31. August 2020

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Darum weiss die Credit Suisse, welche Artikel künftig wie oft gelesen werden

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Die Bereiche Analytics und Machine Learning haben bei den meisten Banken derzeit aus meiner Sicht noch eine zu tiefe Bedeutung. Einzelne Banken haben aber schon interessante Anwendungsfälle im Einsatz. Im heutigen Blog stelle ich ein Projekt der Credit Suisse im Bereich der «Predictive Analytics» vor. Mit Hilfe von Algorithmen erfahren die Autoren von Texten bereits vor der Veröffentlichung eines Artikels, wie oft und intensiv dieser möglicherweise gelesen wird. Gleichzeitig werden konkrete Vorschläge gemacht, wie die Texte optimiert werden können, damit sie für die entsprechende Zielgruppe relevant(er) werden.

Die Credit Suisse verfasst auf ihrer Webseite schon seit längerer Zeit regelmässig Artikel für ihre (potenziellen) Kundinnen und Kunden. Lange Zeit wurde die Relevanz der entsprechenden Artikel nur oberflächlich oder gar nicht gemessen. Die Autoren hatten nur wenige Anhaltspunkte darüber, wer, warum und wie lange einen Text gelesen hatte. Durch ein vor rund zwei Jahren lanciertes Analytics-Projekt ist die Transparenz diesbezüglich stark gestiegen. Einerseits hilft das Tool zu verstehen, was «passiert» ist. Andererseits – und dies ist spannend aus meiner Sicht – kann die Lösung auch «vorhersagen», wie gross die Relevanz eines noch nicht publizierten Artikels sein wird.

Unterteilung Analytics

Die Anwendungsfälle im Bereich «Analytics» können abhängig vom Nutzungsziel und dem zeitlichen Horizont in mehrere Formen unterteilt werden. In Anlehnung an das Gartner Analytics-Reifegradmodell (2012) kann Analytics in deskriptive, diagnostische, prädiktive und präskriptive Analytics unterteilt werden. Während sich beispielsweise die deskriptive Analytics mit der Vergangenheit beschäftigt und versucht, Auswirkungen auf die Gegenwart zu verstehen, liefert die präskriptive Analytics auch Handlungsempfehlungen, wie man einen bestimmten Trend in eine gewünschte Richtung beeinflussen, ein vorhergesagtes Ereignis verhindern oder auf ein zukünftiges Ereignis reagieren kann.

Abbildung 1: Unterschiedliche Formen von Analytics nach Gartner (2012)

Das Projekt der Credit Suisse beinhaltet neben «deskriptiver Analytics» auch «prädiktive Analytics»-Bausteine. Auf diese beiden Elemente werde ich nachfolgend eingehen.

Deskriptive Analysen der Publikationen

Interessant finde ich das für die Autoren zur Verfügung stehende Dashboard nach der Publikation eines Artikels. Der Erfolg jedes Artikels wird detailliert analysiert. Zudem können zwei Artikel einander gegenübergestellt werden, so dass die Performance dieser Artikel im Detail verglichen werden kann. Interessant ist auch die Funktion des «Conversion Funnels». Ein Trichter mit drei Stufen zeigt auf, 1) wie hoch die Anzahl der Besucher war («All Visitors»), 2) ob und wie oft der Leser u.a. zusätzlich noch weitere Artikel angeklickt oder sich Videos angeschaut hat («Engagement Layer») und 3) ob der Kunde basierend auf diesem Artikel auch eine bestimmte Handlung vorgenommen hat wie beispielsweise ein Konto eröffnen oder ein Produkt erwerben («Conversion Layer»).
Die Bank hat anhand verschiedener Faktoren einen «Content Score» entwickelt. Dieser wird – sehr vereinfacht dargestellt – aus verschiedenen und auch unterschiedlich gewichteten KPI wie zum Beispiel der Anzahl Klicks, der Verweildauer, der Anzahl der nach dem Lesen des Artikels besuchten Seiten oder dem Anteil der gelesenen Artikel generiert, damit dadurch die Relevanz eines Artikels berechnet werden kann. Die Maximierung dieses – vereinfacht mit drei Sternen dargestellten – Scores ist schlussendlich das Hauptziel der Bestrebungen des Analytics-Teams.
Der aus meiner Sicht interessanteste Teil des Projekts und eine interessante Innovation im Banking ist das von der Credit Suisse entwickelte “Content Success Prediction Model”. Dieses soll bereits vor der Veröffentlichung eines Artikels aufzeigen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Artikel erfolgreich ist, respektive wie oft und intensiv dieser gelesen wird. Dies ist eine klassische Weiterentwicklung im Bereich der Analytics vom rein deskriptiven Modell (was ist passiert?) zum vorhersagenden Teil (was wird passieren?).

