PostFinance hat im Mai 2020 vier neue Angebote im Bereich der Vermögensverwaltung, der Anlageberatung und für das selbstständige Investieren lanciert. Fünf Monaten nach dem Markteintritt dieser Lösungen werde ich kurz auf die Produkte eingehen und mithilfe von für diesen Blog gezeigten Daten ein Fazit zur bisherigen Entwicklung und zum Kundenprofil dieser Angebote ziehen.
PostFinance möchte mit ihren verschiedenen Angeboten auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Kundenprofile eingehen. Zentrale Überlegung ist, dass viele Kunden nicht auf Beratung verzichten möchten, jedoch zumindest teilweise den digitalen Kanal benutzen. Durch die Kombination dieses hybriden Ansatzes mit den verschiedenen Anlegertypen (Delegatoren, Validatoren, Execution Only-Kunden) will PostFinance eine breite Masse von bestehenden und potenziellen Kunden ansprechen.
Vor fünf Jahren hatte PostFinance noch angekündigt, dass der Roboadvising-Service von PostFinance auf der «White-Label-Plattform» der Swissquote Bank aufbauen werde. Diese Absicht wurde in der Zwischenzeit revidiert. Einerseits ist die Produktpalette breiter als ursprünglich angekündigt. Andererseits erfolgte die Umsetzung der verschiedenen Lösungen mit der Firma additiv. PostFinance nutzt aber unverändert die elektronische Plattform von Swissquote für ihr E-Trading als fünfte digitale Anlagelösung.
Die Palette der vier neuen Anlagelösungen von PostFinance
Die vier verschiedenen Produktausprägungen von PostFinance sind wie folgt:
Das interessanteste Produkt ist aus meiner Sicht die E-Vermögensverwaltung. Bei der E-Vermögensverwaltung wählen die Kundinnen und Kunden eine Anlagestrategie sowie einen der drei Anlagefokusse «Schweiz», «Global» oder «Nachhaltig» und delegieren die Verwaltung ihres Vermögens an PostFinance. Der digitale Aspekt besteht darin, dass der Kunde im E-Banking sein Risikoprofil eingeben und danach selber angeben kann, welche der drei Strategien verfolgt werden soll. Das Portfolio und die Performance können jederzeit online überprüft werden. Bei Bedarf kann auch ein Beratungstermin vereinbart werden. Die Umsetzung erfolgt durch einen Anlageausschuss, welcher schlussendlich 15 Musterportfolios bewirtschaftet. Der Mindestbetrag für eine Investition beträgt CHF 5’000. Die Kosten betragen 0.75 Prozent p.a. auf dem durchschnittlichen Anlagevermögen. Abbildung 1 zeigt als Beispiel eine Anlageübersicht der E-Vermögensverwaltung.
Zwei weitere «digitale Anlageprodukte» sind Beratungslösungen, die sowohl traditionell mittels Gesprächen in der Filiale, aber auch rein digital abgeschlossen und genutzt werden können.
Bei der Anlageberatung Plus wählen die Kundinnen und Kunden eine Anlagestrategie sowie einen der drei Anlagefokusse «Schweiz», «Global» oder «Nachhaltig» aus und können sich (nach Wunsch) online oder persönlich beraten lassen. Weicht das Anlageportfolio von der gewählten Anlagestrategie ab, benachrichtigt PostFinance ihre Kundinnen und Kunden automatisch und unterbreitet ihnen digital neue Anlage- oder Umschichtungsvorschläge, die sie annehmen oder ablehnen können. Wichtig ist, dass die Hausmeinung von PostFinance stets in diese Umschichtungsvorschläge einfliesst. Diese und auch weitere Aspekte wie zum Beispiel das Risiko-Rendite-Profil der Anlage kann der Kunde jederzeit einsehen. Die empfohlene Mindestanlagesumme beträgt für dieses Produkt CHF 80’000. Die Kosten belaufen sich auf 0.90 Prozent p.a. auf dem durchschnittlichen Anlagevermögen.
