17. August 2020
Der Büroalltag wird auch im Banking zunehmend digitalisiert. Mit dem Projekt «Digitaler Mailraum» hat die UBS einen diesbezüglich interessanten Schritt getätigt, indem der tägliche Posteingang digitalisiert und gleichzeitig die Effizienz der Prozesse erhöht wird. Warum ich dieses Projekt spannend finde und welche Auswirkungen Covid-19 auf dieses Projekt hatte, erfahren Sie im heutigen Blog.
Die UBS hat sich zum Ziel gesetzt, die «Front-to-Back-Efficiency» zu erhöhen und dadurch grundsätzlich digitaler und schneller zu werden. Im Rahmen dieses Programms hat die Bank in den vergangenen rund 10 Monaten einen «digitalen Mailraum» aufgebaut. Um alle gewünschten Funktionalitäten auf einer Plattform vereinen zu können, hat UBS die Plattform selber aufgebaut.
So funktioniert der digitale Mailraum bei UBS
Grundsätzlich hat der digitale Mailraum die Aufgabe, den gesamten physisch anfallenden Posteingang von UBS zu organisieren und optimieren. Darunter fallen beispielsweise Briefe, Formulare oder Verträge, welche der UBS zugestellt werden. In einem ersten Projektschritt wurden die externen Posteingänge digitalisiert. Sämtliche externe Post gelangt nun zum digitalen Mailraum, in welchem alle papierbasierten eingehenden Dokumente zentral bearbeitet werden. Nach dem Auspacken und Vorsortieren der eingehenden Post wird die papierbasierte Korrespondenz gescannt. Während das Scanning von Dokumenten derzeit noch oftmals der letzte Prozessschritt ist (Archivierung), werden die Unterlagen in dieser Prozesslogik gleich nach dem Eintreffen der Unterlagen vom UBS Scanning Team digitalisiert.
Der neue Prozess geht über das eigentliche Scannen hinaus. Ziel ist es, dass die Informationen aus papierbasierten Dokumenten direkt in den IT-Systemen weiterverarbeitet werden können. Entsprechend braucht es für das maschinelle Lesen der Information zusätzlich eine optische Zeichenerkennung. Die Technologie, welche Texte erkennt und eine beschleunigte Sortierung, Zuordnung (Klassifizierung) und Verarbeitung des täglichen Schriftverkehrs im Unternehmen ermöglicht, heisst OCR („Optical Character Recognition“). Auch die UBS setzt die OCR-Technologie ein, um die Aufbereitung und effiziente Weiterverarbeitung von Dokumenten zu ermöglichen.
Der digitale Mailraum sendet nach diesem Prozessschritt die extrahierten Daten dem richtigen Empfänger (eine Person oder eine Gruppe) mit korrekter Angabe zum jeweiligen Geschäftsprozess (z.B. Hypothekarverlängerung) zu. Der Mitarbeitende kriegt danach eine Nachricht im Outlook, dass Post im digitalen Mailraum angekommen ist (vgl. Abbildung 1). Die Post kommt bei UBS jeweils nachts an. Um 9 Uhr sollten die Mitarbeitenden die meisten digital aufbereiteten Informationen bereits im Postfach haben.
Zentral am Prozess ist also, dass nicht «nur» Post eingescannt wird, sondern – wo immer möglich – die Daten bereits so aufbereitet werden, dass die Mitarbeitenden den Prozess digital weiterverarbeiten können. Ein Beispiel ist in Abbildung 2 ersichtlich. Der Mitarbeitende sieht links den Antrag für eine UBS Debit Karte. Rechts kann er den Antrag elektronisch weiter verarbeiten.
