23. Oktober 2023

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Für welche Anwendungsfälle sind Voicebots sinnvoll? Die Perspektive der Kundschaft

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich, Selina Ofner und Prof. Dr. Nils Hafner

Kundinnen und Kunden stellen zunehmend hohe Anforderungen an die Erreichbarkeit und Abwicklungsgeschwindigkeit ihrer Bank. Insbesondere bei Anfragen, bei denen ein persönlicher Kontakt wenig Mehrwert bietet, sind lange Bearbeitungs- und Wartezeiten störend. Voicebots können diesen Anforderungen gerecht werden, da sie ortsunabhängig erreichbar sind und Anfragen effizient bearbeiten können – und das rund um die Uhr. Da bisher nur wenig Forschung zu Voicebots in der Schweizer Bankenbranche existiert, hat Selina Ofner in ihrer Masterarbeit eine Umfrage durchgeführt, um das Nutzenpotenzial von Voicebots für Bankgeschäfte aus Sicht der Generation Y (1980 bis 1994) und Z (1995 bis volljährig) zu untersuchen. In unserem heutigen Blog fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.

Was ist ein Voicebot?

Ein Voicebot ist eine Software, die auf natürlicher Sprachverarbeitung (NLP) und maschinellem Lernen basiert. Ein Voicebot ermöglicht Nutzerinnen und Nutzern mit ihrer Stimme mit einem Gerät oder einem Dienst zu interagieren. Mit anderen Worten: Ein Voicebot ist in der Lage, Anfragen zu verstehen, zu interpretieren, zu analysieren und in natürlicher Sprache zu beantworten. Dadurch eröffnen sich für Banken neue Möglichkeiten der automatisierten Bedienung von Kundinnen und Kunden.

Umfragedesign und Sample

Die anonyme Umfrage wurde im Zeitraum vom 27. Dezember 2022 bis 14. Februar 2023 durchgeführt. Nach Bereinigung unrealistisch kurzer Antworten betrug die durchschnittliche Bearbeitungszeit 04:04 Minuten. Insgesamt wurden 260 Antworten für die Umfrage gezählt. Die Umfrage konzentrierte sich ausschliesslich auf die jüngeren Generationen Y (1980 bis 1994) und Z (1995 bis volljährig). Von der Gesamtzahl der Teilnehmer gehörten 131 Personen zur Generation Z und 129 Personen zur Generation Y. Unter den Umfrageteilnehmern waren 113 weiblich (43.5%), 144 männlich (55.4%) und 3 „andere“ (1.2%). Obwohl die Stichprobe nicht vollständig repräsentativ ist, gibt sie dennoch einen guten Einblick in die Meinungen junger Menschen, die in der Deutschschweiz leben, bezüglich der Möglichkeiten und Risiken von Voicebots.

Wie viele junge Menschen können sich vorstellen, einen Voicebot zu nutzen?

Abbildung 1 zeigt, dass sich 60 Prozent der jungen Befragten grundsätzlich vorstellen können, einen Voicebot zu nutzen. Weniger als 20 Prozent schliessen eine Nutzung aus, während jede fünfte Person unentschlossen ist oder angibt, dass die Entscheidung von den spezifischen Anliegen abhängt. Hinsichtlich der Geschlechter gibt es nur geringfügige Unterschiede.

Abbildung 1: Können Sie sich grundsätzlich vorstellen, einen Voicebot zu nutzen? (n=260)

Diejenigen 18.8 Prozent der Personen, die keinen Voicebot nutzen möchten, wurden auf eine Folgefrage verwiesen. Darin wurde ermittelt, ob sie auch ausserhalb der Servicezeit ihrer Bank auf einen Voicebot verzichten würden, wenn sie ein Anliegen haben. 21 dieser Personen (42.9% der Personen, die den Voicebot nicht nutzen möchten) können sich dabei je nach Anliegen vorstellen, «trotzdem» mit einem Voicebot zu sprechen. Die restlichen 28 Personen (57.1 Prozent des Anteils derer, die den Voicebot nicht nutzen möchten) schliessen eine Nutzung des Voicebots kategorisch aus. Dies entspricht insgesamt 10.8 Prozent aller Teilnehmenden.