Wissen, wie erfolgreich ein Artikel ist, BEVOR man ihn veröffentlicht

Als Verfasser eines Textes hat man die Möglichkeit, seinen Textentwurf in die sogenannte «Content Success Prediction Model Box» zu kopieren. Des Weiteren muss man angeben, wie viele Bilder oder Videos man für den Text plant, zu welchem Themenfeld der Text gehört und an welchem Wochentag und zu welcher Uhrzeit der Text publiziert werden soll (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Content Success Prediction Model der Credit Suisse

Anhand dieser und weiterer Informationen wie zum Beispiel der Textlänge oder auch der Länge der einzelnen Sätze wird basierend auf den in der Vergangenheit publizierten Artikel berechnet, wie relevant dieser Artikel für die (potenziellen) Credit Suisse Kunden sein wird. Die Prediction Engine macht jeweils Prognosen zum «Traffic Volume» und der «Content Consumption» mit den Attributen «low», «medium» und «high» (vgl. Abbildung 2; rechts oben). Gleichzeitig gibt die Maschine konkrete Tipps an die Schreibenden, wie sie den Text relevanter machen können. Die entsprechenden Verbesserungsvorschläge sind allgemeiner Art im Sinne von «Text kürzen», «Bilder und Videos ergänzen» oder die «Anzahl der komplexen Wörter reduzieren» (vgl. Abbildung 2, rechts). Durch entsprechende Anpassungen im Text kann man bereits vor der Publikation verfolgen, wie sich die Relevanz des Artikels verbessern wird.
Neben diesen eher generischen Vorschlägen zur Verbesserung, werden auch verschiedene Plots zur Verfügung gestellt, durch welche der Artikel im Vergleich zu anderen Artikeln derselben Kategorie (z.B. Sustainability) in Bezug auf Textlänge, Publikationszeit, etc. verglichen werden kann (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Plots zum Vergleich des Artikels (schwarzer Stern) im Vergleich zu anderen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Artikeln der gleichen Kategorie

Natürlich prüft das Analytics-Team der Credit Suisse nach der Veröffentlichung eines Artikels, wie gross die Übereinstimmung zwischen der Vorhersage und den tatsächlichen Zahlen ist. Dadurch kann das System dazulernen («Machine Learning»).

Bisherige Erfahrungen und Ausbaupläne

Der durchschnittliche Performance-Score der Texte ist gemäss dem Berechnungsmodell der Credit Suisse seit Einführung der oben beschriebenen Lösung um 20 Prozent angestiegen. Einerseits haben sicherlich die ausführlichen Analysen nach einer Publikation zu einem besseren Verständnis der Erfolgstreiber geführt. Durch dieses Dashboard wurde der Erfolg jedes Artikels transparent.
Andererseits soll das je länger je mehr eingesetzte «Content Success Prediction Model» zu einem weiteren Schub in Bezug auf die Relevanz der Texte führen. Gemäss der Credit Suisse ist als einer der nächsten Ausbauschritte geplant, dass dieses Modell auch für Texte auf Deutsch angewendet werden kann, was die Nutzung des Tools durch die Schreibenden weiter erhöhen soll. Bislang können nur englischsprachige Texte von der Maschine bewertet werden. Weitere Optimierungsmöglichkeiten bestehen im verstärkten Einbezug von Keywords und einer Analyse der Relevanz vom Titel der verschiedenen Artikel.
Längerfristig möchte man die gewonnene Intelligenz auch dafür nutzen, mittels sogenannter Recommender Systemen dem Kunden interessante weitere Artikel vorzuschlagen (Kunden, die sich für Artikel A interessieren, könnten sich auch für Artikel C interessieren). Ebenso wäre es wünschenswert, wenn eine Kundenberaterin oder ein Kundenberater künftig wissen würde, für welche Artikel und Themen sich seine Kunden interessieren.

Fazit

Viele Banken haben sich noch nicht vertieft mit Einsatzmöglichkeiten von Analytics auseinandergesetzt. Wenn Analytics eingesetzt wird, dann geschieht dies meistens vergangenheitsbezogen, d.h. es wird mittels deskriptiver Analytics versucht zu verstehen, was welche Kunden gemacht haben. Insofern ist der Schritt der Credit Suisse mit der Implementierung eines ersten prädiktiven Modells spannend. Der gewählte Anwendungsfall – die Unterstützung von Schreibenden beim Optimieren ihrer Texte – ist auch durchaus sinnvoll. Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang einfach, dass das Tool als Hilfestellung und nicht als Bevormundung verstanden wird. Aus Business Perspektive ist dieses Tool in der derzeitigen Ausprägung ein erster Schritt hin zu personalisierteren Angeboten und einem besseren Verständnis, welche Kunden sich für welche Themen wann interessieren.

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