So gut funktioniert es bislang – und warum Corona das Projekt beschleunigt hat
Der ursprüngliche Projektplan sah vor, dass 13’000 Mitarbeitende der UBS Schweiz bis Ende Sommer 2020 den digitalen Mailraum nutzen sollten. An Weihnachten haben rund 500 Mitarbeitende das Tool getestet. Die Bank hatte dabei durchaus etwas Respekt vor der Aufgabe, die Mitarbeitenden in diese neuen (digitalen) Prozesse einzuführen. Doch statt des geplanten Projekt-Rollouts kam der durch die beschleunigte Ausbreitung des Corona-Virus verursachte Lockdown. Da die physische Auslieferung der Briefe an Personen im Homeoffice schwierig ist, wurde der digitale Mailraum kurzfristig deutlich schneller umgesetzt als ursprünglich geplant. Per 1. April 2020 wurde er für rund 13’000 Mitarbeitende der UBS Schweiz ausgerollt. Diese breite Lancierung hat technisch gut geklappt – und auch die Akzeptanz war gemäss Aussagen der UBS durch die speziellen Umstände des Lockdowns sehr schnell sehr hoch, das Feedback positiv. In der Zwischenzeit haben sich viele Mitarbeitende bereits an die neue Lösung gewöhnt. Möglicherweise hängt dies auch damit zusammen, dass das Tool – gemäss einigen Feedbacks die ich erhalten habe – ziemlich einfach und intuitiv zu bedienen ist. Auch das «Look and Feel» ist ähnlich wie andere Tools, welche Kundenberatende nutzen.
Eindrücklich ist, dass Anfangs Juli bereits 89 Prozent aller Dokumente, die per externer Post angekommen sind, digital verarbeitet werden. 11 Prozent der Briefe, vor allem solche die als «persönlich» markiert sind oder Urkunden und ähnliches, werden (noch) nicht digital verarbeitet.
Ein kritischer Punkt ist sicherlich, wie viel dieser Korrespondenz auch inhaltlich korrekt erkannt wird. Gemäss Falk Schwesinger, Head Operational Transformation bei der UBS Schweiz, funktioniert vor allem das Erkennen von strukturierten Daten (v.a. UBS-Formulare) sehr gut. Hier können viele Daten herausgefiltert und für die weitere Verarbeitung vorbereitet werden. Komplexer sind hingegen unstrukturierte Daten (z.B. Briefe mit Anweisungen von Kunden). Gerade für das Wealth Management wäre das Erkennen und die elektronische Weiterverarbeitung von unstrukturierten Aufträgen sehr wichtig.
Mögliche Felder der Weiterentwicklung und Optimierung
Natürlich kann der Digitale Mailraum noch weiterentwickelt werden. Die folgenden Massnahmen sind geplant:
Künftig soll auch die interne Post auf die Plattform des digitalen Mailraums kommen. Dies würde nicht nur die Effizienz erhöhen, sondern auch mehr Papier sparen.
Fazit
Der digitale Mailraum hilft der UBS, das digitale Arbeiten weiterzuentwickeln und damit auch die Arbeitseffizienz potenziell zu erhöhen. Er zeigt zudem auf, dass die Digitalisierung auch zu Verbesserungen von internen Arbeitsabläufen führen kann. Gleichzeitig können auch Kunden von solchen Projekten profitieren, indem Dokumente schneller am richtigen Ort sind und die Antwortzeiten sich dadurch verkürzen. Entsprechend halte ich dieses Projekt für sinnvoll und relevant.
Mir persönlich ist derzeit keine andere Schweizer Bank bekannt, die ein solches Projekt in diesem Ausmass verfolgt. Aus dem Markt hört man aber, dass einzelne Versicherungsinstitute ähnliche Plattform lancieren. Sinnvoll wäre der Einsatz einer solchen Lösung sicherlich auch für Krankenkassen.
Kommentare
2 Kommentare
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28. Dezember 2020
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Oliver Mascher
17. August 2020
Die Digitalisierung des Posteingangs sollte seit mindestens 15 Jahre (zu mindestens bei Versicherungen) Standard sein. Auch das Auslesen von Formularen wird schon sehr lange von Standardsoftware unterstützt. Viele Formulare werden bereits vollständig automatisch erkannt und verarbeitet (z.B. Abrechnungen bei Krankenkassen). In den letzten 5 Jahren ist durch Machine Learning ein grösserer Fokus auf die Erkennung der Inhalte bei unstrukturierten Posteingängen gelegt worden, um die teilweise manuelle Triage auch vollständig zu automatisieren. Heute gehen normalerweise alle Anstrengungen in die Richtung den Papiereingang zu vermeiden. Heute sollte gar kein Papierantrag mehr für die Beantragung einer Debitkarte oder die Verlängerung einer Hypothek notwendig sein.
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.