6. Januar 2025

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Sechs Thesen zu den Schweizer Retailbanken im Jahr 2025

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich und Prof. Dr. Nils Hafner

Das neue Jahr hat gerade begonnen, und wie jedes Jahr stellt sich die Frage: Welche Themen werden in den kommenden Monaten die Agenda bestimmen? Für den Bereich der Retailbanken haben wir uns Gedanken gemacht und sechs zentrale Trends identifiziert, die die Branche 2025 besonders beschäftigen werden. Unsere sechs Thesen zeigen, worauf sich Banken einstellen sollten – und welche Chancen und Herausforderungen auf sie zukommen.

  1. Ertragssituation: Gut, Herausforderungen bei Passivgeldern

Nach den Rekordgewinnen im Jahr 2023 und einem guten Jahr 2024 werden die Gewinne der Schweizer Retailbanken 2025 leicht rückläufig sein und sich auf ein gutes, aber im Vergleich zu 2023 „normaleres“ Niveau einpendeln. Obwohl die Immobilienpreise und damit auch das Hypothekarvolumen weiterhin moderat wachsen, können sie die sinkenden Zinsmargen (v.a. sinkende Passivmargen) nicht vollständig ausgleichen.

Zudem wird die Situation auf der Passivseite für einige Banken schwieriger. Der Kundenausleihungsdeckungsgrad war im vergangenen Jahr stark rückläufig und wird sich 2025 noch nicht flächendeckend verbessern. Banken werden verstärkt versuchen, zusätzliche Kundengelder auf der Passivseite zu akquirieren. Damit könnte auch der Wettbewerb bei den Zinsen auf den Spargeldern etwas zunehmen.

Die erschwerten Bedingungen auf der Passivseite, kombiniert mit den neuen Basel-III-final-Vorgaben, werden dazu führen, dass die Kreditvergabe in bestimmten Segmenten – insbesondere bei Krediten mit hoher Eigenkapitalbindung und grösseren Kreditvolumina – etwas harziger verläuft. Dies könnte zudem zu steigenden Preisen für diese Kredite führen. Im Hypothekarmarkt für selbstbewohntes Wohneigentum hingegen erwarten wir in Bezug auf die Aktivmargen keine grösseren Veränderungen.

2) Mehr Wechsel der Hauptbankbeziehungen als üblich

Im Jahr 2025 wird es in der Schweiz mehr Wechsel der Hauptbankbeziehung geben als in der Vergangenheit. Der Hauptgrund dafür ist die Integration der Credit Suisse in die UBS. Mit dem Wegfall der CS- und CSX-App wird sich dieser Trend weiter verstärken, ebenso wie der Abbau von CS/UBS-Filialen. Von dieser Entwicklung profitieren vor allem Kantonalbanken und Raiffeisenbanken. Auch Smartphone-Banken wie Revolut und Yuh werden ihren Anteil an Hauptbankbeziehungen – ähnlich wie das die Entwicklungen im Ausland zeigen – leicht steigern können, allerdings von einem niedrigen Ausgangswert von etwa 1.3 % der Schweizerinnen und Schweizer.

3) Wissensaufbau und -abruf durch den Einsatz von Generative AI

Ein zentraler Ansatz für den Einsatz generativer KI liegt im Wissensaufbau und dem effizienten Wissensabruf innerhalb der Organisation. Dies ermöglicht es, rechtliche Vorgaben, Produktinformationen und Kundenwissen gezielt und bedarfsgerecht an Mitarbeitende zu vermitteln.

In der Kundenberatung kann so beispielsweise eine umfassende 360-Grad-Sicht auf die Kundenakte unmittelbar bei einem Anruf bereitgestellt werden. Zudem lassen sich Produkte schneller vergleichen und passende Lösungen vorschlagen. Diese sogenannte „Agentic AI“ nutzt das gesamte bankinterne Wissen, um Mitarbeitende produktiver zu machen – ohne dabei den persönlichen Kontakt an der Kundenschnittstelle vollständig zu automatisieren. 2025 werden wir diesbezüglich grössere Fortschritte bei mehreren Banken sehen.

