17. März 2016

Allgemein

IFZ-Studie: Crowdfunding etabliert sich immer mehr in der Kultur- und Kreativwirtschaft

Von Simon Amrein, Prof. Dr. Andreas Dietrich, Christoph Duss, Reto Wernli

Crowdfunding ist ein noch relativ junges Phänomen, das sich aber einer wachsenden Beliebtheit erfreut. Insbesondere für die Kultur- und Kreativwirtschaft ist Crowdfunding schon ziemlich bedeutend. Im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen stellt sich die Frage, welche Funktion und Bedeutung Crowdfunding künftig als Finanzierungsquelle neben den etablierten Finanzierungs- und Förderungsinstrumenten durch Stiftungen oder öffentliche Institutionen für die Kultur einnehmen wird und ob Crowdfunding einen positiven oder negativen Einfluss auf die Kulturdiversität hierzulande hat.

Im Auftrag der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia und des Bundesamts für Kultur hat das Institut für Finanzdienstleistungen IFZ der Hochschule Luzern – Wirtschaft zum ersten Mal eine Analyse des Schweizer Crowdfunding-Markts im Kulturbereich durchgeführt (hier geht es direkt zur Studie). Neben der Erhebung von Marktvolumen und Marktteilnehmern wurden auch Kooperationen sowie für Kulturprojekte typische Charakteristiken identifiziert. Methodologisch baut die Studie auf drei Ansätzen auf: Eine Umfrage bei den in diesem Segment tätigen Schweizer Crowdfunding-Plattformen, verschiedene Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern von Kulturförderstellen sowie ausgewählte statistische Analysen sämtlicher zwischen 2012 und 2015 auf der Plattform wemakeit lancierten Kampagnen für Kulturprojekte. Diese Analysen waren möglich, weil die Plattform wemakeit dem IFZ für wissenschaftliche Zwecke freundlicherweise sämtliche Daten der Projekte zwischen 2012 und 2015 in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt hat.

Crowdfunding besonders in der Musik und im Film verbreitet

Bereits heute ist Crowdfunding eine relevante Finanzierungsquelle für Kulturprojekte. Im Jahr 2014 wurden in der Schweiz für Projekte aus der Kultur- und Kreativwirtschaft rund CHF 4.0-4.5 Millionen vermittelt. Ein Grossteil davon (CHF 3.4 Mio.) entfällt auf die drei Kategorien „Musik, Konzerte, Festivals“, „Film, Video“ und „Kunst, Bilder, Gemälde“. Zwar mag dieser Wert in absoluter Grösse noch tief scheinen. Gemessen an der Anzahl erfolgreicher Kampagnen ist die Wirkung von Crowdfunding jedoch durchaus beachtlich. So wurden beispielsweise 2014 im Bereich „Musik, Konzerte, Festivals“ insgesamt 216 Projekte erfolgreich finanziert. Zudem ist bei diesen Zahlen zu beachten, dass Crowdfunding im Kulturbereich – neben bereits bestehenden Finanzierungskanälen von privaten oder öffentlichen Kulturförderstellen – vielfach nur eine ergänzende Rolle spielt. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 2015 dank Crowdfunding ca. 550 Projekte im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft finanziert. Die durchschnittliche Finanzierungssumme via Crowdfunding beträgt CHF 7‘076, wobei dieser Wert sehr heterogen ist und stark von der Kultursparte abhängt.

Die Vorteile von Crowdfunding gehen weit über die Finanzierung im engeren Sinn hinaus. Crowdfunding kann, wenn richtig angewendet, auch als ein erfolgversprechender Marketing- und als (Vorverkaufs-)Vertriebskanal eingesetzt werden. Projektinitianten erhalten zudem durch gute Kampagnen Aufmerksamkeit, können Netzwerke aufbauen und sich mit Projektunterstützenden austauschen.

Ist Internet als Finanzierungsquelle ein urbanes Phänomen?

