2. Juli 2018

Bankstrategie,

Blockchain,

Digitalisierung

Eindrücke und Erkenntnisse der Money 20/20

Von Dr. Urs Blattmann

Anfang Juni hat die Money 20/20 Europe, die grösste Messe der Finanzbranche in Europa, stattgefunden. Im heutigen Blog wird eine Zusammenfassung der wichtigsten Eindrücke und Erkenntnisse gegeben.

Von einer derart grossen Finanzmesse wie der Money 20/20 erhofft man sich natürlich Antworten auf die Frage, welche Veränderungen die Zukunft dem Bankwesens bringen werden oder doch zumindest Hinweise, in welche Richtung sich die Branche entwickeln wird. Nach einer Vielzahl von Referaten, Präsentationen, Expertengespräche und Diskussionen mit Messeteilnehmern aus vielen Ländern lässt sich das Gesehene und Gehörte kurz wie folgt zusammenfassen: Es herrscht weitgehend Konsens darüber, dass

  • die Zukunft des Banking mobil und offen sein wird,
  • Plattformen entscheidend sein und
  • die Veränderungen mit hoher Geschwindigkeit erfolgen werden.
  • Es macht deshalb Sinn auf diese Aspekte näher einzugehen.

Mobiles Banking – Banking der Zukunft?

Die nahe Bank der Zukunft ist in der Hosentasche des Kunden oder in der Handtasche der Kundin. Zweifellos werden die Filialen nicht vollends verschwinden. Es regt einem aber schon zum Nachdenken an, wenn der CEO von ING berichtet, dass seine Bank in Deutschland 8 Millionen Kunden hat – ohne eine einzige Filiale. In diesem Zusammenhang haben verschiedene Referenten darauf hingewiesen, dass die Abwicklung von Bankgeschäften für den Kunden ja keinen Mehrwert an sich biete und dass man schon früher dann zur Bank ging, wenn man ohnehin beim Bäcker oder Metzger nebenan noch etwas besorgen musste. Das Gespräch zur Finanzierung des Eigenheims war da nur die Ausnahme, die die Regel bestätigte. Es liege deshalb auf der Hand, dass der Kunde heute seine Finanztransaktionen nicht in seiner Freizeit abwickeln möchte, sondern beispielsweise dann, wenn er auf das Tram wartet oder sich auf dem Weg nach Hause in der Bahn befindet. Hervorgehoben wurde auch, dass der Kunde dabei erwartet, dass ihm die Bank eine äussert sichere und ausgesprochen benutzerfreundliche Lösung anbietet. Die Erfahrungen beim Einkaufen via Amazon oder die Bestellung eines Taxis bei Uber prägen dabei seine Erwartungshaltung.

Offenheit der Bank

Auch bezüglich Offenheit der Bank der Zukunft hat sich das Denken in unserem europäischen Umfeld über die bestehenden Geschäftsmodelle hinaus entwickelt. So haben holländische Banken zusammen mit andern grossen europäischen Instituten eine Blockchain-basierte Plattform entwickelt, über welche Handelsfinanzierungen abgewickelt werden können. Die grossen Banken bringen dabei ihr Netzwerk ein und stellen es jeder Bank, welche auf dieser Plattform mitmachen möchte, zur Verfügung. Am entsprechenden Messestand wurden Banker aktiv umworben wobei die «Verkäufer», in diesem Fall Projektmitarbeiter der Rabobank, wiederholt darauf hingewiesen haben, dass sich mit gemeinsamen Plattformen grössere Skaleneffekte erzielen lassen, als wenn jedes Institut für sich allein eine Lösung zu entwickeln versucht.

