27. Januar 2025
Die Finanzbranche befindet sich im Bereich der Nachhaltigkeit im Wandel. Neue Regulierungen fordern von Banken, die ESG-Präferenzen ihrer Kundschaft systematisch zu erheben. Unsere aktuelle Studie, basierend auf einer repräsentativen Umfrage mit über 3.000 Teilnehmenden in der Schweiz, liefert spannende Einblicke in die Interessen und Verhaltensweisen im Bereich nachhaltiger Investments. In diesem Blogbeitrag analysieren wir zentrale Ergebnisse, untersuchen die ESG-Präferenzen verschiedener demografischer Gruppen und zeigen auf, welche Teile der Bevölkerung bereits heute nachhaltige Anlagestrategien verfolgen.
Seit dem 1. Januar 2024 ist eine neue Selbstregulierung der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) in Kraft, welche die Banken verpflichtet, das Interesse ihrer Neukunden an Nachhaltigkeit bei Anlagen zu ermitteln. Seit dem 1. Januar 2025 muss dies auch bei Bestandeskunden geschehen. Die SBVg verwendet dafür den Begriff «ESG-Präferenzen».[1] ESG steht für Umwelt («Environmental»), Soziales («Social») und Unternehmensführung («Governance»). Im europäischen Raum ist der Begriff «Nachhaltigkeitspräferenz» gebräuchlich.
Sowohl in der Schweiz als auch der Europäischen Union (EU) müssen Banken sicherstellen, dass die ESG-Präferenzen der Kundschaft mit den ESG-Eigenschaften der angebotenen Anlageprodukte übereinstimmen. Dieser Abgleich – auch «Matching» genannt – ist entscheidend, um die Bedürfnisse der Kundschaft im Bereich Nachhaltigkeit zu erfüllen und Greenwashing-Vorwürfe zu vermeiden.
Vor dem Hintergrund dieser Regulierungsbemühungen stellt sich die Frage, wie hoch das Interesse der in der Schweiz wohnhaften Personen für nachhaltige Anlagen ist und wer (wissentlich) in nachaltige Anlagen investiert. Für die vorliegende Studie haben wir das Thema nachhaltiges Anlegen basierend auf einer repräsentativen Bevölkerungbefragung bei 3’017 in der Schweiz wohnhaften Personen analysiert.[2] Die vollständige Studie zu nachhaltigem Anlegen findet sich in der diesjährigen IFZ Retail Banking Studie. Nachfolgend gehen wir auf einige Aspekte der Studie ein.
Jede zweite Person legt in Wertschriften an
Abbildung 1 zeigt den Anteil der Personen, welche aktuell in Wertschriften anlegen oder dies ausschliesslich über die gebundene Selbstvorsorge (Säule 3a) machen. In der Schweiz investieren aktuell 49 Prozent der befragten Personen in Wertschriften. Weitere 8 Prozent der befragten Personen halten zwar Wertschriften, jedoch ausschliesslich in der Säule 3a.
Der Anteil der Frauen, welche Wertschfiten halten, ist mit 41% deutlich tiefer als derjenige der Männer (58%). Des Weiteren sind in Bezug auf das Alter, die Sprachregion, das Bildungsniveau sowie die Vermögens- und Einkommenssituation klare Tendenzen ersichtlich. Ältere Menschen, Personen aus der Deutschschweiz, höher Gebildete sowie Menschen mit höherem Einkommen und Vermögen sind häufiger in Wertschriften investiert als andere Bevölkerungsgruppen.
In Abbildung 1 ist auch ersichtlich, dass Personen mit höherem Finanzwissen und einer grösserer Risikobereitschaft häufiger an den Finanzmärkten partizipieren als Personen mit tieferen Finanzkenntnissen und einer stärkeren Risikoaversion.[3]
43 Prozent sind an nachhaltigen Anlagen interessiert
Die Richtlinie der SBVg schreibt die Erhebung des Interesses an nachhaltigen Anlagen von aktuellen und potenziellen Kundinnen und Kunden bei Schweizer Banken vor. Die SBVg definiert dabei den Begriff der “ESG-Präferenzen” als «Präferenzen der Kundinnen und Kunden darüber, ob und gegebenenfalls welche ESG-Eigenschaften in ihre Anlagelösungen integriert werden sollen.» Seitens der SBVg gibt es aber keine konkreten Vorgaben, mit welchen Fragen dies erhoben werden soll. Die Selbstregulierung der Schweizer Banken sieht lediglich vor, dass Finanzdienstleister die ESG-Präferenzen ihrer Kundinnen und Kunden erfragen und sie danach entsprechend in bestimmte Gruppen einordnen (z. B. sehr interessiert, interessiert, neutral).[4] In der praktischen Umsetzung bei Banken finden sich denn auch verschiedene Ansätze, die von einfachen bis hin zu sehr detaillierten Erhebungen reichen.
