21. Mai 2013

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Eine stille Banken-Katastrophe?

Von Prof. Dr. Martin Spillmann

Margendruck und Zinsänderungsrisiken gefährden das Retail-Banking. Die Antwort auf diese Herausforderungen lautet: Strategisches ALM (strategische Bilanzbewirtschaftung). Grösster Erfolgsfaktor dabei ist ein solider Entscheidungsprozess; grösste Bedrohung ist eine falsche Erfolgsorientierung. Daraus leiten sich Fragen ab, die der Retail-Banker seinem CEO, und der CEO seinem Verwaltungsrat stellen sollte.

„Konturen einer stillen Katastrophe“ lautete die Überschrift eines NZZ Artikels vom 10. Mai. Er beschreibt, wie die faktische Nullzinspolitik der letzten Jahre die Passivmargen der Retail-Banken wegerodiert hat, und wie allzu günstiges Geld das Hypothekengeschäft befeuert hat. Volumenwachstum sei aber ein gefährlicher Ausweg aus dem Margendilemma. Eine weitere Versuchung stellt die Fristentransformation dar (d.h. unterlassene Absicherung langfristiger Hypotheken). Böse Ironie ist, dass nonchalant agierende Banken bessere Zinsergebnisse erzielt haben als auf Sicherheit bedachte Konkurrenten.

Margen
Abbildung: Margen und Strukturbeitrag (Quelle: NZZ)

Die beschriebene Situation ist zweifellos richtig. Doch was soll eine Retail Bank tun, um die an die Wand gemalte Katastrophe abzuwenden? Die beste Antwort lautet: professionelle Bilanzsteuerung oder ALM (Asset & Liability Management). ALM ist komplex und erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Bereiche: Vertrieb, Produktgestaltung, die Tresorerie, Risk & Controlling, die Geschäftsleitung. Alle haben sie ihre Ziele und spezifischen Interessen: Die Kundenberater auf der Passivseite wollen Kundengelder intern attraktiv anlegen, d.h. in der Regel langfristig. Die Verkäufer von Hypotheken wollen mit dem Markt wachsen. Der Treasurer hat kein Budget für  Absicherungskosten, und der CEO darf im Konkurrenzvergleich nicht schlecht aussehen. Die Eigentümer schliesslich erwarten eine nachhaltige Wertschöpfung. All dies muss unter einen Hut. Wie gelingt das?

Sichtbar erfolgreich ist, …  

  1. Wer den Zinszyklus richtig erkennt. Dies braucht aber nebst Einschätzungsvermögen auch Glück. Glück soll man nicht zu stark herausfordern.
  2. Wer sich richtig positioniert. Zum Beispiel in Erwartung einer Zinswende. Dazu muss man die Position kennen, und Massnahmen zur Hand haben.
  3. Wer über einen robusten Entscheidungsprozess verfügt. Die richtigen Leute müssen involviert sein, und gut unterstützt sein.
  4. Wer eine ernst zu nehmende Risikofunktion hat.
  5. Wer langfristig orientiert ist. Bilanzentscheide wirken sich oft langfristig aus. Ungeduld und Quartalsorientierung sind gefährlich.
  6. Wer falsche Entscheide auch korrigieren kann. Erweisen sich Einschätzung und Positionierung als falsch (Punkte 1. und 2.) sollen sie korrigiert werden dürfen (Punkt 3.). Aber nicht zu oft (Punkt 5.).

Diese Punkte mögen selbstverständlich tönen. Sie sind es nicht. Was kann denn einem erfolgreichen ALM entgegenstehen? Es sind fünf Bedrohungen:

  1. Unrealistische Erwartungen. Zum Beispiel an den ROE.  
  2. Die Notwendigkeit, „kreativ“ zu sein. Dies ist meistens gleichbedeutend mit erhöhtem Risikoappetit
  3. Intensiver Wettbewerb. Marktanteil soll nicht das Hauptyiel sein.  
  4. Die Macht von Trends, Meinungen und Moden. Herdentrieb ist im Banking allgegenwärtig. Denn wer macht, was alle machen, macht scheinbar nichts falsch. Allfälliges Unternehmensversagen wird so zu einem   Marktphänomen erhoben. Noch besser ist aber, wer sich leistet, etwas hinter dem Trend zurückzubleiben.  
  5. Vergesslichkeit und Verdrängung. Beispiele vernachlässigter Risiken sind das Refinanzierungsrisiko im Szenario höherer Zinsen, die Sorglosigkeit vor veränderbarem Kundenverhalten, aber auch die mangelnde Regulierung bilanzieller Zinsrisiken.

Der eingangs erwähnte Zeitungsartikel schloss mit dem Zwischentitel „Beklemmende Szenarien“. In der Tat erfordert ALM im heutigen Umfeld Mut, auch den Mut nach einer allenfalls vorsichtigeren Gangart. Gefragt ist der richtige Mix von Bewusstsein, Methoden, Entscheidungsprozessen und Handlungsbereitschaft.

Falls Sie Gelegenheit haben, stellen Sie Ihrem CEO diese Fragen:

  • Haben wir eine Strategie gegenüber bilanziellen Marktrisiken (ALM)?
  • Berücksichtigt die strategische Planung die spezifischen ALM-Risiken?
  • Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen mit natürlichen Interessenskonflikten geregelt?
  • Haben wir adäquate Risikoberichte? Erfassen diese die vollständige Bilanz, kommen sie aus unabhängiger Quelle, und werden sie verstanden?
  • Werden die Risikomodelle und ihre Annahmen periodisch hinterfragt? Sind wir uns unserer Modellrisiken bewusst?
  • Gibt es eine Liste vorgesehener Absicherungsmassnahmen, und sind wir bereit, sie zu ergreifen?
  • Wann leitet die SNB die Zinswende ein?

Nur die Schlussfrage wird unmöglich zu beantworten sein.

Kommentare

1 Kommentare

Paul

23. Mai 2013

Ein sehr guter Artikel. Den Zinszyklus richtig zu erkennen ist für ein erfolgreiches ALM matchentscheidend. Solange die Notenbanken jedoch staatliche Institutionen sind und munter die gesamte Zinskurve manipulieren, verlangt das ALM neue Wege. Diese gilt es zu beschreiten.

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