Die fünfte Durchführung der Retail Banking Konferenz am IFZ in Zug fand am 17. November einmal mehr vor ausverkauftem Publikum statt. Den 140 Teilnehmenden wurden nebst der Vorstellung der IFZ Retail Banking-Studie 2016 spannende Referate und Diskussionen zur Vergangenheit und Zukunft des Retail Bankings geboten. Einige Kernaussagen dieses Nachmittags möchten wir nachfolgend kurz zusammenfassen.
Prof. Dr. Andreas Dietrich und Prof. Dr. Christoph Lengwiler, IFZ, Hochschule Luzern – Wirtschaft: Vorstellung der IFZ Retail Banking-Studie 2016
Dr. Patrik Gisel, CEO Raiffeisen Schweiz: Retail Banking – ein Geschäft mit Zukunft
Auch als eine der wachstumsstärksten Banken (7.1% Ertragswachstum in 2015) ist die Raiffeisen nach wie vor daran, ihr Filialnetz zu konsolidieren. Gisel vermerkt dazu, dass abhängig von der Kostenrechnung rund 200 der derzeit 970 Bankstellen nicht rentabel sind.
Im Hinblick auf die Zukunft des Retail Banking sieht Gisel die Bedeutung des heute oft vernachlässigten „Produktionsfaktors“ Vertrauen als Kernpunkt. Die Bedeutung einer starken Marke in Bezug auf Vertrauen und Kompetenz wird künftig (noch) wichtiger.
Die Abwälzung von Negativzinsen an die Kunden steht für die Raiffeisen nicht zur Diskussion, da man den Kunden Negativzinsen nicht erklären könne. Falls der daraus entstehende Margendruck anhält, käme eher eine Anpassung der Gebührenregelung in Frage.
Gisel bekräftigte auch seine Haltung gegenüber der in den Medien diskutierte mögliche Anpassung der Tragbarkeitsberechnung bei der Hypothekenvergabe. Für ihn sind die heute angewandten Tragbarkeitswerte „zu weit weg von der Realität“. Entsprechend plant Raiffeisen, noch im Dezember ein Produkt zu lancieren, welches eine Hypothek mit einem Sparplan sowie einer Versicherung verbindet und die Finanzierungskapazität für Wohneigentumskäufer erhöhen soll.
Jürg Ritz, CEO Baloise Bank SoBa: Das Eis schmilzt – strategische Antworten im Retail Banking und die „Gletscherspalte“ Digitalisierung
Im Gegensatz zur Raiffeisen sieht die Baloise Bank SoBa nicht nur die Anzahl Filialen, sondern auch deren „Form“ einem starken Wandel unterzogen. Für Ritz ist das Smartphone die Filiale der Zukunft. Er ist der festen Überzeugung, dass man künftig „beim Kunden in der Hosentasche sein muss“ und alle Dienstleistungen auf diesem Kanal anbieten sollte. Als erfolgreiches Beispiel fügte er die schwedische Bank Länsfärsäkingar an, bei welcher sechs Monate nach Einführung eines Hypotheken-Apps bereits knapp die Hälfte der Kunden ihre Hypotheken per Mobile App verlängere.
Für Ritz ist klar, dass der Wettbewerbsdruck weiter steigen und die Zinsmarge noch mehr sinken werden. In Bezug auf die Preisstrategien, resp. ein «agiles Pricing» hebt er die Angebote von Tankstellen und Fluggesellschaften als interessant hervor.
Ritz stellt selbstkritisch fest, dass sie noch „viel zu kompliziert“ seien, unter anderem in Bezug auf Anzahl Klicks, Sprache, Auftritt und Funktionalität. Ein Konzerngrundsatz sei daher nun die „Vereinfachung“.
Andrew Richards, Head of Regional Retail Banking, Metro Bank London: Metro Bank – a disrupter bank case study
Mit der Gründung der Metro Bank 2010 in London wurde in England zum ersten Mal nach über 150 Jahren wieder eine Lizenz an eine neue „high street“ Bank erteilt. Um in diesem Markt nach der Finanzkrise als „Neuling“ erfolgreich zu sein war für den Gründer, Vernon Hill, eines klar: Wir müssen vieles anders machen. Andrew Richards führte eindrücklich aus, wie sich die Metro Bank von herkömmlichen Banken unterscheidet. Sie wollen keine Bank sein, sondern eine „retail looking institution“. Diese Haltung solle auch unter den Mitarbeitenden verankert werden. So werden diese beispielsweise ermutigt, sich auf Yammer, dem firmeninternen „Facebook“, proaktiv einzubringen (unter anderem mit dem „Spiel“: „kill a stupid bank rule“).
