24. März 2014
Wie ich in diesem Blog schon mehrfach erwähnt habe, ist Personal Finance Management (PFM) in der Schweiz noch nicht weit verbreitet. Lange Zeit blieb das eCockpit der PostFinance einzigartig auf dem Schweizer Markt. Seit die UBS Ende 2013 ihre eigene PFM-Lösung entwickelt hat und sie im Rahmen ihrer klassischen und mobilen E-Banking-Lösung anbietet, scheint mehr Bewegung in den Markt gekommen zu sein. Neben Qontis (vgl. früherer Blog), dessen Angebot seit kurzem für Kunden zugänglich ist, versucht sich auch das Startup Contovista einen Platz im PFM-Markt zu sichern. Interessanterweise arbeitet das Team von Contovista derzeit mit Avaloq und Finnova daran, die Systeme kompatibel zu machen, sodass Contovista zukünftig als zusätzliches Element innerhalb der Bankensoftware angeboten werden kann. Mit diesem Blog-Artikel soll das Geschäftsmodell von Contovista vorgestellt und damit die Präsentation der verschiedenen PFM-Marktteilnehmer abgerundet werden.
Das Unternehmen
Ich habe mich mit Gian Reto à Porta, CEO bei Contovista und dem Mitgründer Nicolas Cepeda getroffen um mich über ihre PFM-Lösung und ihre Geschäftsstrategie zu unterhalten. Neben den beiden Gründern sind derzeit noch 3 weitere Mitarbeiter für Contovista beschäftigt. Ebenso kann das Unternehmen auf einige spannende Business Angels, wie z.B. Myke Näf , Mitgründer und CEO von Doodle oder Christoph Erb, Mitglied der Geschäftsleitung von Finnova zählen.
Contovista vs. Qontis?
Vor einiger Zeit schien es, dass Contovista und Qontis eine ähnliche Strategie und ein ähnliches Geschäftsmodell verfolgen. In der Zwischenzeit hat Contovista seine Strategie angepasst. Die PFM-Lösung von Qontis steht seit kurzem für private Nutzer zur Verfügung und kann auch von Banken als sogenanntes White-Label Produkt eingekauft werden kann. Im Gegensatz dazu hat sich Contovista dazu entscheiden, sein Angebot nur auf Banken auszurichten (Buiness-to-Business) und keinen direkten Endkundenkontakt aufzubauen. Was aus Sicht von Contovista gegen eine neutrale PFM-Plattform für Kunden spricht, ist die eher tiefe Nutzerfreundlichkeit für den Endkunden, da für einen Gesamtblick auf alle Konten jede E-Banking-Verbindung zuerst mit dem separaten Login hergestellt werden muss. Zudem sind keine (oder nur verspätete) Alerts (z.B. bei Budgetüberschreitungen) möglich. Ebenso sind sie der Meinung, dass es heikel ist, gleichzeitig B2C (direktes Angebot für Kunden) und B2B (Angebot für Banken) anzubieten, da das B2C den Online-Kanal der Bank und damit das B2B Produkt konkurriert. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Anbietern besteht schliesslich darin, dass die Lösung von Contovista selber entwickelt wurde währendem Qontis auf die auch im Ausland bereits eingesetzte Software von Meniga setzt.
Anbindung von Contovista an Avaloq und Finnova ?
Contovista steht derzeit interessanterweise vor allem mit den zentralen Schweizer Anbietern für Bankensoftware, Finnova und Avaloq, in Kontakt. Beide Anbieter wissen, dass PFM Teil ihres strategischen Fahrplans werden sollte. Eine eigene Programmierung wird aber möglicherweise nicht mit der höchsten Priorität weiterverfolgt. Das Team von Contovista arbeitet daher derzeit mit Avaloq und Finnova daran, die Systeme kompatibel zu machen, sodass Contovista zukünftig als zusätzliches Element innerhalb der Bankensoftware angeboten werden kann. Auf diesem Wege sollen auch Kantonalbanken oder auch Regionalbanken als Kunden gewonnen werden. Eine entsprechende, sowohl optische als auch inhaltlich massgeschneiderte Lösung kann grundsätzlich in etwa vier bis sechs Monaten eingeführt werden – vorausgesetzt die Partnerschaftsverhandlungen werden erfolgreich abgeschlossen. Es sind bereits einige Proof-of-concepts mit Schweizer Finanzinstituten angelaufen.