4) Datenqualität als Schlüssel zur Automatisierung

Gleichzeitig werden Schweizer Retailbanken 2025 stark an ihrer Datenbasis arbeiten müssen, um das «Garbage in, Garbage out» Phänomen zu vermeiden. Das Resultat dieser Herkules-Aufgabe lässt sich aber sehen: Zum einen lassen sich so ganze Backoffice-Prozesse automatisieren und somit quasi «dunkelverarbeiten». Zum anderen erhöht sich das verfügbare Wissen über die Kundschaft, da Daten auswertbar und in Echtzeit vorliegen. Das bedeutet aber auch, dass die Fülle von erkannten Lebensereignissen und Ansprachemöglichkeiten die zur Verfügung stehenden Ressourcen der Mitarbeitenden in Marketing und Beratung weit übersteigen. Hier setzt Marketing-Automation ein, um Kundenerlebnisse zu schaffen, die sich hochgradig personalisiert anfühlen, aber das Ergebnis sorgfältig aufgesetzter «Wenn-dann-Regeln» sind. Gleichzeitig kann die Retailbank ganze Dialogstrecken durch geplante Abläufe oder intelligente Bots bestreiten. Gerade beim Verkauf von Standardprodukten, dem Einladungs- und Nachbearbeitungsmanagement von Events oder der Realisation von Chancen, die sich aus dem Leben der Kundeninnen und Kunden ergeben (bspw. «Kunde wird 18», «Kunde wird 50») werden Schweizer Retailbanken 2025 ein neues Level an automatisiertem Kundenmanagement erreichen, ohne die Kostenbasis nachhaltig zu erhöhen. Dies wird 2025 eine der wichtigsten Möglichkeiten sein, dem deutlich ansteigenden Wettbewerbsdruck zu begegnen.

5) Veränderungen im KMU-Markt

Die Situation im KMU-Kreditbereich wird 2025 besonders spannend zu beobachten sein. Die Kreditzinsen für KMU dürften weiterhin höher ausfallen als noch vor zwei Jahren. Dies liegt zum einen am Wegfall der Credit Suisse als eigenständiger Wettbewerber, was den Konkurrenzdruck in gewissen Segmenten verringert hat. Zum anderen führen die neuen Basel-III-final-Regulierungen dazu, dass bei bestimmten KMU-Krediten die Eigenmittelanforderungen für Banken steigen und sich dadurch auch die Kreditkosten erhöhen. Zusätzlich erschweren die Bedingungen auf der Passivseite die Kreditvergabe für einzelne Banken, was zu einer stärkeren Fokussierung auf Margen anstelle von reinem Volumenwachstum führt.

Diese Faktoren könnten zu einer weiteren Verschiebung der Marktanteile führen: Raiffeisenbanken und Kantonalbanken haben die Chance, davon zu profitieren – vorausgesetzt, ihre Bilanzkapazitäten (Eigenkapital, Refinanzierung) lassen es zu.

6) Nachhaltigkeit weiter im Fokus – aber mit neuen Themen

Nachhaltige Anlagen werden in der Schweiz 2025 die Banken stark beschäftigen und im Retail Banking weiterhin an Bedeutung gewinnen. Für die Umsetzung der neuen SBVg-Nachhaltigkeitsrichtlinie müssen die Anforderungen für Neukundinnen und Neukunden seit dem 1. Januar 2024 erfüllt werden, für Bestandskunden seit dem 1. Januar 2025. Die Einführung der ESMA-Naming-Guidance im Mai 2025 zwingt verschiedene Schweizer Anlagebanken zudem dazu, einige ihrer nachhaltigen Fonds umzubenennen, um den neuen EU-Vorgaben gerecht zu werden.

Wir erwarten, dass die Anlage-Volumina im Retail-Bereich weiterhin moderat wachsen. Im Finanzierungsbereich wird das Thema Nachhaltigkeit weiter an Bedeutung gewinnen, insbesondere in der Beratung rund um Renovationen.

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