2. Dezember 2013
Das Anlagegeschäft hat zwar für viele Retail Banken in den vergangenen Jahren eine grössere strategische Bedeutung erlangt und der Wunsch nach Ertragsdiversifizierung ist nicht erst seit der Tiefzinsphase gestiegen. Trotz der stategischen Bedeutung des Anlagegeschäfts fehlt es bei vielen Banken an innovativen Angeboten in diesem Bereich. Es erstaunt daher nicht, dass Startups hier eine Chance wittern und mit neuen Geschäftsideen den Markt aufmischen wollen. Ein Beispiel dafür ist die Unternehmung MydepotCheck.
MydepotCheck ist seit April 2013 live und hat in der Zwischenzeit fünf Mitarbeitende. Das Unternehmen konnte dabei – wie auch Qontis (vgl. früherer Blog-Beitrag) – die NZZ als Investor gewinnen. Des Weiteren kann das junge Startup-Unternehmen mit der Stiftung für Konsumentenschutz auch ein wichtiges Siegel und damit ihre Unabhängigkeit – ein zentraler Aspekt des Geschäftsmodells – aufzeigen. Die Stiftung für Konsumentenschutz hat mit den Betreibern von MydepotCheck eine Vereinbarung abgeschlossen und überprüft das Angebot nun jährlich in Bezug auf Transparenz, Unabhängigkeit und Neutralität. Zudem hat MydepotCheck den Banking IT-Innovation Award 2013 der Universität St. Gallen gewonnen.
Die Geschäftsidee
MydepotCheck vergleicht das Anlegerprofil anhand verschiedener Kriterien mit dem entsprechenden Portfolio. Das Unternehmen lädt also Schweizer Anleger dazu ein, ihr finanzielles Risikoprofil und die entsprechenden Vorlieben zu eruieren und dann das bestehende Depot damit zu vergleichen. Zu erwarten ist, dass viele Personen ein suboptimales Portfolio haben. Die Firma verzichtet derzeit auf aktive Beratung, da ansonsten die Frage nach der Regulierung rasch auftauchen würde. Sie bieten daher „nur“ Unterstützung auf dem Weg zum optimalen Portfolio an.
So funktionierts
Zuerst kann bzw. muss man ca. 100-120 (Wissens-)Fragen beantworten, um das Finanzwissen, die Finanzerfahrung, die Risikofähigkeit und die Risikobereitschaft zu überprüfen. Bei den Fragen sind auch Erkenntnisse aus der Behavioral Finance eingeflossen. Das Vorgehen ist verständlich, die Fragen sind spannend und sinnvoll, der Prozess jedoch sehr aufwändig. Auf der Plattform wird damit geworben, dass die Dauer zur Beantwortung der Fragen ca. 20 Minuten dauert. Füllt man die Fragen jedoch seriös aus, dauert der Prozess wohl eher 30 Minuten. Natürlich ist es so, dass eine höhere Anzahl von Fragen zu einer insgesamt besseren Einschätzung des Anlegerprofils führen. Mir persönlich waren es aber zu viele Fragen.
Hat man alle Fragen beantwortet, wird das persönliche Profil (auch in Abweichung der eigenen Erwartung) aufgezeigt. Hier erkennt man beispielsweise, dass die eigene Risiko- resp. Verlusttoleranz höher ist, als man dies selber angegeben hat (war z.B. bei mir der Fall…). In einem zweiten Schritt sollte man sein persönliches, derzeitiges Depot online hochladen (möglicherweise besitzen Sie ja unterschiedliche Depots – diese werden hier zusammengezogen). Davon lässt sich das aktuelle Risiko-Profil ableiten, welches anschliessend der „idealen“ Strategie gemäss eigenem Profil gegenübergestellt wird. Somit lassen sich Differenzen zwischen aktuellem Portfolio und dem optimalen Portfolio aufzeigen. In einem weiteren Schritt vermittelt MydepotCheck dann gemäss Anlegerprofil passende Anlagepakete von Banken und Lebensversicherern und weist auch auf die teilweise sehr unterschiedlichen Kosten hin. Im Anlageuniversum von MydepotCheck sind derzeit 25‘000 Titel erfasst. Die Gebühren der einzelnen Banken sind teilweise möglicherweise leicht veraltet, da derzeit noch alles manuell erfasst wird – auf das entsprechende Datum der Gebührenerfassung wird allerdings transparent hingewiesen.
Das Ertragskonzept
Aus Kundensicht ist der gesamte Strategie- und Portfoliocheck kostenlos. Erträge generiert MydepotCheck durch die Vermittlung von Kunden an einzelne Banken, falls diese Interesse an einem Anlagevorschlag haben. Für diesen Service erhält MydepotCheck von allen Anbieter eine einheitliche (Lead-)Gebühr, die unabhängig vom späteren (eventuellen) Vertragsabschluss mit Nutzern von Mydepotcheck anfällt. Dadurch werden mögliche Fehlanreize zur Bevorzugung einzelner Anbieter ausgeschlossen. Hinzu kommen Listinggebühren für die vertretenen Anbieter.
Fazit
Ich persönlich finde das Angebot gut und sinnvoll. Vor allem der Ausweis von Risikokennzahlen (wieso gibt’s solche noch immer nicht im Online Banking?) bei der Depot-Übersicht, der Einbezug von Behavioural Finance-Aspekten in die Anlageberatung oder der Vergleich des eigenen Portfolios mit der „idealen“ Strategie sind gut gelungen. Dies kann eine gute Zusatzdienstleistung für jemanden sein, der vor einem Beratungsgespräch mit seiner Bank steht. Auch ein Vergleich der Kosten „idealer“ Anlagevorschläge bietet für den Kunden einen Mehrwert. Aus meiner Sicht ist das Angebot aber vor allem relevant und interessant für Personen mit einer Affinität zu Finanzprodukten und den Finanzmärkten. Weniger geeignet ist das Angebot wohl für Personen, die über kein Finanzwissen verfügen und sich auch nicht näher damit auseinandersetzen möchten. Für diese Personen ist es zu aufwändig und komplex. Dies bestätigt auch das Faktum, dass ein Durchschnittskunde von MyDepotCheck ein Depot von 520‘000 CHF hat und dadurch wohl schon ziemlich viel Erfahrung mit Finanzprodukten aufweist.
Nachteilig aus meiner Sicht ist, dass de facto nicht alle Angebote in Frage kommen für den einzelnen Nutzer: Schlussendlich muss man noch immer bei der Bank vorbeigehen und ein Depot eröffnen. Dies führt wohl dazu, dass (als Beispiel) Herr Camenisch aus Chur das Top-Angebot der jurassischen Kantonalbank eher ausschlägt und stattdessen auf andere, nicht ganz (kosten)optimale Angebote eingeht.
Der ausführliche und „moderne“ Depotcheck und die Erhöhung der (Kosten-)Transparenz sind aus Kundensicht aber sinnvoll. Fraglich ist einfach, wieso viele Banken solche Angebote (noch) nicht haben.
Anmerkung: Der CEO von MydepotCheck.com, Ivo Streiff, wird neben anderen spannenden Referenten anlässlich der Konferenz „Innovative Angebote im Retail Banking“ vom 26.6.14 seine Geschäftsidee detaillierter vorstellen. Weitere Infos zu dieser Konferenz finden Sie hier.
Kommentare
0 Kommentare
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.