Plattformen gewinnen an Bedeutung

Offenheit der technischen Schnittstellen ist auch eine Voraussetzung, wenn es darum geht die Bank mit Plattformen zu verbinden, welche die Kunden der Bank regelmässig besuchen. Denn wenn die Bank mit dem Kunden nicht nur dann in Verbindung treten möchten, wenn er seine Zahlungen erledigt, muss sie mit Plattformen vernetzt sein, über die der Kunde andere Bedürfnisse befriedigt. Denn der Marktplatz, früher im Dorfzentrum gelegen, verlagert sich immer mehr ins Internet und nur denjenigen Banken, die auf diesem Marktplatz an «guter Passantenlage» platziert sind, wird es gelingen neue Kunden anzusprechen und zu gewinnen.
Diese Erkenntnisse haben bei einigen Banken dazu geführt, dass der Förderung von innovativen Lösungen und der Entwicklung von Plattformen ein hoher Stellenwert eingeräumt und entsprechend viel investiert wird. So präsentierte ING, welche allein in Amsterdam rund 100 Mitarbeiter in einem Innovation-Lab beschäftigt, Projekte mit einem Fokus auf Plattformen, so zum Beispiel «RideCloud», wo die verschiedenen Bereiche des Verkehrs, z.B. Auto, ÖV, Veloverleih, Taxidienste und andere kundenfreundlich zusammengefasst werden sollen. Credit Agricole, welche mehrere Innovation Villages betreibt und Ende diesen Jahres in Mailand ein weiteres solches Zentrum gründen will, zeigte auf, wie dort mit Start-ups zusammengearbeitet wird und gemeinsame Pilotprojekte gestartet werden. Die Verantwortlichen dieser Banken haben dabei betont, dass diese Initiativen vor allem auch drauf abzielen, die Kultur der eigenen Bank weiter zu entwickeln und die Akzeptanz von Innovationen und Veränderungen zu erhöhen.

Hohe Geschwindigkeit?

Es wurde immer wieder betont, dass eine hohe Geschwindigkeit der zukünftigen Innovationen erwartet wird und diese die Geschäftsmodelle in der Finanzbrache massgeblich verändern werden.
Interessant war diesbezüglich auch ein Referat, in welchem ein Vertreter der Credit Suisse von der Transformation im Zahlungsverkehr gesprochen und die «Highlights of a multi-year delivery journey» präsentiert hat: Im Zeitraum von 2013 bis 2018 hat die Grossbank offenbar eine Vielzahl von Anpassungen vorgenommen und ist nun in der Lage 2‘500 Transaktionen pro Sekunde zu verarbeiten. Auf einer der anderen Bühnen der Messe hat ein Referent aber kurz mitgeteilt, dass Alibaba derzeit in der Lage ist 250‘000 Transaktionen pro Sekunde zu verarbeiten, dass das Unternehmen diesen Wert zudem in kurzer Zeit auf über eine Million Transaktionen pro Sekunde zu steigern gedenke und dass es deshalb erforderlich sei, die technische Infrastruktur alle drei bis vier Jahre grundlegend zu erneuern.
Die Diskrepanz zwischen der Geschwindigkeit der technischen Erneuerung bei einem grossen Schweizer Finanzinstitut und einem der grossen weltweiten Player hat auch meine Begleiter auf dieser Studienreise als Vertreter kleinerer und mittlerer Schweizer Bankinstitute nachdenklich gestimmt. Positiv wahrgenommen wurden aber auch die Chancen, welche sich aus der Zusammenarbeit mit einigen ausgewählten – auch schweizerischen – Start-ups für das eigene Institut ergeben können. So wurden etwa Lösungen vorgestellt, welche im Bereich Zahlungsverkehr, Authentifizierung oder Security die aktuellen Erwartungen der Kunden weit besser befriedigen als die heute bei einer Vielzahl von Banken noch gebräuchlichen Systeme im e-Banking. In unserer Gruppe war man sich deshalb einig, dass in Zukunft nicht die grossen und starken im Markt erfolgreich sein werden, sondern diejenigen die sich rasch an die neuen Gegebenheiten anpassen können.

PS: Dr. Urs Blattmann arbeitet neu im IFZ als Dozent und Projektleiter im Bereich Finanzinfrastruktur und Banking Operations. Er nimmt diese Aufgaben auf Teilzeitbasis wahr und wird daneben weiterhin Mandate in seinen Firmen übernehmen.

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.

Pin It on Pinterest