17. März 2014

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Den Schweizer Pfandbriefmarkt jetzt reformieren? Teil II

Von Prof. Dr. Martin Spillmann

Das heute scheinbar überliquide Bankensystem wird in einer Bankenkrise eine Finanzierungslücke offenbaren. Eine vorausschauende Reform und Liberalisierung des Pfandbriefmarktes trüge zur Vermeidung dieser Risiken bei. Der nachfolgende Artikel ist die Fortsetzung des Beitrags vom 17.2.2014.

1.    Finanzierungslücke trotz Geldschwemme

Die Schweizer Banken schwimmen in Liquidität. Nach wie vor tragen ihnen ihre Kunden viel Geld zu, welches sie als Sicht- oder Spargeld deponieren. Die Banken legen dieses bei der SNB oder in neue Hypotheken an. Das Problem dabei: Hypotheken sind illiquid, Kundengelder hingegen trügerisch. In einer Krise sind sie flüchtig wie ein scheues Reh.

Die Goldene Bankregel verlangt fristenkongruente Aktiven und Passiven: Überjährige Aktiven müssen mit überjährigen Passiven finanziert sein. Vergleicht man die „Flüssigkeit“ von Hypotheken mit Kundengeldern, so sind erstere weitgehend illiquid. Bei letzteren weiss man es nicht. Zwar ist die Summe der Kundengelder träge, und bildet einen Bodensatz – doch der ist nicht garantiert. Kunden wären frei, ihre Mittel abzuziehen. Schätzungen, wie weit überjährige Aktiven aller Banken wirklich mit überjährigen Passiven gedeckt sind, errechnen – je nach Modell – eine Finanzierungslücke von CHF 50 bis 100 Mrd. Was also heute als (nominale) Geldschwemme daherkommt, ist in Tat und Wahrheit eine riesige (laufzeitgewichtete) Finanzierungslücke.

Welche Rolle spielt nun der Pfandbrief dabei? 10% der Schweizer Hypotheken sind durch langfristige Pfandbriefdarlehen finanziert. Den überwiegenden Rest steuern Sichtgelder bei. Doch diese Kundengelder sind unter Umständen unsicher, aus zwei möglichen Kundenmotiven: (1) Attraktivere Anlagealternativen bei steigenden Zinsen; (2) Bonitätsängste bei einer Immobilienkrise. Ob Renditedenken oder Angst, die Bankbilanzen könnten in diesen Szenarien austrocknen. Eine vorsorgliche Finanzierung mittels Pfandbriefen wäre eine ideale Absicherung. Warum also nicht 20% statt 10% auf diesem Wege absichern?

2.    Vorgeschlagene Produkt- und Prozessinnovationen

Natürlich sind die Banken in ihrem Bilanzmanagement autonom. Und die Natur ihres  Geschäftsmodells ist ja gerade die Fristentransformation. Für das geringe Ausmass ihrer Langfristfinanzierung mag es also individuelle Gründe geben. Dennoch: Diese Massnahmen würden das Gesamtsystem stabilisieren:

a)    Institutionelle Reformen könnten die Banken motivieren, Kundengelder vermehrt durch Pfandbriefe oder auch ungesicherte Anleihen zu substituieren. Sie sollten die so  aufgebrachten Mittel aber nicht für zusätzliches Hypothekenwachstum verwenden, sondern es bei der SNB anlegen, andere Passiven zurückzahlen, oder ihrerseits Pfandbriefe kaufen.

b)    Anleger, welche heute Sichtgeld deponieren, sollten motiviert werden, Pfandbriefe zu kaufen. Das heutige Pfandbriefangebot an Investoren ist aber wenig flexibel. Warum gibt es keine variabel verzinsten Pfandbriefe? Warum gibt es nur super-sichere Pfandbriefe, aber keine mit kontrolliert geringerer Bonität, dafür mehr Zins? Angst vor „Sub-prime“ ist nicht angebracht, wenn die Differenzierung klug umgesetzt wird. Die Vorteile: Hypothekarrisiken werden breiter im Markt gestreut; zusätzliche Anleger  tragen Risiken mit.

c)    Die Zuteilung der Pfandbriefdarlehen durch die Emittenten an die Banken könnte geändert werden. Am effizientesten wäre eine Marktliberalisierung: Banken, welche Kriterien erfüllen, würden direkt Pfandbriefe emittieren. Das Monopol der beiden Pfandbriefemittenten würde fallen. Der Markt erhielte Impulse.

d)    Bankbilanzen bergen drei grosse Risiken: Bonitätsrisiken, Zinsänderungsrisiken und Refinanzierungsrisiken. Die Bonitätsrisiken sind von den Behörden bis ins Detail reguliert. Zinsänderungsrisiken und Refinanzierungsrisiken hingegen scheinen etwas vernachlässigt. Es gibt keine verbindlichen Minimumregeln, höchstens individuelle Vorgaben. Was wäre zu tun? Neue Regulierungen zu Liquidität und Refinanzierung sollten durch emissionsfreundliche Reformen begleitet werden.

3.    Vorgeschlagene Regulierungsschritte

Auch diese Massnahmen würden das Gesamtsystem stabilisieren:

a)    Ab 2018 müssen die Banken verbindliche Liquiditäts- und Finanzierungsquoten (LCR und NSF) einhalten. Finanzierungslücken sind absehbar. Sie können durch neue Emissionen geschlossen werden (Emissionen sind Lösungen am Verhandlungstisch über „angemessene  Modellparameter“ vorzuziehen).

b)    Die zusätzlichen gesicherten Anleihen sollten allerdings die Gläubigerposition traditioneller Anleger nicht nachhaltig schwächen. So soll auch nach Verpfändung und Verbriefung ausreichend Haftungssubstrat in den Bankbilanzen verbleiben. Z.B. in dem höchstens 20% der Hypotheken mittels Pfandbriefen finanziert werden.

c)    Muss eine Bank saniert werden, so müssen künftig auch Gläubiger einen Beitrag leisten. Dieses Konzept, das unlängst in Zypern zur Anwendung gelangte, wird „Bail-In“ genannt, und wird gegenüber Staatshilfen der Steuerzahler (Bail-Out) präferiert.  Auch Pfandbrief-Investoren sind Gläubiger, aber weil sie separat gesichert sind, unterliegen sie nicht dem Bail-In Risiko. Die Regulierung sollte die Beiträge aller Risikoträger neu abwägen und grundsätzlich klären.

d)    Als makroprudentielle Massnahme könnten die Behörden Zielstrukturen für aggregierte Aktiven und Passiven im inlandorientierten Bankensystem formulieren und kommunizieren, dies im Sinne eines gesamtwirtschaftlichen Asset & Liability Management (für ein inländisches Kreditgewerbe, welches letztlich ohnehin weitgehend staatsgarantiert ist).

4.    Wenig Reformeifer

Es ist denkbar, dass nichts ändert. Denn womöglich ist es wie in der Kommunalpolitik: Dort muss manchmal zuerst ein Unfall passieren …

PS: Ein spannender Artikel zu diesem Thema ist kürzlich im Tages-Anzeiger erschienen: Warum Bankberater bei Hypotheken gerne um den heissen Brei herumreden

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