Bei der Fondsberatung Basis treffen die Kundinnen und Kunden ihre Anlageentscheide aufgrund der Empfehlung von PostFinance selbstständig digital. Auf Wunsch können sie sich von einem Kundenberater oder einer Kundenberaterin von PostFinance beraten lassen. Im Vergleich zur «Anlageberatung Plus» erhalten Kunden mit der „Fondsberatung Basis» keine regelmässige individuelle Anlage- und Umschichtungsvorschläge für ihr Portfolio. Entsprechend findet auch keine aktive Überwachung des Kundenportfolios statt.
Die Asset Allocation wird vom Anlageausschuss monatlich neu definiert und danach ausgeführt. Ein automatisches «Rebalancing» gibt es dadurch nicht. Wenn aber die Bandbreiten dieser Lösungen verletzt werden, schichtet PostFinance die Anlagen um. Persönliche Ausschlusskriterien (keine amerikanischen Titel, kein Gold, etc.) sind nur bei der Anlageberatung Plus umsetzbar, nicht aber bei der E-Vermögensverwaltung.
Interessant bei allen drei Modellen ist, dass die Kunden alles online, alles in der Filiale oder auf den verschiedenen Kanälen (hybrid) machen können.
Schliesslich gibt es das Modell des «Selfservice Fonds» für die Gruppe der self-directed Fondsanlegerinnen und -anleger (ohne Beratung). PostFinance stellt dabei ein überschaubares Angebot von 49 Fonds zur Verfügung, aus denen Kunden selbstständig auswählen können. Möchte ein Execution Only-Kunde in Einzeltitel investieren, ist dieses Angebot entsprechend wenig zielführend. Für diese Kundengruppe gibt es die Möglichkeit zum Handel von Einzeltiteln im E-Trading. Einzelzeichnungen sind beim Modell von Selfservice Fonds ab CHF 2’000 möglich. Die Kosten belaufen sich auf 1 Prozent Ausgabekommission auf dem Zeichnungsbetrag und 0.15 Prozent p.a. auf dem durchschnittlichen Depotvermögen.
Kunden können die Eröffnung zwar selbstständig im E-Banking machen. Es ist aber für Kunden wohl nur schwer auffindbar ohne Anleitung (via Angebote à Produkt eröffnen à Anlegen à Produktauswahl).
Nutzung
Interessant ist die bisherige Nutzung der verschiedenen Angebote. Für meinen Blog hat mir PostFinance die folgenden Zahlen zur Verfügung gestellt:
Die Produkte «E-Vermögensverwaltung», «Anlageberatung Plus» und «Fondsberatung Basis» haben bereits nach fünf Monaten ein Volumen von 140 Millionen erreicht. Die E-Vermögensverwaltung hat dabei ein Volumen von CHF 106 Millionen. Dies ist aus meiner Sicht durchaus beachtlich, wenn man sich vor Augen führt, dass der Robo Advisor von Swissquote (ePrivate Banking) zehn Jahre nach der Lancierung rund CHF 235 Millionen und TrueWealth sieben Jahre nach der Gründung ein Volumen von rund CHF 300 Millionen ausweisen.
79 Prozent der Neueröffnungen waren für das Produkt der «E-Vermögensverwaltung», 20 Prozent für die «Fondsberatung Basis» und 1 Prozent für die «Anlageberatung Plus».
Insgesamt konnte PostFinance für diese drei neu lancierten Produkte rund 3’300 Abschlüsse verzeichnen. 32 Prozent davon waren bereits bestehende Kunden, die das Angebot «gewechselt» haben. Das durchschnittliche Volumen ist dabei vor allem für diese frühe Phase durchaus bemerkenswert: Ein durchschnittliches Depot bei der E-Vermögensverwaltung beträgt bereits über CHF 42’000. Bei der Anlageberatung (empfohlen ab CHF 80’000) ist das durchschnittliche Volumen CHF 200’000.
