Rückblick auf die Konferenz Innovationen im Banking 2023
Bei der diesjährigen Konferenz „Innovationen im Banking“ am IFZ haben wir mit rund 120 Gästen und 10 Referentinnen und Referenten spannende Entwicklungen im Schweizer (und Deutschen) Bankenmarkt diskutiert.Die Konferenz konzentrierte sich auf die Themen Open Banking, Metaverse und Touchpoints. Dazu wurde die digitalste Retailbank im Privatkundengeschäft ausgezeichnet. In unserem heutigen Blog fassen wir die wichtigsten Aussagen zusammen.
Abbildung 1: Impressionen der Konferenz
Begrüssung und Vorstellung der Studie «Die digitalsten Retailbanken der Schweiz» Prof. Dr. Andreas Dietrich, IFZ der Hochschule Luzern
Andreas Dietrich stellt die Studie «Die digitalsten Retailbanken der Schweiz» vor, welche die Hochschule Luzern in Kooperation mit e.foresight erstellt hat. Eine Zusammenfassung der Studie finden Sie hier.
Open Banking in der Schweiz Sven Siat, SIX (Product Lead bLink)
Der Bundesrat beauftragte Ende 2022 das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) damit, Massnahmen im Bereich Open Banking zu erarbeiten, falls die Finanzbranche ihre Schnittstellen gegenüber Endkunden nicht ausreichend öffnet. Als erste Reaktion (auch darauf) haben nun mehr als 20 Banken kommuniziert, das Thema Multibanking für Privatkunden anzugehen.
Neben diesem Multibanking Case für Retail Kundinnen und Kunden sieht Siat weitere vielversprechende Initiativen, welche möglicherweise bereits ab 2024 weitere APIs und Anwendungsfälle generieren könnten:
Künftig soll es möglich sein, auch KMU-Offline-Buchhaltungssoftwares an bLink anzuschliessen. Viele Schweizer KMU verwenden noch solche ältere Buchhaltungsprogramme.
Auch das Thema Tax API ist ein wichtiges Thema. Können wir künftig per Knopfdruck alle Finanzdaten direkt in die Steuererklärung integrieren?
Bisher noch nicht optimal gelöst sind die Informationen der Kartenindustrie. Hier laufen derzeit Projekte rund um das Thema «Card API».
Der Fokus liegt in der Schweiz aktuell auf den Banken – die Öffnung soll aber auch in Richtung der anderen Finanzakteure gehen (Pensionskassen, Versicherungen). In diesem Bereich läuft derzeit noch sehr wenig.
Divizend – Digitale Quellensteuerrückerstattung für Retail-Anleger Thomas Rappold, CEO Divizend Suisse GmbH
Divizend hilft, auf digitalem Weg Quellensteuern zurückzuerstatten. Viele private und teilweise auch institutionelle Investoren fordern diese aufgrund der Komplexität und des Aufwands nicht zurück, obwohl sie Anrecht darauf haben (komplizierte Formulare, verschiedene Regeln, je nach Land, etc.). Dies reduziert die Rendite auf ausländischen Wertpapieren.
Bei Divizend können Privatkunden im Selbstservice und mit einem stark digitalisierten Prozess die Quellensteuer zurückholen. Als Gebühr verlangt das Startup bei Privatkunden eine Gebühr von 17.5%.
Die Plattform hat im ersten Jahr bereits über 5’000 B2C Kunden. Zukünftig sollen das Modell aber zusätzlich auch im Bereich B2B2C eingesetzt werden können.
Digitaler Bank-Shop: Digital Twin einer Bankfiliale und Zukunftsmodell von Finance Axel Schardt, Leiter Vertriebskanal-Management, Degussa Bank Andrea Buchholz, Project Manager, Degussa Bank
Degussa ist eine Universalbank aus Deutschland, welche das Retail Banking zusammen mit grossen Unternehmen (z.B. aus der Industrie) an deren Standorten mit physischen Filialen betreibt. In den letzten Jahren ist die Anzahl der Filialen vor Ort jedoch stark zurückgegangen, von ursprünglich 300 auf etwa 60. Als Alternative hat Degussa eine digitale Bankfiliale aufgebaut. Die Degussa Version ist hier zu sehen. Für die Partnerunternehmen sind diese jeweils im Design der entsprechenden Unternehmen gehalten. Im Moment betreibt Degussa 85 solche verschieden «gebrandeten» Online-Filialen.
Seit der Lancierung im Sommer 2021 wurden die digitalen Filialen von der Kundschaft stark genutzt. Degussa hatte durch ihre digitale Filiale etwa 174’000 Filial-Besuche sowie 10’400 Kundenkontakte (z.B. Terminbuchungen, Videotelefone, Telefone, Chats) generieren können. Die Conversion Rate (Abschlüsse) in der digitalen Welt ist gemäss Angaben der Referierenden etwas höher als in den physischen Filialen.
Die virtuelle Bankfiliale von Degussa besteht aus mehreren Räumen, die sich auf zwei Etagen erstrecken und in denen man sich durch Navigation bewegen kann. Zusätzlich zur eigenen Nutzung vermietet Degussa auch Räume in den digitalen Filialen an verschiedene Unternehmen wie Reiseanbieter oder Kaffee-Röster. Dabei haben diese Unternehmen die Möglichkeit, die Räume nach ihren individuellen Vorstellungen zu gestalten, einschliesslich der Auswahl der Materialien und der Beleuchtung.
smile.meta Experience: Wie Versicherung erleb- und spürbar wird Joséphine Chamoulaud, CMO smile-direct.com, Smile Versicherung
Smile ist die grösste Online-Versicherung in der Schweiz und orientiert sich in vielerlei Hinsicht an anderen Branchen und deren Ideen. Es wurden bereits erfolgreich subscription-basierte Versicherungsmodelle, freemium Geschäftsmodelle (wie die kostenlose Shoppingversicherung) sowie kurze Kündigungsfristen getestet und eingeführt.
