20. September 2021

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Prozessmanagement

American Football für Banken

Von Dr. Felix Buschor

James P. Womack hat Anfang der 1990-er Jahre die Prinzipien des Lean Managements, wie sie vor allem Toyota entwickelt hat, in der westlichen Hemisphäre populär gemacht. Mit etwas Verzögerung haben in den 0-er Jahren auch Banken angefangen, mit Lean Ansätzen zu experimentieren. Sie beabsichtigen damit, Arbeitsleistung und Ressourcen so zu fokussieren, dass ein möglichst grosser Kundennutzen resultiert.
Die SGKB hat im Nachgang zur Einführung der Avaloq-Plattform 2008 begonnen Lean Ansätze einzuführen – in erster Linie, um die Verarbeitungsprozesse zu optimieren. Die LLB wiederum hat im Rahmen ihrer Strategieplanung für die Jahre 2016-2020 Lean Management zu einem bankweiten Schwerpunkt erklärt.

Das Huddle-Board stärkt das Wir-Gefühl

Zwecks Verankerung der Lean Gedanken im Berufsalltag hält der Lean Werkzeugkasten die täglichen Huddles bereit. Huddles haben ihre Wurzeln im American Football, wo sie die Versammlung der Spieler vor dem nächsten Spielzug bezeichnen (siehe Abb. 1).

Abbildung 1: Huddle im American Football (Quelle: flickr)

Sowohl LLB als auch SGKB führen als Teil ihrer Lean Initiativen Huddles durch. Diese Huddles sind kurze, d.h. fünf- bis maximal fünfzehn-minütige tägliche Steh-Meetings. Herzstück dieser Team-Meetings ist das Huddle-Board. Die täglichen kurzen Huddles helfen den Teams beider Banken gleich in mehrfacher Hinsicht:

  • Den Tagesablauf zu planen,
  • die Umsetzung von Verbesserungsideen zu verfolgen und sicherzustellen,
  • Wissen, wo das Team in Bezug auf Leistung, Auslastung, Abwesenheiten und Stimmung steht und
  • Informationen dem ganzen Team zugänglich zu machen

Zu diesen Punkten werden auf dem Huddle-Board tagesaktuell und für das ganze Team sichtbar Informationen und Entscheide visualisiert. Diese werden soweit möglich durch die Teamleiter/innen und Teammitglieder vor dem Meeting aufdatiert. Auch hier gilt: Der Zeitbedarf muss gering sein.

Am Team-Meeting selber erhalten die Teammitglieder Gelegenheit, sich zu aktuell laufenden, geplanten und abgeschlossenen Aufgaben sowie allfälligen Blockierungen zu äussern. Die Moderation des Team-Meetings erfolgt bei beiden Banken nicht zwingend durch die Teamleiter/innen, sondern kann auch von engagierten Mitarbeitenden übernommen werden.

Beide Banken betonen, dass die allermeisten Teams nach anfänglichen Bedenken das tägliche Huddle-Board nicht mehr missen wollen. Die offene Kommunikation, das voneinander Lernen sowie das gegenseitige Aushelfen, kurz das gestärkte Wir-Gefühl sind für alle deutlich spürbare Vorteile. Einziger Wermutstropfen: Für beide Banken kaum nachzuweisen ist eine «Bottom-Line-Wirkung» der Huddles. Der tägliche Aufwand für die Team-Meetings lässt sich noch gut abschätzen, beim finanziellen Vorteil wird es anspruchsvoller. Beide Banken betonen aber, dass die tägliche Abstimmung Leerzeiten reduziert und dadurch freie Kapazitäten schafft.

Standard-Board bei der LLB – Mutter-Board bei der SGKB

Als Teil der gruppenweiten Lean-Strategie hat die LLB beginnend ab 2016 tägliche Team-Meetings eingeführt, deren Dreh- und Angelpunkt das Huddle-Board ist. Die LLB hat für ihre Team-Meetings ein Standard-Board (Abb. 2) entwickelt, das sich dadurch auszeichnet, dass Massnahmen zur Umsetzung von Verbesserungsideen einen hohen Stellenwert haben und bei erfolgreicher Umsetzung auch entsprechend gewürdigt und gefeiert werden sollen. Mit dem Standard-Board verfolgt das Lean-Team der LLB die Absicht, über alle Teams sehr ähnliche Boards im Einsatz zu haben. Passend zum Standard-Board instruiert die LLB auch einen Standard-Ablauf (siehe Abb. 2). Danach wird das Team-Meeting mit dem Teambarometer zur Stimmung gestartet, allfällige neue Ideen werden diskutiert und priorisiert, die Umsetzung laufender Ideen wird besprochen, Erfolge werden gewürdigt und Informationen ausgetauscht. Neben dem Moderator des Team-Meetings hat die LLB auch vorgesehen, dass für jedes Huddle-Board ein «Owner» nominiert wird, der dieses bewirtschaftet.