Betrachtet man die geografische Verteilung von Projekten und Projektunterstützenden in der Schweiz, so zeigt sich, dass Crowdfunding in urbanen Regionen häufiger eingesetzt wird (siehe Abbildung 1). Drei Viertel aller Projekte stammen aus urbanen Regionen.

bild schweiz
Abbildung 1: Summe aller Gebote auf der Crowdfunding-Plattform wemakeit nach Herkunft (Gemeinde) der Unterstützenden (Zeitraum Februar 2012 bis April 2015)

Weitere Erkenntnisse unserer Auswertungen

1. Friends and Family, oder: Lokales Internet?

Auffällig sind die sehr geringen Distanzen zwischen den Standorten von Projektinitianten und Unterstützenden. Obwohl das Internet eigentlich keine geografischen Grenzen kennt, sind die meisten Projekte stark lokal verankert. So beträgt die durchschnittliche Distanz (resp. Median-Distanz) zwischen Projektinitiant und den Unterstützern lediglich 11 km in urbanen Gebieten.

2. Small crowd, big impact

Für den erfolgreichen Abschluss einer Crowdfunding-Kampagne reichen im Durchschnitt bereits 56 Unterstützende. Dies hat zur Folge, dass nicht nur Mainstream-Projekte mit breiter Unterstützungsbasis Erfolg haben, sondern auch solche mit „Nischen-Themen“. Des Weiteren bietet Crowdfunding auch „Newcomern“ eine Chance, welche sich mit der Bewerbung um Fördermittel über die klassischen Finanzierungskanäle nicht so gut auskennen oder welche infolge eines fehlenden Leistungsausweises bei einigen Stiftungen nur schwer an Unterstützung kommen.

3. Ganz oder gar nicht

Es gibt nur wenige Crowdfunding-Kampagnen, welche ihre Finanzierung „knapp“ nicht schaffen. 82 Prozent der gescheiterten Kampagnen haben weniger als 30 Prozent der angepeilten Finanzierung erreicht, 50 Prozent der gescheiterten Projekte hat nicht einmal 10 Prozent der Zielsumme sammeln können.

4. „Launch hard or go home“!

Für den Erfolg eines Crowdfunding-Projekts scheinen die ersten Tage der Kampagne zentral zu sein. Die untersuchten Kampagnen, welche nach einem Drittel der Finanzierungslaufzeit bereits 40 Prozent ihrer Zielsumme erreicht haben, sind in 98.8 Prozent aller Fälle erfolgreich (siehe Abbildung 2).

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Abbildung 2: Prognostizierte Erfolgswahrscheinlichkeit

Fazit

Wie sich gezeigt hat, ist Crowdfunding eine Chance für alle beteiligten Parteien in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Projektinitianten bietet sich neben den etablierten öffentlichen und privaten Förderwegen ein alternativer Finanzierungs- und Vermarktungskanal. Für Kulturförderer bieten Crowdfunding-Plattformen als Sammelgefässe von Projektideen einen spannenden Einblick in neu lancierte Kulturprojekte. Und für Projektunterstützende besteht die Möglichkeit, sich mit Kulturschaffenden auszutauschen und Zugang zu Leistungen und Produkten aus der Kultur- und Kreativwirtschaft zu erhalten.

Wir sind daher der Überzeugung, dass sich Crowdfunding im Grundsatz für die Anwendung im Kulturbereich und der Kreativwirtschaft hervorragend eignet, denn Produkte oder Inhalte als Resultat von Kulturprojekten stellen häufig eine für Investorinnen und Investoren attraktive Gegenleistung dar.

Aus unserer Sicht wäre es aber begrüssenswert, wenn zukünftig einerseits die Zusammenarbeit zwischen Crowdfunding-Plattformen und der öffentlichen Hand und privater Stiftungen effizienter und andererseits das Zusammenspiel von Plattformen und privaten Unternehmen intensiver würden. Wir sehen hier sowohl im Bereich der Kulturunterstützung durch Unternehmen via Crowdfunding als auch in einer effizienteren Zusammenarbeit zwischen Stiftungen und Crowdfunding-Plattformen ein grosses, derzeit noch brachliegendes Potenzial, die Kultur und die Kreativwirtschaft weiter zu fördern. Dabei können die Vorteile von etablierten Förderkanälen mit denjenigen von Crowdfunding verbunden werden.

PS: Mitte Mai präsentieren wir übrigens die neuen Marktzahlen für 2015 im jährlich erscheinenden „Crowdfunding Monitoring“. Die letztjährigen Ausgaben davon finden Sie hier.

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