14. Oktober 2024

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IFZ Generative AI in Finance Studie 2024

Von Prof. Dr. Nils Hafner und Sophie Hundertmark

Die neue IFZ Generative AI in Finance Studie ist verfügbar und zeigt erstmalig auf, wie Banken und Versicherungen nicht nur aus der eigenen Branche, sondern vielmehr was sie von anderen Branchen im Hinblick auf Generative AI lernen können. Die Studie zeigt wichtige Anwendungsfelder von Generative AI in der Finanzwelt auf und bringt zwei neue praxisrelevante Frameworks ins Gespräch: Die Gen AI Skala, sowie den KI-Prozess-Kompass.

Bisherige Recherchen zu den Erwartungen von Banken- und Versicherungskunden legen nahe, dass Kunden bei der Auswahl eines Finanzdienstleisters – sei es eine Bank oder eine Versicherung – tendenziell dieselben Bewertungskriterien anwenden, die auch in anderen Wirtschaftssektoren, also in finanzfremden Branchen, wie Retail, Pharmaindustrie oder Unterhaltungsbranche, üblich sind. In diesem Kontext ist der Einsatz modernster Technologien von wesentlicher Bedeutung.

Aus diesem Grund haben wir in der neusten IFZ Generative AI in Finance Studie untersucht, wie andere Branchen wie Einzelhandel, Gesundheit, Tourismus und viele weitere bereits Generative AI nutzen und die Übertragbarkeit dieser Anwendungsfälle auf Schweizer Finanzunternehmen evaluiert.

Um auf der Unternehmensseite, zunächst branchenunabhängig, die heutigen Anwendungen, Chancen und Herausforderungen von Generative AI sowie die ersten Erfahrungen mit diesen Anwendungen zu evaluieren, wurden qualitative Befragungen mit leitenden Mitarbeitenden aus den Bereichen Kundenservice, Informationsdienste, Compliance, Marketing und Kommunikation durchgeführt. Zusätzlich wurden die Befragungen mit einem Überblicks-Research im Zeitraum vom 01.Mai bis 31. Mai ergänzt. Schlussendlich wurden die Ergebnisse der Befragungen mit Experten aus der Finanzbranche gespiegelt, um die Übertragbarkeit der Generative AI-Anwendungen auf die Finanzindustrie abschätzen zu können.

Die Gen AI Skala zur systematischen Einordnung der Generative AI-Anwendungen

Während der ersten Befragungen fiel schnell auf, dass sich die von den Unternehmen angewandten Generative AI-Anwendungen mehrheitlich auf einer Skala zwischen zwei Polen einordnen lassen. Der eine Pol sind Anwendungen, die direkt durch den Kunden bedient werden. Der andere Pol sind Prozesse, die komplett im Innern des Unternehmens ablaufen und zum Teil selbst für die Mitarbeitenden nicht sichtbar sind. So wird aufgrund der mangelnden Sichtbarkeit, beispielsweise in der Versicherungsindustrie, von Dunkelverarbeitung gesprochen. Dazwischen bewegen sich Anwendungen, die alle oder einzelne Mitarbeitende unterstützen. Grafisch kann das wie folgt dargestellt werden: 

Abbildung 1: Anwendungen von Generative AI zwischen zwei Polen

Anwendungen, die ganz oder eher links auf dem Strahl liegen, beschäftigen sich mit Generative AI-Anwendungen zwischen Kunde und Unternehmen. Ziel ist es hier, dem Kunden ein besseres Kundenerlebnis bieten zu können und darüber hinaus auch Kosten einzusparen.

Anwendungen, die sich auf der Mitte des Strahls befinden, sind eher intern ausgerichtet. Sie haben zum Ziel, die Mitarbeitenden-Zufriedenheit und die Mitarbeitenden-Produktivität zu unterstützen. Anwendungen auf der rechten Seite des Strahls sind reine Automatisierungen, denen lediglich die Steigerung der Effizienz als Ziel zugrunde liegt.

Die von uns entwickelte Gen AI Skala kann neu als zentrale Orientierung im Hinblick auf die Einordnung von Generative AI-Anwendungen für Banken und Versicherungen dienen. Banken und Versicherungen können so Generative AI-Anwendungen, die eher im Hinblick auf eine direkte Bedienung durch Kunden vorgesehen sind, von denen, die eher eine automatisierte Dunkelverarbeitung ermöglichen differenziert betrachten.

Die folgende Abbildung zeigt die evaluierten Generative AI-Anwendungen im Hinblick auf Finanzinstitute. Alle Anwendungen werden in der neuen Generative AI in Finance Studie genauer erläutert und mehrheitlich mir Praxisbeispielen untermauert.

