27. März 2023
Die Schweizerische Post ist eine der wichtigsten Institutionen in der Schweiz und bietet ihren Kunden eine Vielzahl von Dienstleistungen an. Die Post betreibt auch zahlreiche Postfilialen in der ganzen Schweiz, die für viele Menschen ein wichtiger Anlaufpunkt im Alltag sind. Gleichzeitig ist das gesamte Postfilialnetz bezüglich Profitabilität unter Druck. Das neue Zielbild sieht daher vor, dass die Filialen der Post zu Dienstleistungszentren werden. Als Partner sollen auch Banken fungieren. Diese können von der Infrastruktur und den Beratungs- und Serviceleistungen der Post-Mitarbeitenden profitieren und dadurch ihr Filialnetz erweitern oder kostengünstiger betreiben («Filiale as a Service»). Die Migros Bank, die Hypothekarbank Lenzburg und die Cornèr Bank nutzen das Angebot bereits. Im heutigen Blog zeige ich auf, warum die Post ihr Filialnetz öffnet, welche Dienstleistungen sie dabei anbietet und welche Vorteile eine solche Kooperation für Banken bieten könnte.
Die Post und ihre Filialen
Das Postfilialnetz ist gemäss Geschäftsbericht der Post nicht profitabel. In den vergangenen Jahren standen daher unpopuläre Massnahme im Vordergrund. So hat die Post in den vergangenen zwanzig Jahren knapp 2’500 Postfilialen abgebaut. Teilweise wurde zwar die Reduktion durch die Eröffnung von Postagenturen in Dorfläden, Bäckereien oder Apotheken etwas aufgefangen. Derzeit gibt es aber «nur» noch rund 800 eigenbetriebene Postfilialen. Das Filialnetz soll in der aktuellen Strategieperiode bei diesen rund 800 Filialen stabilisiert werden. Dies ist einerseits ein strategischer Entscheid. Auf der anderen Seite schreibt Artikel 33 der Postverordnung vor, dass 90 Prozent der Bevölkerung eines Kantons eine Postfiliale innerhalb von 20 Minuten zu Fuss oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen müssen. Insofern ist der Handlungsspielraum der Post in Bezug auf das Postfilialnetz eingeschränkt.
Öffnung des Postfilialnetzes als strategisches Ziel
Damit die Post dieses dichte Postfilialnetz weiterhin beibehalten kann und gleichzeitig ihre Kosten respektive Erträge optimiert, hat sie dieses auch für Dienstleistungsunternehmen und Behörden geöffnet. Gemäss Ziel der Post sollen sich die Filialen zu Dienstleistungszentren entwickeln. Partner wie Banken, Versicherungsunternehmen, Krankenkassen oder Behörden sollen von der Infrastruktur und den Beratungs- und Serviceleistungen der Mitarbeitenden der Post profitieren (Terminvermittlung, Mutationen von Adressen usw.) und gleichzeitig die Möglichkeit erhalten, über das Post-Filialnetz der Kundschaft einen physischen Kontaktpunkt zu bieten. Wird das Konzept und die Öffnung des Netzes ein Erfolg, kann die Post ihr Netz aufrecht erhalten und für die Bevölkerung einen Mehrwert schaffen. Aus Sicht der Post ist dieses Konzept eine Chance, ihre Kundenfrequenzen und dadurch die Relevanz ihrer Geschäftsstellen zu erhöhen.
Auch Pop-Up Stores für kurzfristige Kampagnen können eröffnet werden, wie ich anhand einer kürzlich erhaltenen LinkedIn Anfrage erfahren habe (siehe Abbildung 1) – für Banken ist dies aber wohl weniger relevant.
