4. November 2019

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Die aktuellen technologischen Herausforderungen und ihre Konsequenzen für Schweizer Banken

Von Dr. Urs Blattmann

Kürzlich wurde an dieser Stelle die Banking Trend-Map 2019 vorgestellt. Anhand der sich aus den technologischen Megatrends ergebenden Konsequenzen soll aufgezeigt werden, welche Veränderungen auf die Schweizer Banken zukommen und wie darauf reagiert werden kann.

In einem der letzten Beiträge wurde im Retail Banking Blog des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug IFZ die Banking Trend-Map 2019 präsentiert und im Sinne einer Übersicht erläutert. Nun soll mit einem Fokus auf die technischen Megatrends aufgezeigt werden, welche Herausforderungen auf die Finanzindustrie zukommen und welche Handlungsoptionen zweckmässig erscheinen. Die aktuellen technologischen Megatrends setzen sich aus den folgenden Komponenten zusammen:

Abbildung 1: Technologische Megatrends (Ausschnitt aus der Banking Trend-Map 2019 des Instituts für Finanzdienstleistungen IFZ)

Menge, Ausmass und Geschwindigkeit noch nie da gewesen

Analysiert man die einzelnen technologischen Entwicklungsfelder etwas genauer, stellt man rasch fest, dass noch nie eine derart grosse Menge von technologischen Neuerungen von derart fundamentalem Ausmass in derart kurzer Zeit aufgetreten sind. Mit andern Worten: Die Herausforderungen sind riesig. Noch nie war die Menschheit von der technologischen Veränderung derart gefordert worden. Hinzu kommt, dass die Herausforderungen vielschichtig sind und entsprechende Antworten nicht nur im intellektuellen Bereich nötig sind, sondern die Anforderungen auch sozial und ökonomisch zu meistern sind.
Allein die ökonomische Betrachtung zeigt ein ernüchterndes Bild: Schon die Digitalisierung einzelner Produkte und Dienstleistungen erfordert Investitionen in gewaltiger Höhe. Wie sollen Banken da gleichzeitig noch Investitionen in ähnlichem oder gar noch grösseren Umfang beispielsweise in Data Analytics und künstliche Intelligenz leisten, wo doch gerade die Margen am Schrumpfen sind? Es liegt auf der Hand, dass Schweizer Banken mit herkömmlichen Lösungsansätzen bei den aktuellen technologischen Herausforderungen nicht erfolgreich sein können. Während andere Unternehmen, insbesondere die Tech-Giganten und FinTechs, welche erfolgreich grosse Mittel akquiriert haben, in kurzer Zeit grosse Summen investieren können, sind den hiesigen Finanzinstituten in der Regel enge ökonomische Grenzen gesetzt.

Alleingang nicht zielführend

Die Bankkunden erwarten aber sehr rasch schon bequeme Lösungen. Sie sind es gewohnt, dass sie auf ihrem Mobile alle Informationen jederzeit zur Verfügung haben. Sie erwarten dies auch im Finanzbereich: Jederzeit den finanziellen Status – am liebsten gleich über alle Bankkonten auch bei verschiedenen Instituten konsolidiert – abrufen, Rechnungen mit einem «wisch» bezahlen oder Freunden so Geld senden und Anlagen mit wenigen Klicks tätigen zu können, wird schon bald als Minimalanforderung daherkommen. Dazu sollten gleich noch die Informationen der Versicherungen und der Krankenkasse in derselben App verfügbar sein.
Die enormen technologischen Herausforderungen einerseits und die rasch wachsenden Erwartungen der Kunden andererseits machen deutlich, dass nicht nur kleine, sondern auch mittlere und grössere Banken in der Schweiz, ja selbst die Grossbanken, in Zukunft nicht mehr in der Lage sein werden, sämtliche Herausforderungen im Technologiebereich – aber auch in andern Bereichen – allein zu meistern. Auch Google oder Facebook ziehen für Aufgaben beispielsweise im Bereich Data Analytics Spezialisten zu. Hier den Alleingang zu wagen, scheint deshalb wenig zielführend.