Für die vorliegende Untersuchung haben wir die befragten Personen gebeten, ihre Zustimmung zur Aussage «Nachhaltiges Anlegen ist mir wichtig» anzugeben. Es standen fünf Antwortmöglichkeiten von «trifft überhaupt nicht zu» bis «trifft voll und ganz zu» sowie «weiss nicht / keine Angabe» zur Auswahl. Diese Skala kann gut in verschiedene Nachhaltigkeitsprofile übertragen werden, wie es in der SBVg-Richtlinie beschrieben wird. Die Antworten «trifft zu», «trifft eher zu» und «neutral» lassen sich beispielsweise den Kategorien «sehr interessiert», «interessiert» und «neutral» zuordnen.[5]
43 Prozent der befragten Personen sind gemäss eigenen Angaben am nachhaltigen Anlegen interessiert (“trifft voll und ganz zu”, “trifft eher zu”; vgl. Abbildung 2). Bei Anlegerinnen und Anlegern liegt dieser Wert bei 45 Prozent. Bei Personen, die nicht investieren, scheint das Thema etwas weniger wichtig zu sein (41%).
Zudem zeigt sich in der deskriptiven Auswertung, dass besonders die jüngste und die älteste Generation ein ausgeprägtes Interesse an Nachhaltigkeit zeigen. Die Generation X weist bei dieser Frage die tiefsten Zustimmungswerte aller Generationen aus.
Mit steigendem Einkommen nimmt die Präferenz für Nachhaltigkeit tendenziell ab. Ein ähnliches Muster zeigt sich auch in Bezug auf das Vermögen. Vermögendere Personen sind etwas weniger in nachhaltige Anlagen interessiert als Personen mit geringerem Vermögen.
Deutliche Unterschiede zeigen sich auch beim Wissen über die Nachhaltigkeit[6] und beim allgemeinen Finanzwissen.[7] Personen, welche sämtliche Fragen zum Thema Nachhaltigkeit («Sustainability Literacy») korrekt beantworten konnten, wiesen eine um 6 Prozentpunkte höhere ESG-Präferenz auf als Personen, welche null bis zwei (von drei) Antworten korrekt beantworteten. Im Bereich des allgemeinen Finanzwissens («Financial Literacy»), ist der Zusammenhang nicht so deutlich. Hier wurden insgesamt vier Fragen gestellt. Die höchste ESG-Präferenz haben Personen, welche zwei bis drei Fragen korrekt beantworten konnten. In dieser Personengruppe haben 47 Prozent eine ESG-Präferenz. Bei Personen, welche alle vier Fragen korrekt beantworteten, liegt die ESG-Präferenz etwas tiefer (44%).
Mit Blick auf die Bankbeziehung fällt auf, dass die Kundschaft von Regionalbanken (Hauptbankbeziehung) die tiefste ESG-Präferenz haben (37%). Danach folgen die Kundinnen und Kunden von UBS (sowie ehemals Credit Suisse, 40%). Die ESG-Präferenz der Kantonalbanken-, PostFinance-, und Raiffeisen-Kundschaft ist sehr ähnlich und liegt zwischen 44 und 45 Prozent.
37% aller Anlegerinnen und Anleger halten bereits wissentlich nachhaltige Anlagen
Abbildung 3 zeigt deskriptiv auf, wer wissentlich in nachhaltige Anlagen investiert. Insgesamt gaben 4 Prozent der Anlegerinnen und Anleger an, bereits aktuell ausschliesslich in nachhaltige Anlagen zu investieren. Bei Frauen ist dieser Anteil (auf noch tiefem Niveau) etwas höher. 5 Prozent der Anlegerinnen investieren derzeit ausschliesslich in nachhaltige Anlagen, derweil es bei den Anlegern 4 Prozent sind. In den jüngeren Generationen ist der Anteil an Anlegerinnen und Anlegern, welche ausschliesslich nachhaltig investieren, tendenziell höher. So investieren 6 Prozent der befragten Personen aus der Generation Z ausschliesslich nachhaltig, während dieser Anteil bei den Babyboomern lediglich 3 Prozent beträgt. Im Gegenzug ist aber bei den Babyboomern der Anteil der Personen, welche teilweise nachhaltig investieren, am höchsten (33% vs. 25% bei der Generation Z). Insgesammt legen 37% der befragten Anlegerinnen und Anleger teilweise oder ausschliesslich nachhaltig an.
