Landing Page von Raiffeisen finden Sie hier.
Eine Infographik finden Sie hier
Kommentare
5 Kommentare
So wird die digitale Vorsorge-Lösung frankly bislang genutzt | IFZ Retail Banking Blog
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[…] Nutzer sind weiblich. Diese eher tiefe Zahl überrascht nur auf den ersten Blick. Wie wir in der gemeinsam mit Raiffeisen und der Bank Vontobel publizierten Studie aufgezeigt haben, haben Frauen einerseits einen höheren Cash-Anteil als Männer. frankly ist vor […]
Vertrauen in digitale Anlageangebote wächst in der Schweiz | Fintech Schweiz Digital Finance News - FintechNewsCH - DeasileX
29. November 2020
[…] der neuen «Studie Digitales Anlegen in der Schweiz – ein Markt mit Potenzial» des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern, liegt das grösste […]
Yves
26. November 2020
Zitat: Rund zwei Drittel aller Investoren (55%) kennen aktuell noch keine konkreten «digitalen Anlageprodukte» 55% ist meilenweit von 2/3 entfernt, einfach mal so.
Prof. Dr. Andreas Dietrich
26. November 2020
Danke für den Hinweis! Habe ich angepasst.
Martin Schwizer
25. November 2020
Interessant wäre, diese 8% der Investoren welche digitale Erfahrung haben, näher zu analysieren. Es muss sich um einen marginalen Teil ihrer Assets handeln. Ansonsten würde es das Angebot massiv übersteigen.
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.