Abbildung 1: Anfrage an mich via (Sponsored) LinkedIn, ob ich Promotionsflächen oder Pop-Up Stores bei der Post nutzen möchte
Natürlich eignen sich nicht alle Postfilialen gleich gut für die unterschiedlichen Angebote. Bei grösseren und stärker frequentierten Postfilialen lohnt es sich für Partner möglicherweise, eigene Mitarbeitende vor Ort zu haben. Bei eher kleineren Postfilialen ist das Ziel hingegen eher, dass die Partner Promotionsflächen nutzen, dank der Post Leads für Beratungen erhalten und/oder die Post gewisse Basisdienstleistungen übernehmen kann.
Mögliche Vorteile für Banken
Auch für Banken kann das Konzept der Post interessant sein. Ich sehe die folgenden potenziellen Vorteile:
Banken in Postfilialen – bisherige Partner
Von Bankenseite nutzen (neben PostFinance) die Migros Bank, Cornèr Bank und seit kurzem die Hypothekarbank Lenzburg das Angebot. Daneben sind auch die beiden Krankenversicherer sympany und assura, sowie swisscaution und verschiedene Behörden (z.B. Kanton Jura oder BL) Partner von Post. Im Kanton Jura soll die Bevölkerung beispielsweise in den Postfilialen befähigt werden, Online Services für Gemeindedienstleistungen zu nutzen.
Seit Oktober 2022 ist die Migros Bank in sieben Postfilialen in der Deutsch- und Westschweiz mit eigenen Beratungsboxen präsent. In weiteren 33 Filialen vermitteln Post-Mitarbeitende interessierten Kundinnen und Kunden einen Beratungstermin mit der Migros Bank. Wenn das Serviceangebot auf Nachfrage stösst, werden die Post und die Migros Bank die Anzahl Standorte in den Folgejahren ausbauen.
Abbildung 2: Migros Bank in der Post Köniz (Bildquelle: Migros Bank)
Auch die Cornèr Bank und die Post haben 2022 eine Vertriebspartnerschaft vereinbart. Seit Oktober 2022 können Kundinnen und Kunden in 411 Filialen der Post Cornèrcard Prepaidkarten kaufen und aufladen. Zudem werden in 20 Post-Filialen im Tessin, in der Romandie und in der Deutschschweiz seit Mitte November Cornèrcard Kreditkarten vertrieben.
Am 20. Februar 2023 ist zudem die Hypothekarbank Lenzburg in die Aarauer Hauptpost direkt beim Bahnhof eingezogen. Zuvor hatte die Hypi Lenzburg keine Präsenz in Aarau. Gemäss Medienmitteilung werden die Hypi Lenzburg und die Post nach einigen Monaten evaluieren, ob sich diese Partnerschaft lohnt und das Angebot erweitert werden soll. In der Aarauer Hauptpost wird die Bank mit ihren eigenen Mitarbeitenden Beratungen zu allen finanziellen Bedürfnissen anbieten. Zusätzlich vermitteln in der Filiale Aarau Telli die Mitarbeitenden der Post interessierten Kundinnen und Kunden den Kontakt zur Hypothekarbank Lenzburg.
Abbildung 3: Postfiliale in Meilen (Bildquelle: Ele C)
Auch wenn sie schon einige Partner hat, ist die Post weiterhin im Gespräch mit Unternehmen und Behörden für eine regionale oder nationale Zusammenarbeit.
Brauchen die Schweizerinnen und Schweizer überhaupt noch eine Filiale?
Im Rahmen einer gemeinsam mit ti&m erstellten Studie haben wir untersucht, welche Personen in Abhängigkeit von unterschiedlich komplexen Bankgeschäften welche Touchpoints präferieren. Daraus abgeleitet haben wir vier unterschiedliche Personas gebildet. Dabei haben wir je zwei komplexe und zwei einfache Bankgeschäfte zur Auswahl gegeben. Für die Definition der Personas haben wir bewusst nur die angegebenen Präferenzen berücksichtigt.