Fazit
In der Schweiz legt jede zweite Person in Wertschriften an. 43 Prozent der befragten Personen geben an, Interesse an nachhaltigen Anlagen zu haben. Bei Anlegerinnen und Anlegern liegt der Anteil der an Nachhaltigkeit interessierten Personen leicht höher (45%). Interessanterweise scheint dieses Interesse bei vielen Anlegerinnen und Anlegern bereits in ihren Wertschriftenportfolios umgesetzt zu sein. So legt ein Drittel der in Wertschriften investierten Personen zumindest teilweise nachhaltig an. Zudem geben weitere 4 Prozent der Anlegerinnen und Anleger an, ausschliesslich nachhaltig zu investieren.
Wir gehen davon aus, dass der Anteil nachhaltiger Anlegerinnen und Anleger durch die systematische Erhebung der ESG-Präferenz der Banken und dem entsprechenden Matching in den nächsten Jahren steigen wird. Die «Lücke» zwischen der ESG-Präferenz und dem Anteil der Anlegerinnen und Anleger, welche nachhaltig anlegen, dürfte sich somit reduzieren. Gleichzeitig muss aber festgehalten werden, dass viele Personen vielleicht auch gar nicht wissen, dass sie nachhaltig anlegen. Dies dürfte insbesondere der Fall bei Kundinnen und Kunden von Banken sein, welche ausschliesslich nachhaltige Produkte vertreiben, dies aber nicht besonders offensiv kommunizieren.
In einem weiteren Blog-Artikel zum Thema nachhaltiges Anlegen werden wir aufzeigen, wie Banken den Anteil an nachhaltigen Anlegerinnen und Anlegern gezielt erhöhen können.
Die Studie „Nachhaltiges Anlegen“ ist Teil der IFZ Retail Banking-Studie 2024. Die 240-seitige Retail Banking-Studie umfasst zahlreiche weitere Beiträge und kostet 290 Franken. Bestellungen per E-Mail an ifz@hslu.ch. Sammelbestellungen kosten ab 3 Exemplaren CHF 240.- pro Exemplar, ab 5 Exemplaren CHF 190.- und ab 10 Exemplaren CHF 140.- CHF pro Exemplar. Hier finden Sie das Inhaltsverzeichnis.
[1] Schweizerischen Bankiervereinigung (2022). Richtlinien für die Finanzdienstleister zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung.
[2] Die Studie basiert auf einer Befragung von insgesamt 3’017 in der Schweiz wohnhaften Personen zwischen 18 und 74 Jahren. Die Befragung wurde im Juli 2024 online durchgeführt. Die Umfrage ist in Bezug auf Alter, Geschlecht, Bildung sowie die Sprachregion der befragten Personen für die Schweiz repräsentativ. Die Befragung erfolgte quotengesteuert, mit einer Überrepräsentation der italienischsprachigen Schweiz für die Sicherstellung von Mindestgrössen der einzelnen Teilstichproben. Sämtliche Auswertungen wurden danach gewichtet, um der Bevölkerungsverteilung zu entsprechen. Für die Darstellungen nach Alter wurden vier Gruppen gebildet: i) Generation Z (geb. 1997–2006 / 18–27 Jahre), ii) Generation Y (geb. 1981–1996 / 28–43 Jahre); iii) Generation X (geb. 1965–1980 / 44–59 Jahre), iv) Babyboomers (geb. 1948–1964 / 60–74 Jahre).
[3] Die Risikobereitschaft wurde mit der Frage «Welches Risiko würden Sie auf einer Skala von 1 (kein Risiko) bis 6 (hohes Risiko) mit Ihrem Finanzvermögen eingehen?» erhoben. Wer mit einem Wert von 4 oder höher antwortete, wurde als risikoavers eingestuft.
[4] Vgl. Art. 11 und 13, Schweizerische Bankiervereinigung (2022). Richtlinien für die Finanzdienstleister zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung.
[5] Vgl. Art. 11, Schweizerische Bankiervereinigung (2022). Richtlinien für die Finanzdienstleister zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung.
[6] Das Nachhaltigkeitswissen wurde mittels zweier Fragen zu Nachhaltigkeit allgemein (Fragen zu den Pariser Klimazielen und Wissen zum Treibhauseffekt) sowie einer Frage zu nachhaltigem Anlegen (Frage zu Green Bonds) erhoben.
[7] Die Wissensfragen zum Finanzwissen orientierten sich an den sogenannten «Big 3» Fragen zu den Themen Inflation, Zinseszins und Diversifikation von Anlagen. Zudem haben wir eine weitere Frage ergänzt, bei welcher die befragten Personen die Renditepotenziale verschiedener Anlagetypen bewerten mussten. Für die «Big 3», siehe Global Financial Literacy Excellence Center (2024). The Big 3 and Big 5. Online (01.09.2024): https://gflec.org/education/questions-that-indicate-financial-literacy/
Kommentare
0 Kommentare
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.