23. April 2018
«Alexa, move my Bank Accounts to Amazon» ist die Studie der internationalen Strategieberatung Bain & Co. überschrieben. Darin zeigen die Autoren auf, dass das Vertrauen Finanzprodukte seriös anzubieten und abzuwickeln in internationale Technologieunternehmen steigt. So könnten sich beispielsweise 35% aller Schweizer Bankkunden vorstellen, Retailbankprodukte von einem solchen Technologieunternehmen zu kaufen. Doch auch innerhalb der sogenannten GAFAM Unternehmen (Facebook, Amazon, Google, Apple und Microsoft), werden Unterschiede beim Vertrauen gemacht. So wird beispielsweise Amazon als wesentlich vertrauenswürdiger als manche andere Grossfirma oder Fintech-Unternehmen eingeschätzt. Dies hat nicht zuletzt mit der Erfolgsgeschichte des Sprachassistenten (Voicebot) «Alexa» auf den Amazon eigenen Echo-Geräten zu tun. Dies sieht man vor allem, wenn man den deutschen Markt für Retailbankprodukte mit dem in der Schweiz vergleicht. In Deutschland könnten sich, aufgrund der grösseren Marktdurchdringung von «Alexa» bereits mehr als 50% eine Bankbeziehung mit Amazon vorstellen.
Diese Einschätzung unterstreicht eine Studie von Cap Gemini Consulting. Auf einer Basis von über 2500 befragten Kunden in Deutschland, Frankreich, USA und dem Vereinigten Königreich zeigt die Studie auf, was Menschen, die auf Voicebots Zugriff haben, bereits damit machen. Darüber hinaus geht die Studie auf Basis von sogar 5000 Interviews davon aus, dass 2020 immerhin 40% aller Kunden per Voicebot auf die Informationen von Firmenwebseiten oder Apps zugreifen werden. 31% der Befragten glauben, dass sie mit Ihrer Stimme einkaufen oder Bankgeschäfte erledigen werden. Kein Wunder, dass beispielsweise bei der UBS seit mehreren Monaten an einer Anwendung, einem sogenannten «Skill» für «Alexa» gearbeitet wird, mit dem Informationen über das eigene Vermögen, die Erreichung von Anlagezielen oder beispielsweise der Kontostand abgerufen werden können. Das Einsparungspotential in diesem Bereich ist, verglichen mit einer telefonischen Interaktion, enorm. So beträgt der Anteil der telefonischen Kontakte, die sich auf Kontostandsanfragen beziehen, im schweizerischen Retailbanking nach wie vor bis zu 35% aller Anfragen.
Doch mal ab von solcher Zukunftsmusik, auch heute bietet die Analyse und Verarbeitung von Sprache durch technologische Anwendungen enorme Möglichkeiten. Dies beginnt schon bei der notwendigen Identifikation des Kunden im telefonischen Kontakt. Der Sprung, den die Technologie in den letzten 14 Monaten gemacht hat, kann als enorm bezeichnet werden. Einerseits bieten heute viele Unternehmen mehr oder minder fortgeschrittene Lösungen zur Identifikation des Kunden am Telefon an. Nachdem in den vergangenen Jahren ja schon grosse US-amerikanische Technologiefirmen wie Nuance oder Nice die Voice Biometrie auch in der Schweiz salonfähig gemacht haben, werden technologische Lösungen zunehmend auch für den Mittelstand interessant. Eine Identifikation kann in diesem Zusammenhang mehr oder minder sophistiziert ausgeführt werden. Lösungen wie Pindrop beispielsweise ergänzen den Stimmabdruck mit einer tiefgehenden Analyse des Telefonverhaltens bezüglich des in Anspruch genommenen Netzwerks, des verwendeten Endgeräts und der Bedienung desselben. So können wirklich „wasserdichte“ Identifikationen des Kunden in kürzester Zeit vorgenommen werden.
Das grosse Potential die Identifizierung des Kunden hinaus liegt jedoch heute in der Verknüpfung von Sprachaufzeichnung und -analyse, Machine Learning und Big Data. Das zeigt beispielsweise das Unternehmen Precire Technologies aus Aachen in Deutschland. Es gibt an, die menschliche Sprache entschlüsselt zu haben. Das Ergebnis ist verblüffend. Aus aufgezeichneten Kundengesprächen lassen sich so grundsätzliche Aussagen etwa über die kommunikative Wirkung einer Sprache, über Emotionen, Persönlichkeit und sprachliche Kompetenz eines Menschen, aber auch über Motive und Einstellungen einzelner oder Gruppen von Menschen treffen.