Diejenigen Personen, die es sich grundsätzlich vorstellen können, einen Voicebot zu benutzen, (insgesamt 232 der 260 Teilnehmenden) wurden nach ihrer bevorzugten Implementationsform befragt. Dabei konnte eine Person mehrere Implementationsformen anklicken. Insgesamt wurden 550 Stimmen abgegeben, wobei jede Person mindestens eine Implementationsform wählen musste.

Abbildung 2: Welche Voicebot-Arten würden Sie im Banking nutzen? (n=232, Multiple Choice, total 550 Antworten)

Am häufigsten wurde mit 147 Stimmen die Implementierung eines digitalen Telefonassistenten unter der Callcenter-Nummer der Bank gewählt. An zweiter Stelle liegt ein Voicebot, der in die bestehende Mobile-Banking-App integriert ist (145 Stimmen). Etwa ein Fünftel der Antworten favorisiert eine Implementierung innerhalb des Online-Bankings. Eine eigenständige Voicebot-App wird noch von 15.1 Prozent der Befragten als vorstellbar angesehen. Am wenigsten gewählt wurde ein Voicebot, der mit einem Voice-Assistenten (z. B. Alexa) verbunden ist (70 Nennungen).

Für welche Anwendungsfälle würden die Kundinnen und Kunden Voicebots nutzen?

Diejenigen, die den Voicebot potenziell nutzen würden, wurden nach ihrer Wahrscheinlichkeit der Nutzung verschiedener Funktionen befragt. Die Likert-Skala umfasst vier Stufen, von „würde ich sicher nutzen“ bis „würde ich nicht nutzen“, sowie die Option „spreche lieber mit einer realen Person dazu“. Abbildung 3 zeigt eine aufsteigende Sortierung nach der Kategorie „würde ich sicher nutzen“.

Abbildung 3: Welche der nachfolgenden Funktionen würden Sie voraussichtlich beim Voicebot nutzen? (n=232)

Zwischen 67.2 Prozent und 82.8 Prozent der Befragten geben an, dass sie wahrscheinlich oder sicher einen Voicebot für allgemeine Supportanfragen, die Bestellung von Dokumenten, die Veranlassung von Mutationen, Statusabfragen oder die Sperrung von Karten nutzen würden. Bei komplexeren Fragestellungen wie der Verlängerung einer Hypothek, dem Kauf/Verkauf von Wertpapieren oder Edelmetallen oder der Beratung zu Beratungspaketen können sich hingegen deutlich weniger junge Menschen vorstellen, einen Voicebot zu nutzen.

Des Weiteren haben wir eruiert, dass eine Kündigung des Bankverhältnisses per Voicebot von der Mehrheit der Befragten als eher attraktive Funktion eingestuft wird. Ein möglicher Grund kann darin liegen, dass die Kundschaft als unangenehm empfundene Gespräche mit ihrer Kundenberaterin oder ihrem Kundenberater aufgrund der Saldierung meiden möchte und die Anonymität des Voicebots schätzt. Diese Vermutung wird gestärkt durch den geringen Anteil an Personen, die im Falle einer Saldierung ein persönliches Gespräch wünschen. Dies ist insbesondere spannend, da die Kündigung von Bankbeziehungen eher komplex ist. Aus Bankensicht bietet dies Möglichkeiten, im Rahmen einer «Abgänger»-Befragung die wahren Gründe für die Saldierung zu erfahren, ohne dass die Kundschaft einer Beraterin respektive einem Berater gegenüber besonders höflich bleiben muss.  

Identifikation über Voice Biometrics?