Abbildung 2: Generative AI-Anwendungen im Hinblick auf Finanzinstitute

Grosser Mehrwert von Generative AI-Anwendungen im Bereich des Marketings

In Bezug auf das Nutzen/Machbarkeitsverhältnis wurden vor allem die Einsatzbereiche «Erstellen von Marketingtexten mittels Generative AI» sowie «Verfassen von Produktbeschreibungen» als besonders attraktiv angesehen. Das ist vor dem Hintergrund der immer komplexer werdenden Produktwelten im Anlage-Bereich und der damit verbundenen weltweit komplexer werdenden Einhaltung regulatorischer Vorschriften gut nachvollziehbar. Hier spielt Generative AI seine Stärken in Bezug auf die mühsame Anpassung von Texten in verschiedenen Sprachen und Gesetzgebungsräume aus. Auch aus der Perspektive des Marketings mit einem wachsenden Anspruch an Individualisierung und Personalisierung im Finanzbereich kann der beschriebene Einsatz der Anwendungen überzeugen. Das zeigen nicht zuletzt die vielfältigen Case Studies in der Studie aus branchenfremden Organisationen.

Nutzung von KI-Assistenten wie ChatGPT und Co-Piloten immer verbreiteter

Interessant sind auch die Learnings zur internen Nutzung von ChatGPT oder dem Microsoft Co-Piloten. Während in den Medien der Co-Pilot oft als der persönliche und intelligente Assistent beschrieben wird, haben die Befragten den Mehrwert des klassischen ChatGPTs höher bewertet. Im Hinblick auf die Nutzung bzw. Machbarkeit von ChatGPT in einem Finanzunternehmen zeigt die Studie, dass zwischen dem klassischem ChatGPT und einem individualisiertem ChatGPT mit eigenen Unternehmensdaten unterschieden werden muss. So ist die Einführung des allgemeinen ChatGPTs einfacher als die eines unternehmens-internen mit eigenen angereicherten Unternehmensinformationen.

Der Microsoft Co-Pilot und der ChatGPT können in Finanzinstituten, sofern die Nutzung compliance-konform ist, für die Erstellung von Berichten, Analysen und Präsentationen genutzt werden. Durch die Integration in bestehende Systeme kann der Co-Pilot bzw. ChatGPT schnell auf unternehmensinterne Daten zugreifen und diese für verschiedene Zwecke aufbereiten. Ein grosses Potenzial haben KI-Assistenten zum Beispiel in der Risikobeurteilung bezüglich des Kreditportfolio- oder Liquiditätsrisikos.

Datenschutz und Regulatorische Anforderungen grenzen die Finanzbranche von anderen Branchen ab

Zwar lässt sich beobachten, dass die Anzahl finanzbranchenspezifischer Anwendungsfälle kontinuierlich zunimmt. Die Banken und Versicherungen pilotieren, prüfen und testen. Das Interesse am Einsatz von Generative AI wächst mit der Erfahrung. Die Einsatzgebiete weiten sich aus. Gleichzeitig ist die Finanzbranche aber auch durch regulatorische Anforderungen gebremst. Sicherheits- und Datenschutzabklärungen zu AI-Services sind oftmals umfassend. Zudem stellen On-Premise bzw. Private Cloud Installationen Herausforderungen bezüglich der Infrastruktur dar.

Die Studie zeigt auf, dass die evaluierten Generative AI-Anwendungen sich zwar für Finanzdienstleister adaptieren lassen, es aber unabdingbar, den Datenschutz und weitere regulatorischer Anforderungen zu berücksichtigen und ein entsprechendes AI-Setup zu wählen.

Ein Beispiel sind Chat- oder Voicebots, die direkt und unmittelbar mit dem Kunden individuell über seine Situation kommunizieren. Finanzdienstleister können hier zwar durchaus von dem Wissen anderer Branchen profitieren, die sich vielleicht aufgrund einer herausfordernderen Margensituation unter Umständen schon früher Gedanken dazu machen mussten, die Produktivität sprunghaft zu erhöhen, um im Wettbewerb bestehen zu können, müssen aber die besonderen Anforderungen der eigenen Branche ebenfalls berücksichtigen.

Der KI-Prozess-Kompass als neue Orientierungshilfe zur Einführung von Generative AI-Anwendungen.

Neben der Gen AI Skala, die für Finanzdienstleister genauso anwendbar ist, wie für Unternehmen anderer Branchen, wird in der Studie ebenfalls der KI-Prozess-Kompass neu eingeführt und gilt ebenfalls als zentrales Ergebnis der Studie. Dieser Wegweiser zeigt die bis zu 15 Schritte, die Banken und Versicherungen, aber auch andere Unternehmen bei der langfristigen und erfolgreichen Einführung von Generative AI-Anwendungen durchlaufen sollten.

Download der Studie

Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie werden im Rahmen der IFZ Retail Banking Konferenz am 21. November vorgestellt und diskutiert.

Kontakt:

Sophie Hundertmark ist Dozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern ­ Wirtschaft: Sophie.hundertmark@hslu.ch

Prof. Dr. Nils Hafner ist Studiengangsleiter des CAS Digital Banking am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern – Wirtschaft: Nils.hafner@hslu.ch

Partner der Studie

Folgende Partner haben die Studie finanziell und inhaltlich unterstützt: InventxLab, St. Galler Kantonalbank, Argauer Kantonalbank (AKB). Zudem hat Carla Caspar, Strategic Innovation Managerin InventxLab, mit einem Gastbeitrag zu den theoretischen Hintergründen von Generative AI, sowie der Anwendbarkeit in der Finanzbranche unterstützt.

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