Die Funktionalitäten von Contovista
Inhaltlich gibt es im Vergleich zur Lösung von Qontis einige Vor- und einige Nachteile. Diese müssen allerdings von jeder Bank individuell bewertet werden. Einige positive Punkte sind bei Contovista die einfache Suchfunktion bei Transaktionen, die Sortierung nach geographischem Ort der Transaktion und die Möglichkeit, eigene „Tags“ zu setzen. Dadurch kann man beispielsweise eruieren, welche Ausgaben für die WG angefallen sind oder wie hoch die Ausgaben für das Haustier („Tag“: „Hund“) eigentlich ist. Ebenso ist es möglich, Quittungen zu fotografieren und Kommentare zu Transaktionen anzubringen. Dies würde aber wohl nur genutzt, wenn man mit dem Handy und einem PFM-Read-Only App (Login mit Benutzername und Passwort, keine Transaktionen mit dem App möglich) auf unkomplizierte Art und Weise diese Informationen ergänzen kann. Was Contovista derzeit und im Gegensatz zur Qontis (noch) nicht im Tool integriert hat, sind Angaben zu anderen Vermögensgegenständen wie Autos, Schmuck etc. Ebenso setzt Contovista im Gegensatz zu Qontis nicht auf Kundenaufklärung mittels Magazin o.ä. Der Fokus liegt zumindest derzeit noch klar auf der Software.
Fazit
Auch wenn die PFM-Software „international“ sein kann, braucht es für die Umsetzung eine lokale Unternehmung, da die Schnittstellen mit Banken oder auch die Kategorisierung lokalen Bezug verlangt. In der Schweiz existieren mit Qontis und Contovista nun zwei Anbieter im Markt, die für Banken massgeschneiderte Lösungen anbieten können. Die Unterschiede sind überschaubar – erfreulich und sinnvoll ist aber, dass der Wettbewerbsdruck dadurch etwas steigen und dies einen möglicherweise positiven Einfluss auf die technologische Weiterentwicklung der Tools haben wird. Ich beobachte derzeit in Bezug auf PFM einen sehr heterogenen Bankenmarkt: Während einige Banken fest an das Tool und die damit verbundenen Möglichkeiten glauben, sind einige andere Banken sehr skeptisch. Zu erwarten ist aber, dass noch in diesem Jahr weitere Schweizer Banken PFM einführen werden. Die Mitglieder von Contovista erhoffen sich beispielsweise, dass sie bis Ende 2014 bei 1-3 Banken PFM implementieren können. Ob sich Contovista aber im Markt durchsetzen wird, hängt wohl nicht zuletzt von der Anbindung an Finnova oder Avaloq ab.
PS: Das Thema Personal Finance Management wird auch anlässlich der Konferenz „Innovative Angebote im Retail Banking“ am Donnerstag-Nachmittag, 26.6.14 diskutiert. Andreas Kubli (UBS) und Zaida Méndez (PostFinance) berichten über ihre bisherigen Erfahrungen mit diesem Tool. Ebenso werden weitere spannende Themen wie die Bedeutung und Entwicklung der Hypothekarvermittler, von Crowdfunding sowie digitale Innovationen im Bereich des Anlagegeschäfts thematisiert und diskutiert. Weitere Informationen und das detaillierte Programm finden Sie hier. Anmeldung hier.
Kommentare
1 Kommentare
Jürg Stuker
24. März 2014
Ein weiterer wichtiger Unterschied ist die Weitergabe der Zugangsdaten fürs E-Banking an Quontis. Die Software kann sich die Bankdaten nur als Stellvertreter (Impersonation) beschaffen und muss diese zudem ausserhalb des rechtlichen Rahmens der Bank auf einer eigenen Infrastruktur speichern. So eine Weitergabe und Speicherung schwächt die Sicherheit und würde von einer Bank niemals erlaubt, da es sich technisch eigentlich um einen Man-in-the-Middle Angriff handelt.
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.