4. Juli 2016

Bankregulierung,

Digitalisierung,

Prozessmanagement

Digitalisierung auch in der Compliance: Wie sich PostFinance und Axon Ivy positionieren

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich und Prof. Dr. Thomas Ankenbrand

Der Industrialisierungs- und Digitalisierungsprozess im Schweizer Bankenwesen könnte alsbald auch den Bereich der Formalitäten bei der Kundenidentifikation und -eröffnung erfassen. Dieser erfordert aufgrund der stets wachsenden Regulatorien laufend neue Investitionen und stellt einen nicht zu unterschätzenden Kostenblock dar. PostFinance, Axon IVY und Blattmann & Partner  entwickelten deshalb eine Lösung, die allen Schweizer Finanzdienstleistern offensteht. Im Sinne eines hoch automatisierten Schweizerischen Formalitätencenters soll die Identifikation und formelle Prüfung des Neukunden realtime angeboten und in die Prozesse der jeweiligen Bank integriert werden. Der nachfolgende Blog-Beitrag beleuchtet das Angebot und gibt eine Einschätzung zur generellen Entwicklung in diesem Markt ab.

Was das Angebot beinhaltet

Das Angebot positioniert sich in einer klaren Nische und fokussiert auf den Compliance-Aspekt beim Onboarding-Prozess. Insofern steht es beispielsweise nicht in Konkurrenz, sondern vielmehr in Ergänzung zu anderen Angeboten wie zum Beispiel der von der Valiant Bank genutzten Videoidentifikation von Swisscom.
Einen ersten Vorteil sehen wir darin, dass die nach heutigen Prozessen manuell nachgelagerte Kontrollen durch eine weitestgehend digitalisierte Realtime-Kontrolle ersetzt wird. Insofern sollten auch nachträglich keine Einholung von Dokumenten oder sonstigen Korrekturmassnahmen (inkl. Sperrungen) mehr notwendig sein. Gleichzeitig scheint aber klar, dass auch dieses Angebot vor allem Standardfälle abhandeln kann. Es ist mittelfristig wohl wenig wahrscheinlich, dass es auch komplexere Kontoeröffungsanträge (z.B. von US-Personen) voll automatisiert abdecken kann. Für diese Fälle ist eine direkte Kontaktaufnahme während des Eröffnungsprozesses mit Compliance-Spezialisten vorgesehen. Als Bank können neben dem Standardblock an Fragen (GWG, FATCA, etc.) auch individuell Fragen an den zukünftigen Kunden hinzugefügt werden.
Als zweiten Vorteil empfinden wir das automatische Update der Compliance, falls es von der FINMA aus zu Änderungen kommt. Diese Anpassungen werden jeweils den Banken automatisch als Teil der Dienstleistung zur Verfügung gestellt.
In einer ersten Phase (per sofort) kann das Tool ausschliesslich beim Video-Onboarding genutzt werden. In einem zweiten Schritt (ab ca. Mitte 2017) wird das Angebot dann auch für den physischen Vertrieb verfügbar sein.

Wer ist (potenzieller) Kunde?

Die ganze Abwicklung im Hintergrund nimmt das von PostFinance gemeinsam mit der Axon Ivy aufgebaute Joint Venture Finform vor. Das Compliance-Knowhow wird dabei von PostFinance übernommen, Daten werden keine gehalten. Entsprechend ist auch klar, dass PostFinance das Tool auch bei ihrem eigenen Onboarding  einsetzen wird. Gleichzeitig hat man für dieses Angebot auch schon eine andere, kleinere Bank gewinnen können, die bald live gehen wird, und ist mit andern Banken im Gespräch.

Wieso wir das Angebot spannend finden

Digitalisierung hat schon viele Bereiche erfasst. Mit diesem Angebot dringt sie nun auch zum ersten Mal als Dienstleistung in den Bereich der Compliance vor. Grundsätzlich stellt ein solches Angebot für die Bank eine klassische Make-or –buy-Entscheidung dar. Die wohl ziemlich günstigen Kosten  und der Ausblick auf Kostenersparnisse im Compliance-Bereich machen das Angebot sicherlich attraktiv. Vor allem bei einer grösseren Anzahl an Kundeneröffnungen pro Jahr oder auch bei ungleichmässig anfallenden Onboardings (Stichwort: Variabilisierung der Kosten) könnte sich der Business Case rechnen.
Spannend finden wir auch das Insourcing aus Sicht PostFinance (auch wenn das „offiziell“ natürlich über die neue Unternehmung läuft), die damit nach TWINT zum zweiten Mal diesen Weg einschlägt. Ebenso kann man auch bei anderen Angeboten wie zum Beispiel von der Glarner Kantonalbank erkennen, dass Software as a service und das Generieren von zusätzlichen Ertragsquellen nach wie vor sehr relevant sind.

Fazit

Grundsätzlich sind solche Projekte als positiv zu bewerten, führen sie doch zu einer aus einer Bankenwirtschaftsperspektive effizienteren Nutzung der Ressourcen. Dieses unseres Wissens erste Angebot im Bereich der digitalen Compliance fängt „klein“ an, und nimmt sich nur einen kleinen Schnitz aus dem ganzen Outsourcing-Bereich raus. Da man sich über Compliance nicht differenzieren kann, hierbei aber hohe Kosten anfallen, ist ein solches Projekt grundsätzlich auch nachvollziehbar. Der Ausblick auf eine signifikante Kostenreduktion bei der Geschäftsbeziehungseröffnung und der Wegfall der Investitionen bei neuen Regulatorien können einige Banken dazu bewegen, von diesem Angebot zu profitieren.  Gleichzeitig haben sicherlich einige CEO etwas Mühe mit der Vorstellung, dass man auch gewisse Compliance-Aspekte outsourcen kann. Interessant ist nämlich, dass der Prozess nicht mehr manuell, sondern digital vollzogen wird.

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