Das Ziel von PostFinance ist es, per Ende Jahr 5’000 Kunden für diese Anlageprodukte gewonnen zu haben. Pro Woche kommen derzeit rund 100-150 Neu-Eröffnungen dazu.
Rund 18 Prozent der Eröffnungen werden rein digital vorgenommen (d.h. es gab keinen persönlichen Kontakt in der entsprechenden Zeitperiode). Gemessen am Volumen beträgt der «digital only» Anteil in etwa 7 Prozent.
Etwas überraschend (aber positiv) ist für mich, dass das Verhältnis von Männern und Frauen bei der Produktnutzung ziemlich ausgeglichen ist. 58 Prozent der Kunden sind männlich, derweil 42 Prozent der Nutzerinnen weiblich sind. Dies ist erstaunlich, weil Robo Advisor bislang rund 80 Prozent von Männern genutzt wird. Bei diesen PostFinance Produkten, inklusive der E-Vermögensverwaltung sieht die Situation anders aus. Eine mögliche Ursache hierfür könnte in der Möglichkeit der Kundinnen und Kunden liegen, die Produkte auch im direkten Kontakt mit einer Kundenberaterin oder einem Kundenberater abschliessen zu können (nicht nur online, siehe auch den oberen Bulletpoint).
98 Prozent aller bisherigen Kunden sind bestehende PostFinance-Kunden. Dies ist aus meiner Sicht wenig überraschend, da die Hürde für diese Kunden tiefer sind (Registration im E-Banking) und Neukunden bislang auch marketingtechnisch noch nicht im Fokus waren. PostFinance möchte zudem vor allem Kunden für diese Produkte gewinnen, die das Finanzinstitut derzeit nur als Nebenbankbeziehung benutzen.
Die Altersverteilung in den drei Kategorien «20-40 Jahre», «40-60 Jahre» und «über 60 Jahre» ist derzeit ziemlich ausgeglichen, wie Abbildung 2 aufzeigt. In Bezug auf die Assets liegt hingegen 89 Prozent des angelegten Vermögens bei den über 40-jährigen Personen resp. 57 Prozent bei den über 60-jährigen Personen.
Fazit
Bei PostFinance wird noch immer viel Spargeld parkiert, was beim derzeitigen Zinsumfeld aus Sicht PostFinance nicht interessant ist. Darüber hinaus gibt es viele Kunden, die zwar ihr Erspartes bei PostFinance aufbewahren, ihr Anlagegeschäft jedoch bei anderen Banken betreiben. Vor dem Hintergrund dieser Fakten und auch bedingt durch das Kreditvergabeverbot will PostFinance im Bereich des Anlegens einen Fokus setzen. Die vier lancierten Angebote sind aus meiner Sicht in Bezug auf die Technologie oder den Innovationsgrad nicht speziell auffällig im Markt. Die meisten Elemente findet man auch bei den Angeboten der Konkurrenz. Interessant ist diese Angebotspalette aber vor allem deshalb, weil PostFinance es möglich macht, bereits ab kleinen Beträgen in solche Dienstleistungen und Angebote zu investieren und sich die Kosten trotz der (hybriden) Möglichkeit einer Beratungsleistung immer in etwa im Rahmen eines reinen Robo Advisor Mandats bewegen. In Kombination mit der hohen Vertriebskraft lohnt es sich, diese Zahlen bei PostFinance genauer zu verfolgen. Die bisherige Entwicklung erachte ich durchaus als positiv. Läuft das Wachstum in einem ähnlichen Ausmass weiter (und weitere Marketing-Aktivitäten und Vertriebsschulungen sind geplant), könnte PostFinance im Bereich der digitalen Vermögensverwaltung im Retail-Segment bald Marktführer werden.
PS: Die Retail Banking Konferenz ist praktisch schon ausverkauft. Damit auch weitere Personen an der Konferenz teilnehmen können, bieten wir nun zusätzlich an, der Konferenz auch online folgen zu können.
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