3. Oktober 2022
Videotelefonate sind in der Schweiz verbreitet. Bei Schweizer Banken wird die Videoberatung aber wenig genutzt. Die UBS beweist nun aber, dass dieser Touchpoint mit der richtigen Strategieumsetzung von den Kund:innen auch (oder gerade) für komplexe Beratungsdienstleistungen im Bereich Anlage-, Finanzierungs- und Vorsorge-Geschäfte geschätzt und genutzt wird. Das sogenannte Remote Sales Advice Team von UBS ist in den letzten 12 Monaten stetig gewachsen. Im heutigen Blog zeige ich auf, warum bei UBS funktioniert, was sich bei vielen anderen Banken nur zögerlich entwickelt.
Videoberatung in der Finanzindustrie
Rund 29 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer führen gemäss einer Umfrage von Moneyland (in unterschiedlicher Häufigkeit) Video-Telefonate. Auch im Banking gibt es verschiedene Anwendungsfälle, bei denen die Kommunikation mit Video eingesetzt werden kann. Dazu gehören beispielsweise:
Interessant finde ich vor allem die Videoberatung von Kundenberaterinnen und Kundenberatern zu komplexeren Beratungsthemen. Auch oder gerade für anspruchsvollere Beratungen eignet sich die Videoberatung aus meiner Sicht nämlich sehr gut. Der Vorteil für die Kundschaft ist, dass sie sich den Weg zur Filiale sparen und auch von erweiterten „Öffnungszeiten“ profitieren können. Gemäss einer Studie von BCG in 16 ausländischen Märkten präferieren schon heute 27 Prozent der Kund:innen bei komplexen Geschäften reine Videoberatungs-Leistungen (zusätzlich wünschen sich 21 Prozent der Kund:innen einen Mix zwischen persönlichen Treffen und Videoberatung).
Abbildung 1: Präferierter Touchpoint für komplexe Geschäfte in 16 europäischen Ländern (Quelle: BCG)
In der Schweiz wird Videoberatung bisher – und «trotz» verschiedener positiver Erfahrungen während der Pandemie – noch immer spärlich benutzt. Dies hatte ich bereits vor geraumer Zeit in einem Blog aufgezeigt . Die UBS beweist nun aber eindrücklich, dass man mit der richtigen Strategie innerhalb eines Jahres diesen Touchpoint enorm stärken kann.
Komplexe Geschäfte über Video
Grundsätzlich verfolgt UBS eine Multikanal-Strategie. Neben den klassischen Self-Service Angeboten (E-Banking, Mobile Banking, Geldautomat, etc.) ist das Contact Center in erster Linie für einfachere Anliegen da. Für komplexere Themen wie Anlegen, Vorsorgen oder Finanzieren können die Kund:innen seit rund einem Jahr zwischen der Videoberatung des Remote Sales Advice (RSA-) Team (siehe Abbildung 2) und dem klassischen physischen Treffen in der Geschäftsstelle wählen.
Abbildung 2: Komplexe Beratungsthemen über Video bei UBS (Quelle: UBS Website)
«Nach einem Jahr arbeiten im Videoberatungs-Team bereits über 100 Mitarbeitende.», sagt Arnoud Rozendaal, Leiter RSA. Warum ist dieser Bereich bei der UBS so rasch gewachsen, derweil bei anderen Banken nur wenige Kund:innen Videoberatung für komplexe Geschäfte nutzen?
Die Antwort liegt in meinen Augen in der konsequenten Umsetzung dieser strategischen Initiative bei UBS. Als erstes wurden gewisse bislang den verschiedenen Geschäftsstellen zugeteilte Kund:innen aktiv in das RSA-Team umgeschichtet. Mit Hilfe von Algorithmen wurden in jeder Region jeweils mögliche Kund:innen identifiziert, welche das Angebot einer Videoberatung nutzen könnten. Hierfür hat man sich einerseits auf digital affine Kund:innen fokussiert, andererseits aber auch auf Kund:innen, welche schon seit längerer Zeit keinen physischen Kontakt mit Kundenberater:innen auf UBS-Geschäftsstellen mehr hatten («inaktive» Kund:innen). Die Kund:innen wurden vom RSA-Team telefonisch kontaktiert, um sie auf das Angebot mit der Videoberatung aufmerksam zu machen und um gewisse Kund:innen generell wieder zu aktivieren. Möchte ein «umgeteilter» Kunde oder eine Kundin weiterhin in der Filiale von «seinem» Kundenbetreuer:in betreut bleiben, ist dies auch weiterhin und jederzeit möglich.
