8. Juli 2019
Anfang Juni hat sich die Finanzwelt in Amsterdam getroffen und an der Money 20/20 Europe neue Trends und Entwicklungen präsentiert respektive diskutiert. Die wichtigsten Eindrücke und einige Erkenntnisse vom Besuch der Messe werden im heutigen Blog wiedergegeben.
Die Finanzmesse «Money 20/20» wurde ins Leben gerufen, um einen Raum zu schaffen, wo sich technologische Innovationen und die klassische Finanzindustrie treffen und neue Ideen, Lösungen und Geschäftsmodelle diskutiert und weiterentwickelt werden können. An der diesjährigen Veranstaltung in Amsterdam standen die Themen «Innovationen», «Geschäftsmodelle» und «Open Banking» im Zentrum der Diskussionen und der Präsentationen. Daneben wurden auch Themen wie Blockchain, Artificial Intelligence und Cyber Security behandelt. An den Ständen der Aussteller hingegen stand das Thema Payment im Vordergrund. Dass grosse Player wie Amazon oder PayPal auf dieses Thema setzen und auf diese Weise in den klassischen Bankenmarkt eindringen wollen, erstaunt nicht. Dass aber auch viele mittlere und kleinere Firmen ihre ‘ausgezeichneten’ Lösungen in diesem Bereich vorstellten und den Bank schmackhaft machen wollten, hat aber doch einigermassen verwundert. Dies umso mehr als in den Referaten verschiedentlich die Ansicht geäussert wurde, dass mit dem Zahlungsverkehr nicht mehr das grosse Geld verdient werden könne.
Amazon Pay und eine neue Kommerzplattform von PayPal
Amazon will seine dominierende Stellung im Internethandel dazu nutzen, auch im Zahlungsverkehr Fuss zu fassen, um auch in diesem Bereich weltweit eine führende Stellung einnehmen zu können. Das Angebot am Stand von Amazon Pay war denn auch spezifisch auf Händler ausgerichtet, um diese von den Vorteilen des neuen Angebots überzeugen zu können. Die Frage, ob ein Bankkonto mit Amazon Pay verbunden werden könnte, konnte man uns leider nicht beantworten.
PayPal geht den umgekehrten Weg: Ausgehend von einer starken Stellung im Zahlungsverkehr will PayPal nun eine eigene Handelsplattform einrichten, um in der Wertschöpfungskette den Händler schon vor dem Zahlungsprozess abholen zu können. Es dürfte spannend sein zu verfolgen, ob es dem Unternehmen gelingen wird, eine echte Alternative zu Amazon und anderen bereits etablierten Handelsplattformen zu schaffen.
N26 und BigPay
Ein Highlight der Veranstaltung waren zweifellos die Präsentationen von N26 und BigPay. Während N26 als Bank, welche in vielen europäischen Ländern aktiv ist und bereits über rund 3 Mio. Kunden verfügt, hierzulande schon eine gewisse Bekanntheit geniesst, dürfte BigPay bisher nur wenigen aufgefallen sein. Dieses Institut wurde 2018 in Malaysia vom Betreiber einer asiatischen Fluggesellschaft gegründet, deren Erfolg darauf basiert, den innerasiatischen, grenzüberschreitenden Flugverkehr einfach und günstig anzubieten. Die Übertragung dieser Idee auf das Banking ist auch die Geschäftsidee von BigPay, welche es weltweit innert einem Jahr bereits unter die Top 5 der Finanzapplikationen geschafft hat.
Interessant ist, wie sich die Geschäftsmodelle der beiden Challenger-Banken gleichen: Beide wollen grenzüberschreitend tätig und sehr günstig sein, um so die nötige Masse an Kunden zu gewinnen. Ausserdem versprechen beide ein Banking, das den Kunden Spass macht und die beste digitale User-Experience ermöglicht. Des Weiteren wollen beide vollständige Transparenz anbieten.
Während BigPay sich vorerst auf den asiatischen Raum fokussiert, hat N26 konkrete Pläne, um in den USA und in Brasilien mit Tochtergesellschaften Fuss zu fassen. Die Vision ist es, die erste globale Retailbank zu bauen. Dabei ist man bestrebt, eine Balance zwischen den Neugründungen und dem Ausbau des bestehenden Geschäfts – es wird eine Verdoppelung der Kundezahlen in Europa anvisiert – zu finden. Zweifellos ein anspruchsvolles Unterfangen.
Open Banking
Viel wurde auch über Open Banking und PSD2 gesprochen. Die Erkenntnisse in England, wo mehr als ein Jahr Erfahrung mit der Öffnung der Kundenschnittstelle gesammelt wurde, sind jedoch bislang ernüchternd: Es hat sich noch nicht viel bewegt. Sei es, weil einzelne Banken die offene Schnittstelle noch immer mit einem grossen ‘time lag’ bedienen und so eine konsolidierte Sicht für den Kunden zur Geduldsprobe wird; sei es, weil Kunden noch zu wenig um ihre neuen Rechte wissen. Interessant waren jedoch Hinweise von Regulatoren, dass man es nicht bei der Öffnung von Banken bewenden lassen wolle, sondern dass Telekom-Unternehmen und andere Firmen folgen sollen. So soll eine völlig offene Wirtschaft geschaffen werden, wo letztlich der Kunde entscheidet, wem er seine Daten zur Verfügung stellt.
Dass sich dieses Modell längerfristig durchsetzen wird, scheint unbestritten; dass es bis dahin aber noch ein langer Weg ist, lässt sich auch nicht wegdiskutieren. Für Banken in der Schweiz dürfte das Thema spätestens dann aktuell werden, wenn sich die erste Bank zur Öffnung entschliesst und ihren Kunden, statt einem eigenen Online Banking im Verbund mit europäischen Banken eine Plattform anbietet, die dem Kunden eine Gesamtsicht über seine finanzielle Situation und beispielsweise einfache Zahlungen in EUR ermöglicht. Es lohnt sich deshalb, schon heute die entsprechenden Analysen vorzunehmen und die eigenen Handlungsoptionen zu bewerten.
Denkanstösse für Schweizer Banker
Aus der Vielzahl von Eindrücken lassen sich auch einige wichtige Erkenntnisse gewinnen, die für Schweizer Finanzinstitute von Relevanz sein können. Bezüglich den Geschäftsmodellen von N26 und BigPay muss man sich zunächst fragen, ob die hiesigen Banken bisher die Bedürfnisse der Kunden nach Einfachheit, Transparenz und günstigen Gebühren zu wenig konsequent adressiert haben und wie dies in Zukunft verbessert werden könnte. Viel grundsätzlicher ist die Frage, ob in Zukunft die grossen Plattformen von Google, Amazon und anderen Playern den Markt beherrschen werden und wie dieser Herausforderung begegnet werden kann. Ist es zielführend, dass jede Bank ihr eigenes Online Banking optimiert oder sollten im Sinne von Open Banking dem Kunden nicht neue, auch grenzüberschreitende Plattformen angeboten werden, welche neben Finanzdienstleistungen auch andere Bereiche beinhalten, die dem Kunden das Leben einfacher machen? Nach meiner Einschätzung bieten sich derzeit gute Möglichkeiten für Schweizer Banken, die Zukunft aktiv zu gestalten. Die strategische Diskussion und die Umsetzung der entsprechenden Massnahmen sollte aber mit einer gewissen zeitlichen Dringlichkeit verfolgt werden.
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