Im Banken Umfeld ist das natürlich vor allem für das Zusammenspiel von Mitarbeiter und Kunde relevant. Das Tool misst die reale Zufriedenheit des Kunden (und des Mitarbeiters) zu Beginn, während und am Ende des Gesprächs. Solche automatisierten Kundenzufriedenheitsmessungen können als eine echte Ergänzung zur heutigen „Masterkennzahl“ NPS gesehen werden, welche laut Service Excellence Cockpit heute immerhin schon von 60% aller Contact Center angewandt wird. Dabei bewertet der Kunde anhand der Frage „Würden Sie uns weiterempfehlen?“ die Beziehung auf einer Skala von 0 bis 10. Diese Bewertung ist subjektiv, kann politischen Erwägungen unterliegen (also auch wie bei Trump gänzlich fehlen oder falsch sein!) und basiert auf längerfristigen Erfahrungen. Auch eine Messung der Frage „Würden Sie uns auf der Basis der letzten Interaktion weiterempfehlen?“ unterliegt dem gleichen Bias, kann also nicht als Ausdruck der Zufriedenheit mit eben dieser Interaktion an eben diesem Touchpoint gesehen werden. Eine Messung auf Basis eines einzelnen Erlebnisses erscheint also insbesondere zur Steuerung konkreter Mitarbeiter problematisch. Auch muss der Kunde immer wieder erneut Zeit für eine Beantwortung einzelner Fragen oder eines Fragebogens aufwenden. Mit der Zeit nervt dies. Eine Befragung des Kunden bezüglich des NPS sollte sich also auf die jährliche Durchführung beschränken.
Überdies ist eine Befragung nach jeder Interaktion auch wie oben skizziert wenig empathisch. Normalerweise spürt ein Ansprechpartner ja aus dem Gespräch heraus, wie zufrieden der Kunde ist. Sein Anreiz, diese Information in ein System zur logischen Weiterentwicklung der Kundenbeziehung einzutragen hält sich jedoch, gerade bei problematischen Gesprächen in Grenzen. Dieses Dilemma lösen die beschriebenen Analyse-Systeme auf. Sie messen tatsächlich die konkrete Zufriedenheit, an dem, was der Kunde fühlt und erlebt. Diese Messung findet tief in der Psyche des Kunden und im Moment des Erlebens statt.
Durch die Kombination von NPS als übergeordneter Kennzahl und den Precire Touchpoint Messungen ist es somit möglich, nicht nur Rückschlüsse auf die Interaktionsqualität und das reale Erlebnis des Kunden zu ziehen, sondern auch noch Handlungen abzuleiten: Nicht zufriedenstellende Erlebnisse werden registriert und der Kunde kann beim nächsten Kontakt gezielt bearbeitet werden, um die Beziehung wieder positiv zu gestalten. Retentionskampagnen werden so dank Sprachanalyse noch gezielter und logischer.
Einerseits spart sich so das Unternehmen Post-Call-Befragungen und kann andererseits auf der Basis von objektiven Messungen individuelle Trainingsprogramme zusammenstellen. So profitiert auch das Mitarbeiter- und Führungskräfte Coaching von der zunehmenden Digitalisierung im Kundenservice. Schlussendliches Ziel der Analyse ist es, dass Gespräche sowohl kürzer als auch erfolgreicher im Hinblick auf Kundenzufriedenheit als auch im Hinblick auf Cross- und UpSelling werden.
Bei VoiXen geht es vor allem um die Auswertung von aufgenommenen Kunden-Gesprächen, egal ob am Telefon oder in der Filiale. Der Nutzen ergibt sich, neben der Dokumentationspflicht solcher Gespräche vor allem in Projekten, in denen die Basis für ein systematisches Customer Experience Management gelegt wird. Hier arbeitet man häufig mit der Erstellung einer Kundencharta. Dabei werden für die Mitarbeiter grundlegende Verhaltensweisen, Einstellungen und auch „Dos and Don`ts» im Kundenkontakt definiert. Hinterlegt man diese Regeln im System und zeichnet alle Gespräche auf, kann man nun beispielsweise auswerten, wie häufig und gut diese Regeln befolgt wurden oder nicht. Zu Coachingzwecken kann eine Führungskraft dann nach einem spezifischen Sachverhalt suchen, ein Gespräch selektieren, in dem genau dieser Sachverhalt vorkommt und dieses mit dem Agenten besprechen.
Häufig sind solche Coachinggespräche in der heutigen Praxis ohne Technologieunterstützung sehr aufwendig, da man erst einmal ein passendes aufgezeichnetes Gespräch finden muss. Hat man dieses dann gefunden, kann ein Mitarbeiter im Telefonkontakt immer darauf hinweisen, dass es sich ja bei dem gefundenen Sachverhalt „um eine Ausnahme handelt“. Eine auf einer solchen Kundencharta basierende Führung ist so verhältnismässig mühsam.
Und dann ist da ja bei allen Lösungen, die auf einer Speech-to-Text basierten und mehr oder minder intelligenten Auswertung beruhen, das Problem der Sprachen. Weitverbreitete Hochsprachen wie Deutsch, Englisch, Spanisch oder Französisch sind in der Regel durch die internationalen Anbieter gut abgedeckt. Aber gerade in der Schweiz ist man ja mit Mundart konfrontiert. Und da haben internationale Lösungen häufig ihre „blinden Flecken“. Auf die Frage, wann denn Dialekte auf der Entwicklungs-Agenda stehen, erntet man häufig ein Achselzucken. In dieser Lücke positionieren sich die Lösungen von Spitch. So sieht man bereits erste Anwendungen am Markt, in denen etwas gelingt, was ich als Deutscher seit Jahren versuche: Die Schweizer zu verstehen.
Mehr über die Einbettung von Voice-tools im Banking erfahren Sie im Seminar „Customer Experience Management im Banking“ am 5. Juni am IFZ. Anmelden können Sie sich hier.
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