Das Verschieben vieler Kund:innen in das neue Team wurde also nicht von den Kund:innen gesteuert. Vielmehr hat die UBS die Umteilung sehr systematisch und konsequent vorgenommen. Das ganze Vorgehen hat gemäss Aussage von Simone Westerfeld, Head Personal Banking bei UBS, dazu geführt, dass viele Kund:innen wieder aktiviert werden konnten. Zudem hätten viele Kund:innen positiv auf die Kontaktaufnahme reagiert.
Das Angebot von Videoberatung nutzen aber nicht nur bestehende Kund:innen. Über verschiedene Online Leads via die UBS-Website wird auch mit potenziellen Neukund:innen durch das Outbound-Team Kontakt aufgenommen. Dabei wird die Triage gemacht, ob diese Kund:innen eine (allfällige) Beratung lieber über Videoberatung oder im Rahmen eines Gesprächs in einer Geschäftsstelle machen wollen.
Weitere Fakten zur Videoberatung bei UBS
Abbildung 3: Derzeitige und geplante Standorte der Remote Advice Hubs
Fazit
Kund:innen ändern zunehmend ihr Kanalnutzungsverhalten. Digitale Touchpoints und hybride Beratungskonzepte gewinnen an Bedeutung. Aus meiner Sicht gibt es eine substanzielle und – nicht zuletzt durch die Covid-19 Pandemie – wachsende Kundengruppe, die nicht mehr unbedingt die Filiale nutzen möchte, aber weiterhin qualitativ hochwertige und persönliche Beratung benötigt. Genau für diese Kund:innen scheint das Videoberatungs-Angebot (Wegersparnis, Erreichbarkeit ausserhalb Filialöffnungszeiten) relevant(er) zu werden.
Wichtig zu verstehen ist, dass viele Kund:innen im Banking (noch) nicht proaktiv nach einer Videoberatungs-Möglichkeit fragen. Wie die UBS aber zeigt, kann das Potenzial dieser Kundschaft möglicherweise besser ausgeschöpft werden, wenn man einen konsequenten und auch strategisch hoch priorisierten Ansatz wählt und Kund:innen proaktiv angeht.
Zentral ist dabei die verstärkte Nutzung von Data Analytics im Multikanal-Management. Wer dank Data Analytics und Machine Learning versteht, welche (auch inaktive) Kund:innen über welchen Touchpoint angesprochen werden können, ist gegenüber der Konkurrenz in Vorteil und kann auch die Ertragspotenziale besser ausschöpfen.
Die Herausforderungen in diesem Projekt sehe ich vor allem in den Bereichen Change Management und Leadership. Für einige Filialmitarbeitende werden nämlich wohl «gefühlt» Kund:innen «weggenommen». Die entsprechenden Befindlichkeiten müssen gut abgeholt und auch kommunikativ begleitet werden. Auch das Anreiz-Modell muss gut aufgesetzt werden (gehören diese Kund:innen einem separaten Profit-Center oder werden die Erträge immer noch einer Region zugeteilt?). Zudem ist es aus Organisationssicht wichtig, dass die Zusammenarbeit zwischen den Filialen und dem Videoberatungs-Team in beide Richtungen gut funktioniert und allen Beteiligten der Gesamtnutzen für die Bank ersichtlich wird.
Schliesslich ist es ja die Aufgabe einer jeden Bank, die Kundenbedürfnisse ins Zentrum zu stellen und für jeden Kunden und jede Kundin herauszufinden, für welchen Anwendungsfall welcher Touchpoint ideal ist.
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