Sourcing, Kooperationen und Plattformen als Lösungsansatz

Schweizer Banken sollten angesichts der von aussen getriebenen Veränderungen von den Besten lernen und erkennen, dass die Lösung der bevorstehenden Herkulesaufgabe nur mit Sourcing, Kooperationen und Plattformen möglich sein wird. Dies erfordert jedoch bei den meisten Instituten ein fundamentales Umdenken: Denn obschon jede Bank behauptet, kundenzentriert zu sein, handelt man nach wie vor unternehmenszentriert. Grundsätzlich wird alles in der Bank selbst gemacht, weil man so auch die direkte Kontrolle hat. So werden beispielsweise mit hohem Aufwand die eigenen Hypothekarprozesse digitalisiert, meist ohne zu prüfen ob die Auslagerung der Kreditverarbeitung die bessere Option wären. Dies obschon die wenigsten Hypothekarkunden interessiert, wer die Abwicklung erledigt, so lange alles einwandfrei funktioniert. Auch bei Diskussionen rund um neue Plattformen ist der «not invented here» Gedanke bei Banken omnipräsent: Man begrüsst zwar die Idee einer Plattform durchaus, aber nur wenn es diejenige ist, die man gerade selbst entwickelt. Solange Banken das Denken nicht verändern und offen für Lösungen von Dritten werden, behindern sie sich selbst auf dem Weg in eine erfolgreich Zukunft.
Dabei ist es mit der Veränderung des Denkens noch lange nicht getan. Wenn Banken davon überzeugt sind, dass der Wandel nur mit Sourcing, Kooperationen und Plattformen erfolgreich bewältigt werden kann, dann müssen sie einerseits rasch solche Handlungsoptionen erarbeiten und realisieren. Andererseits müssen sie auch dafür sorgen, dass sie über die nötigen Kompetenzen verfügen. Ist das eigene Institut im Sourcing agil genug unterwegs? Verfügt die Bank über das Know-how um Sourcing- und Kooperationspartner richtig zu managen? Ist das Unternehmen in der Lage rasch und kompetent wesentliche Funktionen des Geschäfts auszulagern? Ist das Wissen, welche Plattformen die Bankkunden wünschen und welche Unternehmen schon daran sind, einzelne Elemente dazu zu realisieren, vorhanden? Verfügt die Bank über ein Konzept, wie bei Plattformen sichergestellt werden kann, dass der Kunde auch in Zukunft Kunde des eigenen Instituts ist und nicht an Plattformbetreiber oder Dritte verloren geht?
Mit der Veränderung des Setups der Bank sind somit eine ganze Reihe zusätzlicher Herausforderungen verbunden. Eine vermehrte Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen sowie eine verstärkte Abgabe von Funktionen an Dritte, die sich spezialisiert haben, sind dabei unerlässlich. Dies deshalb, weil schon die Herausforderungen im Kerngeschäft gross sind und viele Ressourcen binden werden. Aber immerhin kann die Bank so von Investitionen profitieren, welche ihre Partner tätigen um in ihrem Bereich erfolgreich zu sein. Mittel- und längerfristig führt diese Entwicklung ohne Zweifel dazu, dass die Finanzindustrie arbeitsteiliger werden wird, wie dies die Automobilindustrie schon vor langer Zeit vorgemacht hat.

Fazit

Um die enormen aktuellen Herausforderungen im Technologiebereich meistern zu können, müssen Banken sich stärker auf ihr Kerngeschäft fokussieren und in vielen Bereichen Spezialisten hinzuziehen, welche in ihrem Kerngebiet ein ausgezeichnetes Know-how und eine hervorragende Effizienz in die Zusammenarbeit einbringen können. Ohne die richtige mentale Einstellung und die entsprechenden bankinternen Anpassungen wird daraus aber nichts werden. Für einen erfolgreichen Weg in die Zukunft dürften die folgenden drei Schritte unerlässlich sein:

  1. Erkennen, dass der zukünftige Erfolg nur mittels Sourcing, Kooperationen und Plattformen möglich sein wird und dass die Bank sich dabei von einer kundenzentrierten Sicht leiten lassen sollte.
  2. Veränderung des bankeigenen Geschäftsmodells durch Fokussierung auf das Kerngeschäft und Aufbau einer Sourcing- und Partnermanagement-Kompetenz.
  3. Realisierung von zweckmässigen Lösungen zusammen mit Partnern.

Kommentare

2 Kommentare

Leser

4. November 2019

@Andreas & Leser Frage: Anhand des Komponenten-Modells, was denkt ihr, wie sieht ein (lukratives) Geschäftsmodell der Banken in 10 Jahren (2030) aus?

Antworten

Viktor Marti

4. November 2019

4. Eine starke Position über USP Mit Outsourcing gibt der Betrieb immer Know-how ab. Und wieder ein Insourcing zu machen ist daher sehr aufwändig. So kann ich mir vorstellen, Banken scheuen sich vor dem Outsourcing, weil es kaum einen Weg zurück gibt.

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