1. Juni 2015
Die Schweiz verfügt über eine gute Ausgangslage für die Nutzung innovativer Mobile Payment Lösungen. Allerdings hat sich das Zahlverhalten der Konsumenten an Verkaufspunkten in den letzten Jahren nur langsam weg vom Bargeld entwickelt. Eine schnelle massive Verschiebung auf Mobile Payment Lösungen ist daher unwahrscheinlich. Ausser der Staat würde die Spielregeln ändern.
Umschwung bei den Zahlungsmitteln
Internationale Giganten wie Apple und Facebook wollen den Zahlungsverkehr mit Mobile Payment Lösungen revolutionieren. Wobei hier unter Mobile Payment (im engeren Sinn) Bezahlmethoden mittels Mobiletelefon verstanden werden. Dabei unterscheidet man zwischen Nahzahlungen an einem Verkaufspunkt (Point of Sale) und P2P (Peer to Peer) Zahlungen zwischen zwei Personen. Auch in der Schweiz wird innovatives Mobile Payment angeboten. So wurde 2014 Tapit von der Swisscom für das Bezahlen am Point of Sale (Nahzahlungen) oder seit kurzem Paymit der SIX Group mit den Pilotkunden UBS und Zürcher Kantonalbank für P2P Zahlungen lanciert. Ebenfalls am Start ist die PostFinance mit TWINT. Neben diesen internationalen und nationalen Schwergewichten versuchen weitere Finanzdienstleister, Retailer, Telecoms und Startups (in der Schweiz z.B. Mobino, Muume oder Klimpr), sich ein Stück des Zahlungsverkehrskuchens abzuschneiden.
Die Schweiz hat aus zwei Gründen eine gute Ausgangslage für die Einführung neuer Mobile Payment Anwendungen. Erstens verfügt die Schweiz über eine hohe Smartphone-Durchdringung von 69 Prozent. Zweitens ergab eine Umfrage im Rahmen der IFZ-Retailbankingstudie 2014, dass 62 Prozent der befragten Personen Mobile Payment nutzen würden.
Was zeigt uns die Vergangenheit?
Aktuell ist der Zahlungsverkehr in der Schweiz im Wesentlichen zwischen Bank- und Postzahlungen, Debit- und Kreditkarten und Bargeld aufgeteilt, wobei sich die Zahlungen an Verkaufspunkten vor allem auf Debit-, Kreditkarten und Bargeld verteilen.
Die Wahl der Zahlungsmittel veränderte sich in der Vergangenheit langsam und kontinuierlich. Obwohl der bargeldlose Zahlungsverkehr für Konsumenten und Händler verschiedene Vorteile bietet, hält sich das Bargeld nach wie vor als wichtigstes Zahlungsmittel in der Schweiz. 1990 wurden rund 90% des Transaktionsvolumens am Verkaufspunkt mittels Bargeld abgewickelt. In den letzten 25 Jahren haben die Debit- und Kreditkarten einen Teil der Bargeldtransaktionen abgelöst. Aktuell werden aber immer noch rund 60% des alltäglichen Konsums mit Bargeld bezahlt. Mehr Details zeigt die folgende Grafik. Die Transaktionenvolumen der Debit- und Kreditkarten werden aus der SNB Statistik entnommen. Der Bargeldumsatz muss hingegen geschätzt werden, da es keinen direkten Messwert gibt. Dabei werden die Ausgaben aller Schweizer Haushalte für den Endkonsum um verschiedene Ausgaben, wie für Wohnung, Gesundheit, Nachrichtenübermittlung, etc. bereinigt, da diese üblicherweise nicht mit Bargeld bezahlt werden (Daten vom Bundesamt für Statistik). Die verbleibenden Gesamtausgaben minus die Volumen der Debit- und Kreditkarten ergeben den Bargeldumsatz. Die Grafik zeigt die prozentualen Transaktionsvolumen von Bargeld, Debit- und Kreditkarten über die letzten 10 Jahre.
Die Resultate decken sich mit ähnlichen Studien. Die Wahl des Zahlungsmittels entfernt sich stetig und kontinuierlich vom Bargeld, dies aber langsam und nicht disruptiv. Ein weiterer Trend lässt sich aus den SNB Statistiken erkennen: Das durchschnittliche Transaktionsvolumen bei Kredit- und Debitkartenzahlungen hat abgenommen. So lag das durchschnittliche Transaktionsvolumen 2005 für inländische Kreditkarten bei CHF 186 und CHF 83 für Debitkarten. 2014 sank dieser Wert auf CHF 118 für Kreditkarten und CHF 69 für Debitkarten. Im Umkehrschluss heisst dies auch, dass die Anzahl der Transaktionen signifikant zunahm. Dadurch sind entsprechend auch die Transaktionskosten für Händler gestiegen, derweil die Bequemlichkeit für den Konsumenten an Bedeutung gewonnen hat.
Was sagt die Wissenschaft?
Die Cards’11 Studie der Universität St.Gallen beschreibt, dass die soziodemographische und finanzielle Situation von Konsumenten den Gebrauch von Zahlungsmitteln beeinflusst. Vereinfacht gesagt, steigt die Adaptionsrate für neue Formen mit der Bildung und dem Einkommen. Gleichzeitig sinkt sie mit dem Alter. Allerdings sind die individuellen Einschätzungen der Kosten, Bequemlichkeit, Sicherheit, Anonymität, Verfügbarkeit und Akzeptanz wesentlicher für die Wahl des Zahlungsmittels. Interessant ist auch, dass kontaktlose Karten häufiger eingesetzt werden als traditionelle Karten.
