17. März 2025
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) wird die Finanzindustrie weltweit in vielen Bereichen verändern. Wir haben in diesem Blog bereits über den Einsatz von KI bei der UBS berichtet. Nun konnten wir uns auch bei der Migros Bank einen Überblick über die wichtigsten Anwendungsfälle verschaffen. Die zentralen Erkenntnisse werden im folgenden Beitrag dargestellt.
Der Einsatz von KI wird die Finanzbranche stark verändern. Weltweit setzen viele Banken bereits eine grosse Anzahl von KI-Applikationen ein und erwarten davon bereits in kurzer Zeit einen hohen wirtschaftlichen Nutzen. Auch zahlreiche Schweizer Banken, darunter auch die Migros Bank, sammeln aktuell Erfahrungen mit KI und setzen bereits erste innovative Lösungen ein.
Die Migros Bank setzt KI in erster Linie dazu ein, Informationen für Kunden und Mitarbeitern einfacher zugänglich zu machen. Auf Basis der AI-Plattform von ParetoLabs hat sie einen ‘Migros Bank GPT’, respektive digitalen Assistenten, für ihre Bankkunden entwickelt. Dieser steht bereits in einzelnen Bereichen der Website im Einsatz. Unabhängig von den Öffnungszeiten kann der Kunde so auf natürliche Weise mit dem Bot interagieren und zielgerichtet Hilfe erhalten.
Zusätzlich unterstützen ein Secure AI Chat sowie ein E-Mail-Assistent die Mitarbeiter. Der Secure AI Chat bietet durch die Anonymisierung der Anfragen und Verwendung von LLM-Modellen in der Schweizer Cloud eine sichere Alternative zum öffentlichen ChatGPT. Der E-Mail-Assistent hilft Kundenberatern bei der Beantwortung von E-Mails mit geeigneten Antwortvorschlägen. Damit die hohen Genauigkeitsanforderungen im Schweizer Banking erfüllt werden, hat die Migros Bank spezielle Prüfmechanismen in ihre Tools eingebaut.
Zentrale Wissensdatenbank, Kriterien einer ‘guten’ Antwort und Grenzen des KI-Einsatzes
Die wichtigsten Grundlagen für die Nutzung von KI sind zunächst eine klare KI-Strategie sowie die Einhaltung der regulatorischen Erfordernisse. Für den erfolgreichen Einsatz ist jedoch insbesondere die Antwortqualität entscheidend, welche die Migros Bank systematisch kontrolliert.
Wenn die Frage nach einem Zinssatz von einem digitalen Assistenten korrekt beantwortet werden soll, muss sichergestellt sein, dass der Chatbot über die aktuellen Informationen verfügt. Die Migros Bank hat zu diesem Zweck eine Wissensdatenbank als ‘Golden Source’ angelegt. Darin sind neben Zins- und Preisinformationen von Dienstleistungen auch Produktinformationen und Anleitungen hinterlegt. Auch alle Informationen zu den Niederlassungen der Bank sowie weitere Informationen, welche die Kunden der Bank häufig abfragen, sind enthalten. Zudem wird die Wissensdatenbank dank eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses laufend ergänzt: Es hat sich nämlich herausgestellt, dass Antworten, die als ungenügend bewertetet werden, meist auf Lücken in der Wissensdatenbank zurückzuführen sind. Bewertet der Nutzer also eine Antwort als unzureichend, prüft und schliesst die Migros Bank die Wissenslücke umgehend.
Sehr wichtig für den Einsatz von KI ist es festzulegen, wann eine Antwort als gut beurteilt wird. LLM-basierte KI-Modelle generieren immer eine Antwort; ob diese aus Sicht der Bank gut ist, ist eine andere Frage. Die Bank muss deshalb festlegen, welche Antworten an Kundinnen und Kunden oder Mitarbeitende weitergegeben werden dürfen und wo die Antwort stattdessen durch einen Verweis auf eine Fachperson ersetzt werden soll.
Damit werden auch die Grenzen des digitalen Assistenten klar definiert: Bei der Migros Bank beantwortet er nur Fragen zur Bank und ihren Dienstleistungen – nicht jede beliebige Anfrage. Im Weiteren hat die Bank entschieden, dass der Chatbot vorerst keine Antworten im Sinne einer ‘Beratung’ abgeben soll. D.h. dass beispielsweise die Frage, ‘welches ist für mich das optimale Konto’, nicht beantwortet wird. Der digitale Assistent weist hier auf die unterschiedlichen individuellen Bedürfnisse hin und empfiehlt dem Kunden die Kontaktaufnahme mit einem Berater.