Abbildung 2: Standard-Board mit Standard-Ablauf der LLB (Quelle: LLB)

Die SGKB hat das Huddle-Board im Verlaufe des Jahres 2018 ausgerollt, nachdem ein Teamleiter im Anschluss an einen Kurs in seinem Team das Huddle-Board erfolgreich eingeführt und andere Teams mit seiner Begeisterung angesteckt hatte. Im Unterschied zur LLB hat die SGKB von der Implement Consulting Group ein «Mutter-Board» (siehe Abb. 3) als Quelle der Inspiration übernommen. Im Zentrum dieses Boards steht die tägliche Einsatzplanung des Teams. Ausgehend von diesem Mutter-Board haben die Teams ihre eigenen Huddle-Boards entwickelt, was zu einer grossen Vielfalt unterschiedlicher Varianten geführt hat. Die individualisierten Boards wurden teamweise in einer «Bastelstunde», angeleitet von internen und externen Lean Coaches mit Schere und Papier konzipiert und hergestellt. Vorbereitend hat für die Teamleiter/innen und deren Stellvertreter/innen ein eineinhalb-tägiges Lean Leadership Training stattgefunden. Nachdem ein Team einige Huddles durchgeführt hatte, haben die Lean Coaches zwei Meetings beobachtet und Feedback gegeben. Da jedes Team sein Huddle-Board massgeschneidert hat, wurden im Rahmen eines Erfahrungsworkshops die verschiedenen Boards gegenseitig vorgestellt, um voneinander zu lernen. Mangels eines einheitlichen Boards kennt die SGKB im Gegensatz zur LLB keinen standardisierten Ablauf des Team-Meetings.

Abbildung 3: Mutter-Board der SGKB (Quelle: Implement Consulting Group)

Während die SGKB das Basteln des eigenen Huddle-Boards ins Zentrum der Einführung stellte, wählte die LLB den Ansatz des Learning by Doing. In dessen Verlauf hat das zentrale Lean Kompetenzzentrum der LLB teamweise zuerst die Basis für das Huddle-Board gelegt. Fixiert wurden Standort des Huddle-Boards und Zeitpunkt des täglichen Team-Meetings. Dann wurde mit den nominierten Moderatoren ein fiktives Team-Meeting entlang dem definierten Ablauf durchgeführt. Nach dieser kurzen Einführung wurde jedes einzelne Team in seinen täglichen Meetings solange von einem Mitarbeitenden des Lean Kompetenzzenters begleitet, bis Ablauf und Einsatz des Huddle-Boards eingeschliffen waren.

Bei der LLB Einsatz in allen operativen Teams – bei der SGKB auch in Führungsteams

Die LLB hat die täglichen Team-Meetings gruppenweit für alle im Tagesgeschäft tätigen Teams eingeführt. Dazu gehört nicht nur das Mutterhaus, sondern auch die Schweizer Tochtergesellschaft Bank Linth. Zuerst wurden die Huddle-Boards bei den Verkaufsteams und später in den Teams der zentralen Einheiten eingeführt. Demgegenüber hat die SGKB die Ausbreitung des Huddle-Boards auf Verarbeitungseinheiten konzentriert. Neben den Verarbeitungseinheiten haben weitere Teams zentraler Einheiten die Idee des Huddles passend auf ihre Bedürfnisse umgesetzt. So sind etwa in der Informatik Huddle-Boards mit grossen Ähnlichkeiten zu agilen Instrumenten, z.B. Kanban-Boards im Einsatz. Während sich bei der LLB die Huddles auf die operativ tätigen Teams beschränken, führen in den Verarbeitungseinheiten der SGKB auch Führungsteams regelmässig, allerdings nicht täglich, Huddle-Boards durch.

Abbildung 4: Unterschiede Huddle-Board SGKB und LLB

Nachahmung empfehlenswert

So unterschiedlich die Ansätze der beiden Banken sind: Beide kommen zum Schluss, dass die Einführung des Huddle-Boards empfehlenswert ist. Allerdings müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein: Experimentierfreudige Kultur, Unterstützung durch die Führungskräfte und klare Kommunikation, wie mit realisierten Einsparungen umgegangen wird. Gerade der letzte Punkt ist entscheidend fürs Engagement der Mitarbeitenden. Eine der beiden Banken geht diesbezüglich so weit, den Mitarbeitenden zuzusichern, dass Effizienzgewinne nicht zu Entlassungen führen, sondern als Teil natürlicher Fluktuationen realisiert werden. Sind die Rahmenbedingungen geschaffen, und wird beherzigt, dass der Aufwand für die Huddles gering zu halten ist sowie Anfangsschwierigkeiten, kein Grund sind aufzugeben, steht einem Erfolg des Huddle-Boards nichts mehr im Wege.

Mein Dank gilt den Interviewpartnern: Cornelia Studer und Sascha Strazzer, beide LLB sowie Andreas Barattiero, SGKB.

Möchten Sie das Thema mit uns vertiefen? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf (felix.buschor@hslu.ch).

Kommentare

2 Kommentare

Felix Buschor

20. September 2021

Vielen Dank für die Frage. Bei beiden Banken war das Huddle Board während des Lock-Downs und insbesondere fürs Home Office ein wichtiges Instrument. Dazu wurde bei beiden Banken das Huddle Board digitalisiert, in der Regel als Excel oder im One Note, in wenigen Fällen im Powerpoint. Damit konnte unter den Mitarbeitenden Transparenz erreicht werden, so dass jeder und jede wusste woran der oder die andere arbeitet. Dadurch fühlen sich alle bestärkt, dass die anstehenden Aufgaben gerecht verteilt sind. Felix Buschor

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Sandro Widmer

20. September 2021

Spannend. Wie geht das "Huddeln" wenn ein Teil oder alle im HomeOffice sind?

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