In einer Studie der Deutschen Bundesbank von 2015 geben die Befragten an, dass bei Barzahlung eine bessere Ausgabenkontrolle vorhanden sei. Allerdings sind Personen unter 25 Jahren sehr offen für innovative Zahlverfahren. Es fehlt ihnen derzeit aber noch eine flächendeckende Einsatzmöglichkeit. Ein grosser Einfluss auf das Zahlverhalten wird durch die fortlaufende Verlagerung des Handels ins Internet erwartet. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass viele Kunden über vorfestgelegtes Verhalten bezüglich der Wahl des Zahlungsmittels verfügen, und nicht spontan am Verkaufspunkt entscheiden.
Für einen Tango braucht es zwei
Der Erfolg von Zahlungssystemen hängt stark von Netzwerkeffekten ab. P2P Systeme sind nur bei einer genügend grossen Population interessant. WhatsApp macht alleine keinen Spass und bringt dementsprechend wenig Nutzen. Eine virale, schnelle Verbreitung ist für P2P Systeme zwingend. Bei Nahzahlungssystemen müssen Konsumenten und Händler das gleiche System verwenden.
Wie sieht es im Ausland aus?
Interessanterweise präsentiert sich das Zahlungsverhalten in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich. Nordische Länder sind auf dem Weg das Bargeld faktisch abzuschaffen. So überrascht es nicht, dass die Danske Bank innerhalb von 18 Monaten 1.6 Millionen Benutzer für ihre Mobile Payment Lösung gewann. Heute nutzt entsprechend bereits jeder dritte Däne das Produkt MobilePay. In Südeuropa dagegen wird immer noch ein Grossteil der Einkäufe bar erledigt. Nochmals anders sieht die Situation in Entwicklungsländern aus, wo ein Grossteil der Bevölkerung keine Bankbeziehung hat. Hier verfügen Mobile Payment Lösungen (häufig mit traditionellen mobilen Telefonen, keine Smartphones) über hohe Wachstumsraten und Marktanteile, da keine bestehenden Infrastrukturen verdrängt und keine neuen aufgebaut werden müssen. So wird in Kenia das Mobiltelefon von zwei Dritteln der erwachsenen Bevölkerung für den Versand von Geld verwendet. Diese Entwicklungen aus Afrika können aber infolge der völlig unterschiedlichen Voraussetzungen nicht auf die Schweiz übertragen werden.
Fazit
Die Vergangenheit zeigt, dass sich das Verhalten der Schweizer Konsumenten bei der Wahl des Zahlungsmittels stetig, aber langsam weg vom Bargeld ändert. Der Substitutionsprozess erfolgte in der Schweiz bis jetzt evolutionär und nicht revolutionär. Es ist daher zu erwarten, dass auch neue Zahlungsmittel, wie Mobile Payment, eher langsam Marktanteile gewinnen werden. Es ist dadurch schwierig, schnell eine minimale kritische Masse zu erreichen, wenn man nicht auf bestehende Systeme aufsetzen kann. Die Fragmentierung des kleinen Schweizer Marktes erschwert das Erreichen dieser kritischen Masse zusätzlich. Daher werden unseres Erachtens Systeme mit einer evolutionären Verbreitungsstrategie erfolgreicher sein.
Die technischen Voraussetzungen bezüglich Durchdringung von Smartphones und kontaktlosen Terminals sind in der Schweiz gut. Effizientes kontaktloses Zahlen ist ein gutes Argument für Konsumenten zum Umsteigen vom Bargeld, insbesondere da die durchschnittlichen Beträge laufend sinken und die Anzahl Transaktionen steigen. Mit elektronischen Geldbörsen auf dem Smartphone ergeben sich weitere Möglichkeiten, Mehrwert für den Anwender zu schaffen. So könnten die Daten direkt für Personal Finance Management Systeme genutzt werden, oder Bonusprogramme von Kundenkarten integriert werden. Die grosse Unbekannte ist der Kampf des Staates gegen das Bargeld im Rahmen der finanziellen Repression. Der Gebrauch von Bargeld könnte eingeschränkt werden, damit Sparer bei Negativzinsen kein Bargeld horten. Dieses unwahrscheinliche Szenario würde die Spielregeln komplett ändern.
PS: Es wird interessant sein, wie Vertreter von TWINT und der Zürcher Kantonalbank (Paymit) an der IFZ Konferenz „Innovative Angebote im Retail Banking“ vom 25. Juni die Diffusionsgeschwindigkeit einschätzen und die zukünftige Entwicklung des Schweizer Marktes für Mobile Payment sehen. Die Konferenz war zwar ausgebucht – infolge von 2 Abmeldungen sind aber wieder 2 Plätze frei geworden. Neben dem Thema Mobile Payment werden u.a. auch Crowdfunding Lösungen für Banken, Digitales Anlegen bei der UBS, die Entwicklungen von hypomat und e-hypo oder Social Trading diskutiert. Anmeldung bitte per Mail an evelyne.gander@hslu.ch.
Kommentare
1 Kommentare
Beat Stocker
2. Juni 2015
Sehr guter Artikel zum Thema. Als weiteren Treiber der Diffusion von Mobile Payment (z.B. PtP) sehe ich das Lifestyle-Argument und damit verbundene Netzwerkeffekte. Nicht zu unterschätzen; plötzlich wird die Geschichte disruptiv. Ohne Not.
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.