Einsatz von KI zur Unterstützung der Kunden
Der digitale Assistent für Kunden, den die Migros Bank bereits in einigen Bereichen ihrer Website im Einsatz hat und über den derzeit monatlich bereits mehr als 15’000 Anfragen beantwortet werden, wurde sehr sorgfältig konzipiert. Statt die Frage des Kunden zur Beantwortung ungefiltert an ein LLM zu übergeben, wird diese zunächst analysiert. Da die Qualität der Antwort eines KI-Chatbots in hohem Mass von der Exaktheit der Eingabe, d.h. des Prompts, abhängt, macht es Sinn, zunächst zu ermitteln, was der Kunde genau wissen möchte und seine Eingabe nötigenfalls durch einen optimierten Prompt zu ersetzen. Eine Kundenanfrage durchläuft dazu einen Prozess, der mehrere Schritte beinhaltet:
Zunächst zeigt die Grafik, dass neben der Analyse der Anfrage (2), der Suche in der Wissensdatenbank (3) und der Antwortgenerierung (4) auch eine Überprüfung der Fakten (5) erfolgt, um zu verhindern, dass dem Kunden falsche Angaben gemacht werden. Im Weiteren ist bei der Analyse der Anfrage (2) auch ersichtlich, dass die Eingabe des Kunden anonymisiert wird. Dies, um zu verhindern, dass kundenidentifizierende Informationen, die möglicherweise in der Eingabe des Kunden enthalten sind, in die Schweizer Cloud gelangen. Dabei werden die kundenrelevanten Informationen vor der Weitergabe durch Platzhalter ersetzt. Bevor der Kunde seine Antwort erhält, werden die Platzhalter On-Premise wieder mit den notwendigen kundenspezifischen Informationen ergänzt. Insgesamt wird somit ein komplexer Prozess durchlaufen, bei dem die einzelnen Aufgaben in Millisekunden erledigt werden müssen, so dass der Kunde innert zwei, drei Sekunden eine Antwort erhält.
Mit dem Einsatz des digitalen Assistenten an der Kundenschnittstelle generiert die Migros Bank für den Kunden Mehrwert, indem Sie ihn auf die richtige Website oder eine Seite mit FAQ lenkt, ihn an die richtige Abteilung innerhalb der Bank weiterleitet oder seine Fragen automatisch beantwortet. In einem nächsten Schritt plant die Migros Bank den Ausbau in Richtung ‘Agentic AI’, also beispielsweise das Auslösen von Workflows.
E-Mail-Assistent als Instrument zur Qualitätssicherung und Effizienzsteigerung
Der digitale Assistent (Migros Bank GPT) beantwortet die Kundenfragen auf der Website autonom. Beim E-Mail-Assistenten gilt dagegen das ‘human-in-the-loop’-Prinzip. Somit liegt die redaktionelle Verantwortung immer beim Mitarbeitenden.
Wie die untenstehende Grafik zeigt, ist der E-Mail-Assistent bei der Migros Bank direkt in MS Outlook integriert. Dies bedeutet, dass auf Knopfdruck ein Antwortschreiben auf jede Kunden-E-Mail entworfen wird. Da die KI die spezifischen Besonderheiten eines Einzelfalles in der Regel nicht kennt, hat der Mitarbeitende die Möglichkeit, diese Informationen stichwortartig hinzuzufügen und auf dieser Grundlage vom Assistenten eine neu generierte, kundenspezifische Antwort zu verlangen. Entspricht diese den Vorstellungen des Kundenbetreuers, so kann diese direkt an den Kunden gesandt werden. Andernfalls können manuell noch Korrekturen und Ergänzungen angebracht werden.
Fazit und weitere Entwicklung
Die Migros Bank dürfte in Bezug auf den Einsatz von KI in den ausgeführten Bereichen zu den führenden Finanzinstituten der Schweiz gehören. Bemerkenswert ist insbesondere, dass die Migros Bank KI im Kontakt mit Kundinnen und Kunden bereits produktiv im Einsatz hat. Sie erzielt damit bei den Kunden ein weitgehend positives Feedback. Die Migros Bank kann so zahlreiche Kundenanfragen mit guter Qualität und hoher Effizienz 7×24 beantworten. Auch mit dem E-Mail-Assistenten wird es der Bank gelingen, Effizienzsteigerungen zu erreichen und bei Kundenanfragen eine konsistente, hohe Antwortqualität sicherzustellen.
Der Einsatz von KI bei der Migros Bank zeigt aber auch, dass sich Banken im Bereich KI zunächst eine Reihe strategischer und konzeptioneller Fragen stellen sollten. Dazu muss auch das nötige Know-how – sei es durch Partner oder internen Aufbau – bereitgestellt werden. Die oben dargestellten Beispiele zeigen auf, dass das Potential für eine Effizienz- und Qualitätssteigerung in der Finanzindustrie vorhanden ist. Mit durchdachten Konzepten und den richtigen Ressourcen könnte die Mehrheit der Schweizer Banken bald auch vom KI-Einsatz profitieren.
Das IFZ setzt sich in verschiedenen Bereichen mit KI auseinander. Wir machen Sie in diesem Zusammenhang gerne auf folgende Veranstaltungen und Weiterbildungen aufmerksam:
Fachkurs Artificial Intelligence in Banking (sechs Tage im Juni 2025). Infos und Anmeldung hier.
Haben Sie spezifische Fragen? Urs Blattmann und Thomas Fischer stehen gerne zur Verfügung.
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