Entgegen der Kernaussagen seiner beiden Vorredner strich Richards die für seine Bank wichtige physische Präsenz mit Filialen heraus, und dies nicht nur als Marketing-Instrument. Auch auf dem Bankenplatz London bewegt sich die Metro Bank in gewissen Bereichen, wie zum Beispiel dem Angebot von Bankschliessfächern, entgegen den dortigen Entwicklungen.
Das Betriebskonzept sei klar auf die aktuellen Bedürfnisse der Kundschaft ausgerichtet. Die Filialen sind sieben Tage die Woche geöffnet (Mo-Fr: 08.00-20.00 Uhr; Sa: 08.00-18:00; So: 11.00-17:00). Nur gerade an drei Feiertagen im Jahr bleiben sie geschlossen.
Die Frontmitarbeiter sind frei von Verkaufszielen. Der Kunde stehe im Mittelpunkt und das einzige Ziel sei die Servicequalität, führt Richards aus. Transparenz ist dem gebürtigen Amerikaner wichtig. Die Bank steht auch dazu, nicht der günstigste Anbieter zu sein.
Dr. Beat Oberlin, CEO Basellandschaftliche Kantonalbank (BLKB): Rock ‚n‘ Roll im Banking: Spielt die Musik auch in der Zukunft?
Oberlin zeigte in seinem Rückblick auf die Highlights von 50 Jahre Banking nicht nur eine heile Banking-Welt auf. Mit intransparenten Handhabungen von Retrozessionen oder Valutadifferenzen bis hin zu Platzabsprachen sieht er die Bankenindustrie nicht ganz unschuldig an der aktuellen Regulierungswelle. Auch haben gewisse Akteure Diskretion über Ehrlichkeit gestellt, was auf die lange Dauer dem Vertrauen nicht dienlich war.
Den Verkaufszielen für Kundenberater tritt auch Oberlin mit gewissen Vorbehalten entgegen und bläst damit ins selbe Rohr wie die Metro Bank. Die Kundenzentrierung ist elementar und muss auch in der Organisationsstruktur noch stärker verankert sein.
Ähnlich wie die Baloise Bank SoBa setzt auch die BLKB auf strategische Partner, vor allem mit Non-Banks. Die Interaktion auf Augenhöhe mit dem Eingeständnis, dass diese „es“ besser können, sei wichtig. Dazu gehöre jedoch teilweise auch eine gewisse Bereitschaft zur Kannibalisierung.
Eine starke Aussage machte der erfahrene Banker im Hinblick auf „change management“: Die Bereitschaft zur Veränderung seitens der Mitarbeiter sei für ihn zentral. Wer heute nicht verstanden habe, dass es Wandel brauche, sei wohl am falschen Ort.
Compliance vs. Marketing? Ein Streitgespräch zwischen Prof. Dr. Nils Hafner und Prof. Dr. Monika Roth, IFZ, Hochschule Luzern – Wirtschaft
Viele Banken seien sehr vorsichtig (geworden) – die Compliance setzt dabei oftmals noch höhere interne Standards als die Regulierung.
Die Geschwindigkeit der Entwicklung benötigt möglicherweise eine Moderation zwischen Marketing und Kunden bezüglich Compliance.
Ein Grossteil der Akteure handelt tadellos, die Regulierung trifft jedoch alle. Gleichzeitig haben auch heute noch immer nicht alle Banken verstanden, um was es eigentlich geht (vgl. beispielsweise 1MDB). Dabei wären skandalfreie Banken eigentlich das beste Marketing.
PS: Die 222-seitige «IFZ Retail Banking-Studie Schweiz 2016» kostet 290 Franken und kann unter ifz@hslu.ch bestellt werden. Sammelbestellungen kosten ab 3 Exemplaren CHF 240.- pro Exemplar, ab 5 Exemplaren CHF 190.- und ab 10 Exemplaren CHF 140.- CHF pro Exemplar.
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