Der grösste Teil der Befragten zeigt keine eindeutige Präferenz (42%) für einen Touchpoint – weder für einfache noch für komplexe Bankgeschäfte. Diese Persona nennen wir «indifferent», da sie keinen digitalen Touchpoint gegenüber der Filiale eindeutig bevorzugt (oder umgekehrt). 19 Prozent aller Kunden ziehen für alle Bankgeschäfte einen digitalen Kanal der Filiale vor («Onliner»). Auf der anderen Seite des Spektrums zählen jene Personen zur Gruppe «Offliner», welche sowohl für einfache als auch komplexe Bankgeschäfte eine Filiale gegenüber den anderen Touchpoints präferieren (15%). Ein Viertel aller Befragten wählt digitale Kanäle für einfache Bankgeschäfte, präferiert aber den persönlichen Kontakt auf der Filiale für komplexere Angelegenheiten (Hybrid).
Daran erkennt man, dass auch für einfache Geschäfte für mehr als die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer die Möglichkeit, eine Person auch physisch treffen zu können nach wie vor eine Rolle spielt.
Fazit
Die Post muss für ihr dichtes Filialnetz auch vor dem Hintergrund des öffentlichen Versorgungs-Gedankens einen Weg finden, wie sie dieses besser nutzen und profitabler betreiben kann. Derzeit ist das Postnetz defizitär. Mit der im Jahr 2020 publizierten Strategie hat sie sich entschieden, dass die Kosten ihres Filialnetzes auch auf andere Dienstleister verteilt und die Post-Mitarbeitenden besser ausgelastet werden sollen. Der Verkauf von Papeterie-Artikeln und Gutschein-Karten in den Postfilialen hat nur wenig geändert (vgl. Geschäftsberichte).
Die strategische Umsetzung mit der Bildung von Netzwerken und der Entwicklung hin zu Dienstleistungszentren machen daher aus meiner Sicht durchaus Sinn. Der entsprechende Entscheid bietet aber natürlich Konfliktpotenzial (und mögliche Interessenskonflikte), da PostFinance als Tochter der Post ihre Exklusivität an Finanzdienstleister wie die Migros Bank, Cornèr Bank oder die Hypothekarbank Lenzburg verliert. Gemäss Konzernstrategie vermitteln nun aber Mitarbeitende der Post Beratungstermine nicht nur an PostFinance, sondern auch an andere Banken. Gleichzeitig scheinen die Partner-Banken (neben PostFinance) bisher keine weitere «Coopetition» in der gleichen Postfiliale anzustreben. Bei den bisherigen Post-Partner stehen Fokus-Vertriebspartnerschaften im Vordergrund (nur eine Bank, eine Versicherung und eine Krankenversicherung pro Postfiliale).
In der konkreten Umsetzung ist wichtig, wie die Post die Lead-Generierung im Alltag umsetzt. Es wäre wenig zielführend, wenn die Post-Kundinnen und -Kunden jedes Mal bei Abgabe eines Pakets von Post-Mitarbeitenden auch noch auf ein neues Angebot einer Krankenversicherung aufmerksam gemacht werden. Es bleibt auch abzuwarten, ob die Kundinnen und Kunden neben postalischen Dienstleistungen auf den Postfilialen wirklich andere Services oder persönliche Beratung in Anspruch nehmen werden und ob Post-Mitarbeitende es wirklich schaffen, «Leads» für ihre (Bank-)Partner zu generieren (Terminvereinbarungen bei Banken). Banken mit physischer Präsenz in einer Postfiliale haben es diesbezüglich möglicherweise etwas einfacher – eine solche Präsenz ist aber natürlich auch teurer.
Insofern bin ich sehr gespannt, welche Erfahrungen die drei ersten Partnerbanken in den Postfilialen machen werden. Zusätzliche Informationen dazu können Sie am Nachmittag des 6. Juni 2023 aus erster Hand im Rahmen der Konferenz «Innovationen im Banking» am IFZ erhalten.
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