Smile hat das Ziel, im Metaverse Erlebnisse für alle Nutzerinnen und Nutzer zu schaffen. Dabei spricht das Unternehmen bewusst nicht nur Kunden und Kundinnen an, sondern alle interessierten Personen. Wichtig aus Sicht des Versicherers ist es auch, die Technologie im Metaverse zu erkunden und erste Erfahrungen damit zu sammeln.
Smile hat im Metaverse einen Raum für virtuelle Beratungen sowie einen öffentlichen Bereich eingerichtet. Der Zugang zum Beratungsraum erfolgt nur auf Einladung. Derzeit werden im Metaverse nur etwa 1-3 Beratungsgespräche pro Woche durchgeführt. Dies bedeutet auch, dass der Vorbereitungsaufwand für die Kundenberaterinnen und Kundenberater bei Metaverse-Beratungen noch sehr hoch ist.
Chat GPT bei Helvetia Nadine Sonderegger, Conversational Marketing Manager, Helvetia Versicherungen
Helvetia hat kürzlich einen Chatbot eingeführt, der auf ChatGPT basiert. Erste Tests wurden Anfang März durchgeführt und Ende März 2023 wurde der Chatbot bereits offiziell gestartet.
Im Rahmen dieser Einführung wurden alle Inhalte der Helvetia-Website in eine Vektordatenbank übertragen. Wenn eine Anfrage eingeht, wird diese über den Chatbot abgewickelt, wobei er auf den Informationen basiert, die zuvor auf der Website von Helvetia verfügbar waren.
Zu Beginn gab es viele Kundinnen und Kunden, die die Grenzen des Chatbots ausloteten, indem sie sinnlose Fragen stellten oder Fragen stellten, die keinen Bezug zur Versicherung hatten. Inzwischen stellen jedoch auch viele Personen konkrete Fragen, wie zum Beispiel, wann es sich lohnt, eine Versicherungsdeckung abzuschliessen oder ob ein bestimmter Schaden von der Versicherung gedeckt ist. Ein Problem besteht darin, dass der Inhalt auf der Website nicht immer ausreichend als Grundlage für Antworten an die Kundinnen und Kunden dient.
Filiale as a service – neue Chancen im Retail Banking Simon Treichler, Leiter Geschäftsentwicklung PostNetz
Vor 19 Jahren gab es noch 2.500 Post-Filialen, während heute nur noch 772 existieren. Um das Netzwerk rentabel zu machen, verfolgt die Post die Strategie, die Filialen in Dienstleistungszentren umzuwandeln. Diese Dienstleistungszentren sind speziell für fünf strategische Partner geöffnet: Banken, Versicherungen, Krankenkassen, Gesundheitsdienstleister und Behörden (mehr dazu in meinem Blog-Artikel). Die Gebührenstruktur für diese Partner setzt sich im Wesentlichen aus drei Komponenten zusammen: einer Grundgebühr, einer Nutzungsgebühr (z.B. pro Fläche) und einer Transaktionsgebühr.
Im Bankenbereich kooperiert die Post (neben PostFinance) mit der Hypothekarbank Lenzburg, der Cornèr Bank und der Migros Bank. Bis in fünf Jahren erwartet die Post eine zweistellige Anzahl von Bankenpartnern. Zum Vergleich: Die australische Post hat offenbar mehr als 90 Kooperationspartner in ihren Filialen.
Die Erweiterung des Netzwerks beschränkt sich nicht nur auf analoge Elemente, sondern umfasst auch digitale Aspekte. Dies zeigt sich beispielsweise durch die Möglichkeit der Online-Terminbuchung und die Kombination aus persönlichen Beratungen vor Ort und Remote-Beratungen durch Experten.
Beratung – Made by LUKB Adrian Lupart, Marktbereichsleiter Privat- und Gewerbekunden Martin Erni, Senior Projektleiter
Die Beratungsprozesse bei der Luzerner Kantonalbank waren bisher sehr unterschiedlich, ineffizienz und wenig digital. Das Ziel war es daher, einen harmonisierten und digitaleren Prozess über alle Kundensegmente hinweg zu definieren, damit auch die LUKB-Beratungsphilosophie überall gleich gelebt werden kann. Entsprechend ging es beim Projekt nicht nur um technische Fragen, sondern auch viel um Change-Management Aspekte.
Im gesamten Prozess sind über 150 Mitarbeiter eingebunden, 1/3 davon sind Kundenberaterinnen und Kundenberater.
Der präsentierte Beratungsansatz enthält einige bemerkenswerte Aspekte. Dazu gehört eine visuell dargestellte Beratungsreise, eine interaktive Agenda sowie integrierte Rechner und Services, beispielsweise zur Bewertung der Wohnlage einer Immobilie. Zudem werden die Ziele der Kunden in einer „Kundenübersicht“ erfasst, und es gibt einen Warenkorb, in dem ausgewählte Produkte gesammelt werden können. Um die gewünschte LUKB-Welt zu schaffen, wurde intensiv nach Lösungen gesucht und rund 40 verschiedene Optionen wurden geprüft. Dabei konnte aber keine „gute“ Lösung aus Sicht der Bank gefunden werden. Aus diesem Grund wurde das Angebot gemeinsam mit Partnern selber entwickelt.
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