Callcenter nutzen häufig Sicherheitsfragen, um Anrufer zu identifizieren. Auch der Zugang zum Mobile Banking erfolgt üblicherweise durch Gesichtserkennung oder Fingerabdruck. Daher wurden die 260 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, sich stattdessen per Voice Biometrics, also Stimmerkennung anhand multipler Parameter, zu identifizieren. Die Umfrage zeigt, dass Voice Biometrics als Identifikationsmethode bei der befragten jungen Bevölkerung auf eine ziemlich breite Akzeptanz stossen würde (siehe Abbildung 4). 54 Prozent der Befragten können sich dies gut vorstellen, während 25 Prozent dies nicht möchten. 21 Prozent der Teilnehmer sind noch unschlüssig.

Abbildung 4: Können Sie sich vorstellen, sich über Ihre Stimme zu identifizieren (Voice Biometrics)? (n=260)

Einige Personen haben Bedenken in Bezug auf potenzielle Risiken bei der Nutzung von Voicebots. Diese umfassen die Möglichkeit eines „Diebstahls“ der Stimme durch Tonaufnahmen, das potenzielle Mithören von Gesprächen im Hintergrund aufgrund der „permanent-listening“-Funktion und die Angst, dass andere Personen mithören könnten, da Kommandos und Rückmeldungen laut ausgesprochen werden (sofern man keine Kopfhörer trägt).

Fazit

Im Rahmen einer nicht repräsentativen Umfrage unter jüngeren Menschen (Generation Y und Generation Z) haben wir untersucht, wie diese derzeit das Thema Voicebots in Verbindung mit Banken beurteilen.

Das kurze Fazit lautet: Es kann sich für Banken lohnen, in Voicebots zu investieren. Etwa 90 Prozent der befragten Personen in der Deutschschweiz im Alter von 18 bis 43 Jahren stehen Voicebots grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings gilt dies hauptsächlich für einfache Anliegen (wie die Bestellung von Dokumenten, das Vornehmen von Änderungen oder die Abfrage von Kontoständen) sowie für Aufträge, bei denen mögliche Fehler nur einen geringen Schaden verursachen würden.

Für Geschäfte, bei denen Kunden ein Informationsdefizit oder Risiko empfinden oder eine Individualisierung ihrer Bedürfnisse erwarten, sind Voicebots derzeit noch nicht besonders beliebt. Offensichtlich wird der Umfang und die Qualität der Beratung durch Voicebots bei komplexeren Anliegen von den Kundinnen und Kunden als (noch) unzureichend angesehen. Zweitens zeigt sich, dass Voicebots für die Kundschaft eher für häufig durchgeführte Aktionen in Betracht gezogen werden.

Voicebots im Callcenter-Bereich sind bei jüngeren Personen weitgehend akzeptiert. Die Beliebtheit von Telefonassistenten könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Wartezeit bei Hotlines oft als zu lang empfunden wird. Für einfache Anliegen bevorzugen viele junge Menschen daher eine schnellere Abwicklung über einen Voicebot anstelle eines persönlichen Gesprächs mit einem Mitarbeitenden der Bank. Ein weiterer Vorteil des Voicebots als digitaler Telefonassistent besteht darin, dass er auf einem Kommunikationskanal aufbaut, der bereits eine verbreitete sprachliche Interaktion ermöglicht.

Auf der anderen Seite müssen Banken die verschiedenen datenschutzrechtlichen und sonstigen Bedenken der Kunden in ihre Überlegungen einbeziehen. Die Hauptbedenken der befragten Personen beziehen sich auf die „permanent-listening“-Funktion, bei der private Gespräche im Hintergrund aufgezeichnet werden könnten. Allerdings sind diese Bedenken nur bei Voice-Assistenten wie Alexa, Bixby und anderen (teilweise) gerechtfertigt. Ein Voicebot, der in das Mobile- oder Online-Banking integriert ist, wird erst nach dem Login aktiv, und ein digitaler Telefonassistent im Callcenter kann nur mithören, solange die telefonische Verbindung besteht. Daher müssen Banken diese Aspekte möglicherweise stärker kommunizieren, um die Bedenken der Kunden zu adressieren.

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